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# taz.de -- Kommentar U-Bahn-Schläger: Die Lehre aus Giuseppe Marconis Tod
> Härtere Urteile gegen U-Bahn-Schläger helfen nicht weiter. Nötig sind
> endlich wirksame Konzepte gegen die testosterongesteuerten Schläger.
Bild: Trauernde am Tatort Berlin-Kaiserdamm
Sie heißen Ali T., Torben P. oder Mehmet S. Sie sind jung und trinken viel,
in der Nacht oder schon am nächsten Morgen landen sie mit ihren
alkoholisierten Kumpels im Bus, in der S- oder U-Bahn. Dort pöbeln,
schlagen, stechen oder treten sie. Ihre Opfer sind jung und männlich,
manchmal enden die Attacken tödlich, oft überleben die Angegriffenen mit
schweren gesundheitlichen Schäden oder tragen zumindest psychische
Beeinträchtigungen davon.
Die Fälle landen vor Gericht, Urteile werden abgewogen und gefällt. Oft
fallen sie sehr mild aus, zu mild – wie man immer wieder denkt. So auch im
Fall der tödlichen Flucht auf dem Kaiserdamm. Die Angeklagten, der
21-jährige Ali T. und dessen bester Freund, der 22-jährige Baris B., kommen
mit Bewährungsstrafen davon.
Der Vorsitzende Richter Ralph Ehestädt gibt sich viel Mühe bei der
Begründung, warum die 35. Große Strafkammer nicht drastischere Sanktionen
verhängte. Das Geständnis, das die Täter noch am selben Tag ablegten, wurde
in die Waagschale geworfen, ebenso die Wochen beziehungsweise Monate, die
sie in der Untersuchungshaft verbrachten, sogar die schwere Attacke eines
Mithäftlings, der Ali T. in seiner Zelle ausgesetzt war, wurde angerechnet.
Am meisten aber profitierte der Schläger und Provokateur von der Ansicht
der Richter, dass er das „selbstgefährdende Fluchtverhalten“ seines Opfers
nicht habe voraussehen können. Es sei vielmehr eine Verkettung
unglücklicher Umstände gewesen, dass sich in der Ruhe, die an jenem
Septembermorgen auf dem fünfspurigen Kaiserdamm herrschte, ausgerechnet ein
Auto fand, dass den 23-jährigen Guiseppe Marconi erfasste und mit dem Kopf
gegen einen Ampelmast schleuderte.
All dies ist sicher richtig, doch es lindert nicht die Empörung über das,
was die beiden Verurteilten angerichtet haben. Andererseits hätte auch ein
härteres Urteil kaum die nächste U-Bahn-Schlägerei, die nächste
Messerstecherei im Bus verhindert. Es fehlen vielmehr Konzepte, wie man dem
steten Übel der alkoholisierten, testosterongesteuerten Schläger wirksam
begegnen kann. Video-Überwachung und Notrufsäulen sind Maßnahmen, die erst
dann greifen, wenn die Opfer bereits auf dem Bahnsteig liegen, sie erhöhen
nicht die Sicherheit.
Die Angehörigen von Guiseppe Marconi setzen sich jetzt für wirksame
Konsequenzen ein. Sie wollen, dass der Tod ihres Sohnes, ihres Bruders zu
Veränderungen führt, sie sammeln Unterschriften und wenden sich mit einer
Petition ans Abgeordnetenhaus. „Diese Haltung verdient Respekt“, hat der
Richter am Donnerstag erklärt. Dem kann man sich nur anschließen.
29 Mar 2012
## AUTOREN
Uta Eisenhardt
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Urteil U-Bahn-Schläger: Die Tragik des Giuseppe Marcone
Im Fall der tödlichen Flucht vor einem Angreifer verhängt das Landgericht
Bewährungsstrafen.
U-Bahn-Schläger kommen glimpflich davon: Zwei Jahre auf Bewährung
Guiseppe M. flüchtete nach einer Schlägerei aus einem Berliner U-Bahnhof
und wurde auf der Straße überfahren. Er starb. Der Täter soll ihn gejagt
haben, doch das Landgericht urteilt milde.
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