# taz.de -- Joachim Gaucks Antrittsbesuch in Polen: High Noon in Warschau | |
> Der neue Präsident erweist sich als Kenner des Nachbarn. Für ihre | |
> Zusammenarbeit wollen Gauck und sein Amtskollege Komorowski an gemeinsame | |
> Erfahrungen anknüpfen. | |
Bild: Zwei Präsidenten, einer versteckt: Joachim Gauck umarmt seinen Amtskolle… | |
WARSCHAU taz | „Das hängt schon bei mir zuhause“, platzte Bundespräsident | |
Joachim Gauck heraus, als er auf seiner ersten Auslandsreise in Warschau | |
das Kultplakat der Freiheitsbewegung Solidarnosc geschenkt bekam. Zunächst | |
leicht perplex sah Polens Staatsoberhaupt Bronislaw Komorowski den Gast aus | |
Deutschland an. "Sehr höflich ist das nicht gerade", schien er zu denken. | |
Doch Gauck fuhr wenig präsidial und erfrischend offen fort: „Gary Cooper im | |
Film High Noon, der als guter Sheriff mit dem Solidarnosc-Wahlzettel in der | |
Hand den Polen Freiheit und Demokratie bringt - dieses Wahlplakat von 1989 | |
imponierte mir schon vor Jahren.“ Demnächst werde ein Plakat in seiner | |
Wohnung hängen und das andere im Amt. | |
Komorowski zog anerkennend die Augenbrauen hoch. Da hatte sich Gauck | |
tatsächlich als Freiheitsfreund und guter Kenner Polens gezeigt. Mehrmals | |
betonte er, wie sehr er sich freue, dass Gauck, der erst am vergangenen | |
Freitag vereidigt worden war, schon am Montag und Dienstag zu seiner ersten | |
Reise nach Polen aufgebrochen war. „Wir kennen beide die Zeit, als es keine | |
Freiheit gab“, erläuterte er. In der Zeit des Realsozialismus saß | |
Komorowski mehrfach für seine politischen Überzeugungen im Gefängnis. | |
Arbeit konnte er nur als Geschichtslehrer in einem katholischen Gymnasium | |
finden. "Diese gemeinsame Erfahrung stellt ein wichtiges Fundament für | |
unsere künftige Zusammenarbeit dar, bilaterial, aber auch in der EU", so | |
Komorowski. | |
Gauck wusste offenbar, dass der polnische Präsidentenpalast nur deshalb den | |
Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden hatte, weil die Nazis es zum | |
„Deutschen Haus“ erklärt hatten. Ringsum hinterließen die Nazis hingegen | |
nur Ruinen. 1944 war von Polens Hauptstadt kaum noch etwas übrig. Darauf | |
spielte Gauck an, als er sich selbst als „älteren Deutschen“ vorstellte, | |
der „noch in den Zeiten des Krieges geboren wurde und die sehr wechselvolle | |
Geschichte zwischen unseren Ländern“ kenne. Um so mehr freue ihn die große | |
Herzlichkeit, mit der er in Warschau aufgenommen worden sei. Dabei sah er | |
Komorowski an, dessen Familie aus altem Adelsgeschlecht durch den Krieg | |
alle Güter verlor und - vollkommen verarmt - jahrelang auf der Suche nach | |
einer neuen Heimat durch Polen zog. | |
Heute, so Gauck, wollen Polen und Deutschland die Probleme der Zukunft | |
gemeinsam lösen. Die beiden Präsidenten übernehmen die Schirmherrschaft | |
über das deutsch-polnische Jugendwerk, wie dies schon gute Tradition ist. | |
Darüber hinaus wollen sie sich möglichst oft mit deutschen und polnischen | |
Jugendlichen und Studierenden treffen. An der Universität Viadrina in | |
Frankfurt an der Oder, in Krzyzowa, dem früheren Kreisau. Zu Gesprächen, | |
aber vielleicht sogar auf einem Rockfestival. | |
## Polen als erste Wahl | |
Gauck, der 72-Jährige, lachte: „So ganz ausgegoren sind unsere Ideen noch | |
nicht.“ Mit Seitenblick auf den 60-jährigen Komorowski setzte er hinzu: | |
„Bronislaw ist ja noch jung.“ Bevor er dem polnischen Premier Donald Tusk | |
und der Parlamentspräsidentin Ewa Kopacz seine Aufwartung mache, wolle er | |
noch etwas klarstellen, wandte sich Gauck direkt an die Journalisten. „Es | |
ist nicht richtig, dass ich eigentlich lieber zuerst nach Paris gefahren | |
wäre und dies nur deshalb nicht getan habe, weil dort gerade der | |
Präsidentenwahlkampf läuft.“ | |
Leicht empört hob er den Zeigefinger: „Polen war meine erste Wahl. Das hat | |
nichts mit Kalkül zu tun. Es war die Wahl meines Herzens.“ Die Stimmung | |
wieder besänftigend bekräftigte er: „Polen ist für mich das europäische | |
Land der Freiheit. Hier werde ich mich immer wohl fühlen.“ | |
Die Deutschen, so Gauck, könnten von den polnischen Nachbarn viel lernen. | |
Komorowski, von so viel Lob fast schon peinlich berührt, umarmte Gauck und | |
sagte: „Es ist uns in den vergangenen Jahren schon sehr viel gelungen. Wir | |
rechnen nicht mit einem Umschwung. Es kann also nur noch besser werden.“ | |
27 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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