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# taz.de -- Eine Dekade Hörfilmpreis: Wie klingt „Psycho“?
> Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband verleiht zum zehnten Mal
> den Hörfilmpreis. Zielsetzung ist, mehr audiodeskriptive Fassungen ins
> Fernsehen zu bringen.
Bild: Dustin Hoffman kann im Kino hören und sehen. Mit Hilfe von Audiodeskript…
„Eine junge Frau lässt voller Genuss warmes Duschwasser über ihre Haut
rinnen. Hinter dem Duschvorhang zeichnet sich plötzlich ein Schatten ab,
der näher kommt und sich zur Silhouette eines Menschen verdichtet, der ein
Messer in der erhobenen Hand hält …“, beschreibt eine männliche Stimme, v…
Spannung zitternd. So klingt die berühmte Dusch-Szene aus Alfred Hitcocks
Film „Psycho“ in der Hörfilmversion – also der audiokommentierten
Filmvariante für Blinde und Sehbehinderte.
Aus Sicht des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbands (DBSV) ein
gelungenes Beispiel dafür, wie man einen Film auch für Menschen ohne oder
mit geringem Sehvermögen erlebbar machen kann – ist diese Bearbeitung des
Films doch nominiert für den Deutschen Hörfilmpreis 2012, der heute Abend
in Berlin verliehen wird.
Durch knappe Beschreibungen zentraler visueller Elemente der Filmhandlung,
etwa der Gestik und Mimik der Schauspieler oder besonders auffällige
Filmkulissen, sollen dank Hörfilmversionen auch Blinde und Sehbehinderte
Filme „sehen“, also erleben und nachvollziehen können – ganz so, wie das
durch Untertitel für Menschen ohne Hörvermögen möglich sein soll.
Besonders gelungene Audiodeskriptionen sollen heute Abend vom DBSV
ausgezeichnet werden – unter dem Motto „Um Filme zu lieben, muss man sie
nicht sehen“ und zum insgesamt zehnten Mal. Die Idee des Verbands: Film und
Fernsehen sind wichtige Bestandteile und alltäglicher Gesprächsstoff in der
Familie, unter Freunden oder am Arbeitsplatz.
## Für eine kulturelle Teilhabe
Darum wollen sie mit dem Preis die Bedeutung des Hörfilms für die
kulturelle Teilhabe von blinden und sehbehinderten Menschen in Deutschland
unterstreichen. Indem sie besonders gelungene Hörfilmadaptionen auszeichnen
– die allerdings, wie die Nominierung von „Psycho“ zeigt, nicht
zwangsläufig die aktuellsten Filme vertonen.
Jährlich würde das Medieninteresse an ihrer Preisverleihung steigen, sagt
Renate Reymann, Präsidentin des DBSV, die selbst blind ist. „Und was mich
besonders freut, ist, dass immer mehr Filmschaffende die Wichtigkeit der
Erstellung von Audiodeskriptionen von Filmen für sehbehinderte Menschen
erkennen.“
Viele öffentlich-rechtliche Fernsehsender in Deutschland haben bereits
regelmäßig Hörfilme im Programm. Dabei wird die Audiodeskrition des Films
auf einem zusätzlichen Tonkanal ausgestrahlt, der über das Audiomenü des
Fernsehers angewählt werden kann. Man braucht also keine zusätzlichen
technischen Geräte. Das ist ein deutlicher Zuwachs: Gab es 1997 nur acht
Sendetermine mit Audiodeskriptionen, wurden 2011 rund 1.400
Hörfilmadaptionen ausgestrahlt.
Trotz dieser positiven Entwicklung übt der Juryvorsitzende des
Hörfilmpreises, Dietrich Plückhahn, auch Kritik: Hörfilme, so sagt er,
würden nicht in der Primetime, sondern eher an den Rändern des
Fernsehprogramms ausgestrahlt – oder erst in Wiederholungen. „Wir müssen
auch dahin kommen, dass gleich bei der Erstausstrahlung eine
Audiodeskription dabei ist“, sagt er.
## Audiodeskription ist verhältnismäßig günstig
Und der DBSV kann sich noch weitere Verbesserungen vorstellen – fordert
etwa, dass die öffentliche Filmförderung an die parallele Erstellung einer
Hörfilmfassung gekoppelt wird. Finanziell wäre das im Verhältnis zu den
sonstigen Kosten einer Filmproduktion ein eher kleiner Posten: Die
Erstellung einer Audiodeskription für einen Film kostet im Schnitt gerade
einmal 4.500 bis 5.000 Euro.
Heute Abend jedoch will der Blinden- und Sehbehindertenverband in Berlin
feiern – zum einen das zehnjährige Jubiläum des Hörfilmpreises, aber auch
sein 100-jähriges Bestehen. „Damit sind wir die älteste deutsche
Selbsthilfeorganisation“, sagt DBSV-Präsidentin Reymann. Und verrät auch,
welcher der nominierten Hörfilme ihr Favourit ist: „The King’s Speech“ �…
der Film über den stotternden britischen Thronfolger, der 2011 mit mehreren
Oscars ausgezeichnet wurde.
27 Mar 2012
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