# taz.de -- EU-Kommission: Betriebsrenten in Not | |
> Der Plan der EU-Kommission, die betriebliche Vorsorge zu sichern, könnte | |
> für das deutsche Rentensystem gefährlich werden. | |
Bild: Die Vorschläge der EU-Kommission machen die freiwillige Altersvorsorgung… | |
BRÜSSEL taz | Selten löst ein sogenanntes Weißbuch der Europäischen | |
Kommission einen solchen Sturm der Empörung aus wie das zur | |
Rentenversorgung, das die Behörde kürzlich in Brüssel vorgelegt hat. Im | |
Regelfall bleiben diese Dokumente erst einmal unbeachtet. Sie beinhalten | |
nämlich zunächst nur unverbindliche Vorschläge und Analysen, keine | |
endgültigen Gesetzesvorlagen. | |
Aber diesmal ist es anders. Denn was die Kommissare Michel Barnier und | |
László Andor in ihrem Weißbuch schreiben, könnte das Aus für das deutsche | |
Betriebsrentensystem bedeuten. | |
„Wenn die EU-Kommission mit ihren Vorschlägen durchkommt, macht das die | |
freiwillige Altersversorgung für die Unternehmen um ein Vielfaches teurer. | |
Viele werden dann keine Lust mehr haben“, sagt Klaus Stiefermann. Er ist | |
Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersvorsorge und | |
zurzeit ständig in Brüssel, um die EU-Kommissare von ihren Plänen | |
abzubringen. | |
Auf den ersten Blick klingen die eigentlich ganz sinnvoll: Aufgrund der | |
Erfahrungen in der Finanzkrise will die EU-Kommission das Eigenkapital – | |
also die Geldreserven – der Betriebsrenten erhöhen –, und zwar von zurzeit | |
in Deutschland rund 4 auf 30 bis 40 Prozent. „Es geht uns um die Sicherheit | |
der Verbraucher. Sie sollen sich auf ihre Rente verlassen können. Deshalb | |
müssen wir dafür sorgen, dass ihr Geld nicht auf Grund von Spekulation oder | |
Fehlinvestitionen verloren geht“, sagt EU-Kommissar Michel Barnier. | |
Mehrere Banken und Versicherungen waren während der Finanzkrise in | |
Schwierigkeiten geraten und mussten teilweise staatliche Hilfe in Anspruch | |
nehmen, weil ihr finanzielles Polster nicht ausgereicht hatte, um ihre | |
Verluste auszugleichen. Damit das den Betriebsrenten nicht passiert, | |
fordert Brüssel also die Erhöhung des eigenen Kapitals. | |
## Konventionelles Produkt Lebensversicherung | |
Aber in Deutschland ist das völlig überflüssig. Es gibt bereits zahlreiche | |
Absicherungen für die Betriebsrentner, erklärt Klaus Stiefermann: „Der | |
Arbeitgeber haftet für die Betriebsrente. Es ist keine Versicherung im | |
herkömmlichen Sinne, sondern eine Sozialleistung. Darüber hinaus haben wir | |
in weiten Teilen auch eine Insolvenzsicherung. In Deutschland ist in den | |
letzten 40 Jahren kein einziger Rentner leer ausgegangen.“ Anders als | |
herkömmliche Versicherungen sind die deutschen Betriebsrenten nicht darauf | |
ausgelegt, selbst Profit zu machen. | |
Statt in riskante Produkte mit höheren Renditen investieren sie das Geld | |
ihrer Mitglieder in konventionelle Produkte wie Lebensversicherungen. Das | |
senkt das Risiko für Fehlinvestitionen enorm. Die Vorschläge aus Brüssel | |
würden dem deutschen Rentennehmer keine zusätzliche Sicherheit bringen – im | |
Gegenteil: Einige Unternehmen könnten sich die freiwillige Altersversorgung | |
ihrer Mitarbeiter dann nicht mehr leisten. Bisher gibt es nur Schätzungen | |
zu den Mehrkosten. Sie werden wohl in jedem Fall über 40 Milliarden Euro | |
betragen. | |
Der EU-Kommissar Michel Barnier bestreitet, das deutsche Rentensystem | |
angreifen zu wollen. Allerdings muss er eine Lösung für die gesamte EU | |
finden, und das ist nicht einfach. Denn in anderen europäischen Ländern | |
machen die Vorschläge aus Brüssel durchaus Sinn. In den Niederlanden etwa | |
ging den rund 600 Pensionsfonds das Geld in der Finanzkrise aus, weil sie | |
ungefähr ein Drittel des zukünftigen Rentenkapitals in Aktien investiert | |
hatten. Als die Börsenkurse abstürzten, blieben von rund 200 Milliarden | |
Euro gerade noch 40 Milliarden übrig. Die niederländischen Rentner mussten | |
mit Kürzungen ihrer Bezüge rechnen. Auch in Irland und Schweden gab es | |
ähnliche Probleme. Für Klaus Stiefermann ist das allerdings kein Grund, | |
alle Länder über einen Kamm zu scheren. | |
Die Diskussionen in Brüssel zum „Weißbuch Rente“ werden noch Monate dauer… | |
Klaus Stiefermann hofft, dass die EU-Kommission sich zumindest davon | |
überzeugen lässt, Ausnahmeregelungen zuzulassen und das Eigenkapital | |
letztlich nur dort erhöht werden muss, wo es keine anderen | |
Sicherungssysteme wie in Deutschland gibt. | |
25 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Ruth Reichstein | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Die Eckpunkte der geplanten Rentenreform: Alleinerziehende profitieren | |
Ursula von der Leyen legt einen Entwurf zur „Zuschussrente“ vor, die etwa | |
Müttern hilft, die lange Teilzeit arbeiteten. Sie ist Teil eines | |
Rentenreformpakets. |