# taz.de -- Die Wahrheit: La bonne maman | |
> Dominique Strauss-Kahn hat in Bezug auf Frauen ein absolut reines | |
> Gewissen. Was sind überhaupt Prostituierte? | |
Bild: Dominique Strauss-Kahn fragt sich, warum es im Zusammenhang mit Frauen im… | |
Nachdenklich blickt Dominique Strauss-Kahn aus dem Fenster im fünften Stock | |
des Gerichtsgebäudes zu Lille. Draußen im Märznebel liegt „la fleur | |
merdalors“, auf Deutsch „die Blume Vorbelgiens“, wie man die Stadt wegen | |
ihrer mannigfaltigen Graustufen nennt, die ihr ein dezent farbenfrohes | |
Gepräge geben. Soeben hat ihm die Staatsanwaltschaft Beihilfe zu Zuhälterei | |
und Veruntreuung von Firmengeldern vorgeworfen. Er habe auf sogenannten | |
Sexpartys Kontakte zu fremd bezahlten Prostituierten gehabt. | |
„Sexpartys! Prostituierte! Lächerlich!“ DSK schnaubt verächtlich. „All�… | |
Comme crasse est ça, hein?“ Die ganze Journaille besteht doch nur aus | |
antisemitischen Feministinnen. Schließlich muss er selbst doch am besten | |
wissen, ob er Kontakt zu Prostituierten hatte. Doch nichts dergleichen wäre | |
ihm in letzter Zeit aufgefallen. Er hat ein reines Gewissen. | |
Auffällig ist allenfalls, dass es irgendwie immer im Zusammenhang mit | |
Frauen so viel Ärger gibt. Die verrücktesten Sachen, eine endlose Kette | |
merkwürdigster Missverständnisse. Eigentlich kein Wunder also, dass auch | |
diesmal wieder ein belangloser Abend vor Gericht endet, nur weil an diesem | |
zufällig Frauen anwesend waren. | |
Als hätte ihn keiner gewarnt. Nur allzu gut erinnert er sich nun an die | |
mahnenden Worte seiner Mutter, Dominique Parfume Renault Camembertine | |
Strauss-Kahn, geborene Meier: „Mein kleiner Dominique …nique …nique“, | |
pflegte sie zu stottern. „Achte disch vor alle Frauen, außer deine liebe | |
Madame Maman. Sie wollen disch fangen mit ihre Püssi, die ist voll mit | |
scharfe Zähne und beißt ab deine petit Ziesemännschen …“ | |
Und so war er durchaus alarmiert, als ihm am Tage der mutmaßlichen | |
Unternehmersitzung gleich nach Betreten des Rotlichtflügels im Pariser | |
Sechs-Sterne-Hotel „Magnifique“ von einer ihm unbekannten Dame in | |
Unterwäsche die Krawatte gelockert und die Hose geöffnet wurde. Doch da er | |
im Nebenraum den nordfranzösischen Polizeivize Lagarde in inniger | |
Unterredung mit einer überaus jungen Geschäftsfrau antraf, die schon sehr | |
früh Karriere gemacht haben muss, war er beruhigt. Lagarde ist ihm als | |
äußerst zuverlässig bekannt. Ein ausgezeichneter Mann! | |
Was sind denn überhaupt Prostituierte? Ein reichlich schwammiger Begriff! | |
Und stehen die nicht immer unter Straßenlaternen? DSK summt unwillkürlich | |
eine Melodie – „Lilli Marlen“ – bemerkt es, erschrickt und verstummt | |
wieder. Blickt erneut aus dem Fenster des Gerichtsgebäudes, atmet tief | |
durch und beruhigt sich ein wenig: Keine der Frauen auf der | |
Unternehmerversammlung hatte gestanden, geschweige denn unter einer | |
Laterne. Die meisten lagen nackt in irgendwelchen Betten oder planschten im | |
Whirlpool herum. Unternehmerinnen eben. Feine Idee übrigens dieser | |
Whirlpool. Sehr entspannend. So etwas sollte es auf jeder seiner oft so | |
anstrengenden Sitzungen geben. | |
Ein bisschen hatte er sich zwischenzeitlich schon gefragt, warum hier alle | |
so außerordentlich nett zu ihm waren. Da wurde sanft auf ihm geritten und | |
der Schwanz massiert, dass er kaum mehr einen klaren Gedanken fassen konnte | |
– beinahe schon kontraproduktiv. Von Zimmermädchen ist er es ja gewohnt, | |
dass sie sich mit ungezähmter Gier auf ihn stürzen, einem Los, dem er oft | |
nur durch präventive Vorwärtsverteidigung entkommt, doch in der | |
Wirtschaftswelt wirken seine Verhandlungspartnerinnen sonst meist deutlich | |
spröder. Es hatte auch gar nicht wehgetan. Eigentlich war es sogar ganz | |
schön. Zumindest in einem einzigen Punkt, das wusste er längst, hatte sich | |
Madame Maman also geirrt. | |
Ganz theoretisch, so muss sich DSK allerdings eingestehen (und das ist auch | |
der kleine Restzweifel, der ihm vor Gericht Sorgen bereitet), hätte sich in | |
dem Tohuwabohu natürlich auch die eine oder andere Hure heimlich unter die | |
kopulierenden Leiber mischen können, um ihn im Nachhinein zu desavouieren. | |
Aber wie hätte er das unterscheiden sollen? Sie sind doch ohnehin alle | |
gleich: Journalistinnen, Prostituierte, Politikerinnen, Zimmermädchen. | |
Sämtliche Frauen also, außer Madame Maman. Streng genommen gibt es nach | |
seinen Maßstäben ja überhaupt keine Prostituierten, denn egal, ob man ihnen | |
nun Geld gibt oder nicht – hinterher heulen sie doch eh immer rum. Wie | |
recht seine geliebte Madame Maman doch gehabt hatte! | |
2 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Uli Hannemann | |
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