# taz.de -- Kolumne Die Kriegsreporterin: Gottschalk, nimm mich! | |
> Die Japaner geizen mit ihrem verseuchten Fisch, Christian Kracht im | |
> Nazi-Fummel bleibt eine Fantasie und Thomas Gottschalk soll eine | |
> Anpflaumerin von der Seite bekommen. | |
Hallo taz-Medienredaktion! Japan-Woche in Presse und Funk, überall | |
Fukushima, nur das Sashimi wird in unserem schönen Deutschland einfach | |
nicht billiger. Dabei könnten die ruhig mal was rüberschicken von ihrem | |
verseuchten Fisch, schließlich essen sie den ja auch und es schadet ihnen | |
offensichtlich nichts. Im Fernsehen jedenfalls sehen die Japaner doch noch | |
sehr normal aus. | |
Dass heutzutage aber auf gar nichts mehr Verlass ist, weder auf den Wilden | |
noch auf den germanischen Schriftsteller, musste auch das nun sehr | |
enttäuschte Feuilleton erfahren. Christian Kracht gab nach dem Eklat um | |
seinen neuen Roman seine erste Lesung – man höre! – und kein Skandal tat | |
sich auf. | |
So’n Shiet aber auch, wird man sich in den Amtsstuben der Wichtigschreiber | |
gedacht haben, und die schöne Fantasie von Kracht im Nazi-Fummel, | |
verkleidet als Magda Goebbels oder auch die von bastrockbekleideten | |
Eingeborenen, die um einen großen Kochtopf tanzen, mit Pinot Noir | |
hinfortgespült haben. | |
Einzig RTL Deutschland, ein Medienunternehmen, dessen Mitarbeiter das | |
Fölletong für modernes Dämmmaterial halten werden, blieb ruhig, besann sich | |
auf die große Kraft, die das Primitive unter seiner Ägide entfaltet und | |
verkündete stolz, seine Angestellten an dem phänomenalen Gewinn seines | |
Jahresgewinns 2011 teilhaben zu lassen. | |
Etwa 1,5 Monatsgehälter werden pro Person zusätzlich in die Rentenkasse | |
fließen. Ja, während man bei der ARD biedere Programme über die in weiter | |
Ferne lebenden Opfer unseres Reichtums ausstrahlt, Stichwort Näherinnen, | |
Baumwollpflücker, bleiben Wohlstand und menschliche Ausbeutung bei RTL im | |
deutschen Sprachraum. | |
Aber nicht jeder geht so verantwortungslos mit seinen Mitmenschen um wie | |
die Fernsehleute von RTL. Bei der Schwäbischen Zeitung etwa hat man das | |
Gesamtgebilde von Angestelltem und Empfänger der Nachrichten im Kopf und | |
bittet die Redakteure darum, doch ab und zu mal die Zeitung auszutragen. | |
Womit sich der Verlag eindeutig als modernes Unternehmen zeigt, das erkannt | |
hat, Flexibilität ist das Zeichen der Zeit. Was ist schon ein Journalist, | |
also eine Fachkraft für Inhalte, Zusammenhänge und Sprache?! | |
Dass man da heutzutage nicht mehr so kleinlich sein darf, diese Einsicht | |
hat auch die Oberen des NDR erreicht, die die Nachrichtensendungen der ARD | |
verantworten. Weil dem modernen Zuschauer bei der Begrüßung „Guten Abend | |
meine Damen und Herren“ die Augenlider zufallen, dürfen die Sprecher jetzt | |
die Ansage ein wenig aufpeppen. | |
Oder schlicht der modernen Zeit anpassen. „Guten Abend meine Damen und | |
Herren, liebe Neger“ könnten sie zum Beispiel sagen oder auch schlicht | |
„Hello again!“. Auf ein „Ey Aller, was geht?!“ wird man aber wohl | |
vergeblich warten müssen, schließlich will man sich nicht anbiedern. | |
Die schönste Nachricht aber, liebe Medienredaktion, betrifft mich selbst. | |
Während ich Markus Lanz noch immer grolle, weil er entgegen seiner | |
Blaue-Augen-Aufschlag-Bekundigung nun doch „Wetten, dass ..?“ übernimmt, | |
soll Thomas Gottschalk einen Sidekick, also eine Anpflaumerin von der | |
Seite, bekommen. Und sucht dafür eine „möglichst unbekannte, freche, kluge | |
Frau“. Also mich! | |
Dass ich bis heute nicht angerufen wurde, wird daran liegen, dass „klug“ | |
ziemlich relativ ist. Hab ich mir gedacht. Nun aber glaube ich, dass es | |
schlicht daran liegt, dass den Verantwortlichen klar ist, dass ich nicht | |
bereit wäre, meinen schönen schrottigen BMW-Gürtel aus | |
Productplacement-Paranoia dauerhaft mit einem Klebeband, auf dem „Thommy“ | |
und ein Herz zu sehen ist, abzukleben. Und damit zurück nach Berlin! | |
13 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Silke Burmester | |
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