# taz.de -- Terror-Prozess: Dreieinhalb Jahre Haft für elf Videos | |
> Ein 20-Jähriger hat Hinrichtungsvideos von islamistischen Gruppen ins | |
> Netz gestellt. Das Schleswiger Oberlandesgericht verurteilt ihn deshalb | |
> zu einer mehrjährigen Jugendhaft. | |
Bild: Empfahl dem Angeklagten, sein Islam-Bild zu verändern: das Oberlandesger… | |
SCHLESWIG taz | Am Ende wurde er doch nervös: Als es um das Strafmaß ging, | |
kaute Harry M., beschuldigt wegen Unterstützung einer terroristischen | |
Vereinigung, an der Innenseite seiner Wangen, und seine Augen wurden immer | |
größer. Vier Jahre Jugendhaft forderte Christian Monka von der | |
Generalbundesanwaltschaft, zusätzlich zur bereits verbüßten U-Haft, in der | |
M. seit neun Monaten sitzt. Neben den Zahlen hörte M. sicher auch die | |
Begründung nicht gern: „Sie sind eine gründlich unerzogene Persönlichkeit�… | |
sagte der Staatsanwalt dem 20-Jährigen, der sich selbst als Kämpfer für den | |
Dschihad betrachtet. Das Gericht blieb mit drei Jahren und drei Monaten, | |
von denen die bereits verbüßte Untersuchungshaft abgezogen wird, unter | |
Monkas Antrag. | |
Das Oberlandesgericht in Schleswig sah es als erwiesen an, dass M. mit | |
seiner Internet-Seite „Islamic Hacker Union“ ausländische terroristische | |
Vereinigungen unterstützt und für sie geworben hatte. Da er zum | |
Tatzeitpunkt erst 19 Jahre alt war, wurde M. nach Jugendstrafrecht | |
verurteilt. In der Begründung sagte Richter Michael Lautebach, M. sei | |
„aktiv und willentlich“ zum Terror-Unterstützer geworden. | |
Harry M., der zuletzt in Neumünster lebte, hatte zwischen Februar und Juni | |
2011 insgesamt 139 Texte und 83 Videos ins Netz gestellt, die von | |
Terrorgruppen wie der „Islamischen Bewegung Usbekistan“ und dem | |
„Islamischen Staat Irak“ stammen. Angeklagt wurde er für elf dieser | |
hochgeladenen Filme. Sie zeigen unter anderem Hinrichtungen, darunter die | |
Ermordung eines amerikanischen Geschäftsmannes oder Polizisten, die mit | |
Genickschüssen getötet werden. M., der sich während des Prozesses | |
ausführlich zu seinen Taten geäußert und zum Kampf gegen die „Ungläubigen… | |
bekannt hatte, sagte in seinem Schlusswort, er bereue, dass er die Seite | |
online gestellt habe: „Ich habe nur meine Perspektive gesehen und nicht | |
bedacht, dass ich meine Familie mit hineinziehe.“ | |
In seinem Plädoyer betonte Monka, dass die „propagandistische Verwertung“ | |
ihrer Taten für die Terrorgruppen inzwischen ein eigenes Element darstelle. | |
Er erinnerte an die aktuellen Attentate in Toulouse und andere Fälle, bei | |
denen spätere Täter sich im Internet radikalisiert hätten oder Information | |
über das Netz verbreiteten. Ihn „störe besonders“, dass Harry M. während | |
des Verfahrens kaum Reue gezeigt habe: „Ich hatte nie einen Fall, in dem | |
ein junger Mann so klar gesagt hat, dass seine Taten richtig waren und dass | |
er es wieder tun würde.“ Die Untersuchungshaft habe scheinbar nichts | |
bewirkt. Zwar ließe sich durch das „mangelnde Selbstwertgefühl des jungen | |
Mannes einiges erklären, „aber eben nicht alles“. Entsprechend hoch fiel | |
das von ihm geforderte Strafmaß aus. | |
Vier Jahre Haft seien viel zu dicht am Erwachsenenstrafrecht, sagte | |
Verteidiger Andreas Preuß. Er wies auf die erzieherischen Ziele einer | |
Jugendstrafe hin, bei der nicht die einzelnen Taten zusammengezählt, | |
sondern eine Gesamtstrafe gebildet wird. Preuß berichtete von zahlreichen | |
Gesprächen, die er mit M. in der U-Haft geführt hatte. Sein Mandant sei | |
eine „dissoziale Persönlichkeit, der zum falschen Zeitpunkt die falsche | |
Person begegnet“ sei. Das Strafmaß solle so angepasst werden, dass Harry M. | |
eine „Struktur ins Leben“ bekomme, also einen Hauptschulabschluss machen | |
könne: „Wir müssen ihm zeigen, dass der Staat nicht nur sanktioniert, | |
sondern auch eine Hand hinstreckt.“ | |
Dem folgte das Gericht inhaltlich: Die relativ lange Haftstrafe diene dazu, | |
M. „eine Zeit lang zu begleiten“. Dass der gebürtige Pinneberger als | |
Heranwachsender zu betrachten sei, hatte ein Gutachter festgestellt. | |
Richter Lautebach resümierte, M. habe bisher immer nur versagt, ihm fehle | |
Persönlichkeit und Anerkennung. Erst durch seine virtuellen Kontakte und | |
die Klicks auf seine Seite habe er Bestätigung erhalten. Er gab ihm mit auf | |
den Weg, sein Islam-Bild zu ändern: „Was soll das für ein Gott sein, der | |
alle Menschen liebt, aber einzelnen aufträgt, das zu tun, was auf diesen | |
Videos zu sehen ist? Das ist ein Irrweg, Herr M.!“ | |
27 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Esther Geisslinger | |
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