# taz.de -- Mob: Verdächtiger wieder frei | |
> Nach der Festnahme des vermeintlichen Täters war im Internet und vor dem | |
> Emdener Kommissariat zu Lynchjustiz aufgerufen worden. Nun ermittelt die | |
> Polizei. | |
Bild: Pressekonferenz nach der Festnahme - danach wollte ein Mob das Kommissari… | |
HAMBURG taz | Der am Dienstag wegen Mordes an der elfjährigen Lena in Emden | |
Festgenommene ist am Freitag wieder freigelassen worden. „Wir haben Fakten | |
vorliegen, die eine Täterschaft des Jugendlichen ausschließen“, sagte der | |
Leitende Oberstaatsanwalt Bernard Südbeck. Die Indizien, die zunächst gegen | |
den 17-Jährigen gesprochen hätten, seien von Fakten widerlegt worden. | |
Der Oberstaatsanwalt wies Kritik zurück, die Polizei habe den Jugendlichen | |
vorschnell festgenommen. Es habe am Mittwochabend dringender Tatverdacht | |
bestanden, „es blieb uns zu diesem Zeitpunkt keine andere Wahl und dazu | |
stehen wir auch“, sagte er. Zuvor hatte der niedersächsische Kriminologe | |
Christian Pfeiffer kritisiert, die Polizei habe den Jugendlichen trotz | |
dürftiger Verdachtsmomente „sensationsheischend mit Handschellen“ abgefüh… | |
und so getan, als habe man den Täter gefunden. | |
Nach der Festnahme des 17-Jährigen am Dienstagabend war bei Facebook dazu | |
aufgerufen worden, das Polizeikommissariat in Emden zu stürmen. Bis vier | |
Uhr morgens stand ein Mob von 50 Menschen vor dem Kommissariat und forderte | |
die Herausgabe des vermeintlichen Mörders. Der Emdener Kriminalrat Martin | |
Lammers hatte das am Donnerstag die „Schattenseite des Verfahrens“ genannt, | |
räumte zugleich aber auch Fehler bei der Festnahme ein: „Wir haben | |
versucht, so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu verursachen“, sagte er. | |
„Das ist uns ein Stück weit nicht gelungen.“ | |
Auf der Internetplattform Facebook hatten mehrere Nutzer dazu aufgefordert, | |
den Festgenommenen zu foltern oder zu töten. Außerdem hatte laut Bericht | |
der HAZ ein Münchner Nachrichtenmagazin in seiner Online-Ausgabe den Namen | |
des angeblichen Täters mit Vornamen und abgekürztem Nachnamen genannt. | |
Daraufhin waren Fernsehteams durch Emden gezogen und hatten Passanten nach | |
dem betreffenden Namen gefragt. Dieser war jedoch falsch; der betroffene | |
16-Jährige verließ die Stadt und schrieb seinerseits auf Facebook einen | |
Beitrag, in dem er beteuerte, nicht der Gemeinte zu sein: „Habe mit dem | |
nichts zu tun!!! Derjenige, der gemeint ist, ist (...). Und ich möchte mich | |
von diesem Jungen distanzieren.“ | |
Der Aufruf zur Lynchjustiz hatte zu Widerspruch bei anderen Nutzern, aber | |
auch bereits am Donnerstag für Besorgnis und Irritation bei Polizei und | |
Staatsanwaltschaft gesorgt. „Unterlassen Sie das, und lassen Sie die | |
Polizei ihre Arbeit machen“, appellierte Kriminalrat Lammers und | |
Oberstaatsanwalt Südbeck erinnerte die Medien, in den teilweise Name und | |
Anschrift des Festgenommenen genannt worden war, an die Unschuldsvermutung, | |
die vor einer rechtskräftigen Verurteilung gilt. | |
Nun ermittelt die Polizei gegen einen 18-Jährigen wegen öffentlichen | |
Aufrufs zu Straftaten. Der Jugendliche hatte auf Facebook dazu | |
aufgefordert, die Emdener Polizei zu stürmen und den mutmaßlichen Täter | |
herauszuholen. | |
Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Bernhard Witthaut, | |
forderte „die volle Härte des Gesetzes“ für Aufrufe zur Selbstjustiz. Es | |
dürfe nicht toleriert werden, dass „einige soziale Netzwerker glauben, in | |
unserem Rechtsstaat Wild-West-Methoden wiederbeleben“ zu können. | |
30 Mar 2012 | |
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