# taz.de -- Politikalltagsprotokoll aus NRW: Die Woche des Piraten | |
> Am Montag starten die Piraten in NRW mit ihrem Onlineportal in den | |
> Wahlkampf. Landeschef Michele Marsching hat die sieben Tage nach der | |
> Neuwahlentscheidung protokolliert. | |
Bild: Jetzt wirds spannend bei Landeschef Michele Marsching: „15 Uhr: Die Han… | |
Dienstag, 13. März | |
19 Uhr: Ich bin in Bonn bei einem Treffen zum Thema: „Die Bedeutung des | |
Internets für die neuen Bürgerbewegungen“. Plötzlich die Meldung, dass die | |
Koalition in NRW vor dem Aus stehe. | |
23 Uhr: Nach Hause. Telefonat mit dem Generalsekretär, der in Essen mit | |
Piraten in einem Fast-Food-Laden sitzt. Ich drehe den Wagen Richtung Essen. | |
Bis 4 Uhr: Diskussion möglicher Neuwahlen. Ich wiegle ab. | |
Moral des Tages: Nichts wird so heiß gegessen … | |
Mittwoch, 14. März | |
Morgens: Twitter-Timeline nimmt Fahrt auf. Schnell mit dem Hund raus, das | |
Kind versorgen und das Handy aufladen. Der letzte Löffel ist kaum im Mund, | |
da vibriert das Telefon schon ungeduldig. | |
12.45 Uhr: Die Abstimmung im Landtag scheitert. | |
15 Uhr: Die Handyakkus machen das erste Mal schlapp. | |
16 Uhr: Anfrage für Statements vor dem Landtag. Zusage. | |
19 Uhr: Vorstandstreffen in Essen. Wir besprechen fast nur Formalien und | |
Fristen, gehen schnell das Wahlprogramm 2010 durch. Vieles kann zum Glück | |
wiederverwendet werden. | |
23 Uhr: Mit einer Handvoll Piraten zum Schnellbräter. | |
1.30 Uhr: Erster Plan für einen Wahlwerbespot. | |
Moral des Tages: Erstens kommt es anders … | |
Donnerstag, 15. März | |
7.20 Uhr: Anruf. Was denken die? Ich war um 5 Uhr im Bett! Der SMS-Speicher | |
wird auf seine Maximalgröße geprüft. Mein Postfach läuft durch die | |
Mailinglisten der NRW-Piraten voll. Viele kennen die Details des | |
Wahlprozederes nicht. Der politische Geschäftsführer erstellt Howtos und | |
Wikiseiten. | |
12.30 Uhr: SAT.1 kommt nach Weeze. Auf dem Weg zum WDR Akku alle. Merker: | |
Drittakku! | |
15 Uhr: Telko zur Orga des Landesparteitags. Wir entscheiden uns für | |
Münster und beschließen, den Wahlkampf komplett selbst zu gestalten. Erste | |
Plakatideen. Die Herausforderung: Das Programm wird erst Mitte April von | |
der Basis verabschiedet. | |
Ab 17.30: Interviews zu Hause. | |
21 Uhr: In der Onlinesitzung des Arbeitskreises Wirtschaft und Finanzen | |
diskutieren wir einen Schattenhaushalt für NRW. | |
Und das Kind? Macht kurz vor Mitternacht Randale. | |
Freitag, 16. März | |
Morgens: Die ersten beiden Telefoninterviews mache ich im Bett. | |
14 Uhr: Drehtermin mit dem WDR. Aufpassen, dass zwar der Kinderwagen, nicht | |
aber unser Sohn abgefilmt wird. Für Bilder vom Straßenwahlkampf verteilen | |
wir Flyer an Passanten. | |
17 Uhr: Zum bundesweiten Vorständetreffen nach Kassel. Auf der Fahrt | |
Gespräch über die stündlich wachsende NRW-Kandidatenliste. Ich kandidiere | |
für den Spitzenplatz, meine Frau hatte mir das „Go“ gegeben. | |
22 Uhr: Ankunft in Kassel. Eigentlich wollten wir den Bundestagswahlkampf | |
2013 einläuten. Thema nun wohl: NRW. | |
Wochenende, 17./18. März | |
Analog: Alle wollen uns helfen. Erste Gespräche mit Piraten aus | |
Nachbarbundesländern. Pläne für Plakataktionen in ländlichen Regionen. Der | |
LaVo bestimmt einen Wahlkampfkoordinator. Er hat Erfahrung aus vier | |
Wahlkämpfen und ist Feuerwehrmann – passt, wo die Hütte gerade brennt. Ich | |
habe nun auch einen persönlichen Assistenten, ein Parteikollege macht das | |
freiwillig. Mir fallen noch keine Aufgaben ein, aber er fährt mich von | |
Kassel nach Hause. | |
Digital: Langsam wieder ein paar Privatmails lesen. Selten … | |
Und das Kind? Das erste Telefonat mit meinem Sohn. Er erkennt mich und | |
quietscht. | |
Montag, 19. März | |
11 Uhr: Erster Pressetermin, für Spaziergang zur Eisdiele genutzt. Dann | |
Telefonat mit einem unserer Rechtsanwälte: Wir haben bereits über 140 | |
Bewerber für die 40 Listenplätze, die Landtagsauflösung weckt | |
Begehrlichkeiten. | |
17.30 Uhr: Hallenbesichtigung für den Parteitag in Münster – Bestuhlungs-, | |
Technik-, Dekofragen. Wir planen sogar eine Kinderspielecke. | |
Um 23 Uhr: Auf dem Nachhauseweg telefonische Vorstandssitzung. Es geht um | |
Wahlkampfbudgets. Außerdem leider um ein Ordnungsmaßnahmeverfahren – ein | |
innerparteiliches Schiedsverfahren. Als ob wir jetzt nicht schon genug zu | |
tun hätten. | |
1 Uhr: Endlich zu Hause. Mit dem Hund raus. Danach E-Mails: Trolle | |
ignorieren, mich zwingen, bei allzu blöden E-Mails nicht doch zu antworten. | |
4 Uhr: Eingeschlafen. | |
Dienstag, 20. März | |
Vormittag: Telefonate und Krabbelgruppe. Später Interviews, unter anderem | |
bei meiner Runde mit Hund und Kind im Wald. Ein Gespräch eher unangenehm. | |
21 Uhr: Lange Sitzung der Arbeitsgruppe Öffentlichkeitsarbeit. Wir | |
besprechen unsere Onlinepräsenz, den Umgang mit Medien. Wo müssen wir | |
aufpassen? Bis sechs Uhr morgens sitze ich mit dem Laptop im Bett. | |
Mittwoch, 21. März | |
8 Uhr: Der Pressesprecher klingelt mich wach: „Was hastn da gemacht?“ Ich | |
ahne schon: Ich hatte mich gegenüber einer Agentur zu Diätenerhöhungen | |
geäußert. Wir würden zustimmen, sagte ich. Ich dachte, es geht um eine | |
planmäßige Erhöhung als Inflationsausgleich. Was ich vergessen hatte: Wir | |
hatten im Februar Position gegen außerplanmäßige Erhöhungen bezogen. Mit | |
dem Sprecher berede ich das Krisenmanagement nach dem Mini-GAU. Ich | |
flüstere, mein Sohn schläft noch. | |
10.30 Uhr: Ich schreibe einen Blogeintrag und korrigiere mich. Derwesten.de | |
übernimmt das. Der Shitstorm legt sich. Wir müssen halt noch lernen. | |
24 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Michele Marsching | |
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