# taz.de -- „Dirty Dancing“ von Schlachthofbronx: Treiben auf dem Dancefloor | |
> Erfüllungsgehilfe des Bass-Glücksversprechens: So gibt sich das Münchner | |
> Duo Schlachthofbronx auch auf seinem zweiten Album „Dirty Dancing“. | |
Bild: Hauptsache, die Bässe heizen ein: Schlachthofbronx. | |
Der Bass kommt langsam, aber er kommt. Ein Break, ein bisschen Percussion, | |
eine Frauenstimme. Sie sagt „slowine, slowine“, und nach ein bisschen mehr | |
als zweieinhalb Minuten ist es wieder vorbei. | |
So startet „Dirty Dancing“, das zweite Album des Münchner Duos | |
Schlachthofbronx. Es ist ein kleiner Auftakt, fast ein Antäuschen, und | |
gleichzeitig schwingt hier das Versprechen mit, immer und sofort zu | |
bekommen, was man will: Bass, Party, dreckige Tanzmusik – am besten jetzt | |
gleich und in your face. | |
Als Erfüllungsgehilfen des Bass-Glücksversprechens ziehen Schlachthofbronx | |
nun schon seit drei Jahren vom ehemaligen Münchner Bohemeviertel Schwabing | |
aus um die Welt. Sie haben schon in den USA gespielt, in Mexiko, Kanada und | |
in Russland, auf dem renommierten Elektronik-Festival Sónar in Barcelona | |
und auf dem Hipster-Festival SXSW im texanischen Austin. Dazu unterstützten | |
sie die Über-Rapperin ihres Genres, M.I.A., bei Konzerten, und selbst der | |
Tour-DJ von Kate Perry hat ihre Platten in seinem Set. Kurz: | |
Schlachthofbronx sind oben angekommen. | |
Nebenbei haben sie weiter fleißig produziert, allein im Jahr 2011 sind vier | |
neue EPs erschienen. Mit „Dirty Dancing“ legen sie jetzt auch auf der | |
Langstrecke nach – und schon nach den ersten paar Tracks wird klar: | |
Schlachthofbronx bleibt Schlachthofbronx. | |
Ihnen gilt angolanischer Kuduro genauso viel wie Detroit Techno, | |
brasilianischer Favela Funk genauso viel wie bayerische Blasmusik. Sie | |
nehmen sich einen Soundschnipsel – im Klauen sind sie seit jeher so | |
virtuos, wie der Albumtitel es erahnen lässt –, biegen ihn sich zurecht, | |
schrauben noch ein wenig am Bass, und wenn sie gerade Lust dazu haben, | |
bitten sie einen befreundeten MC, ein paar Zeilen darüberzurappen. So | |
gingen Schlachthofbronx 2009 und so funktionieren Schlachthofbronx auch | |
2012. | |
2009 waren sie damit Teil einer Bewegung, deren Flaggschiff Mad Decent war, | |
das Label des HipHop-DJs Diplo aus Baltimore, und allen voran dessen | |
Projekt Major Lazer. Inzwischen haben sie sich in ihrer Nische | |
eingerichtet. Das Überraschungsmoment, wenn plötzlich Balkan-Bläser auf | |
einem Technotrack zu hören sind, ist passé, der Exotismus-Bonus zieht nicht | |
mehr so wie vor ein paar Jahren. Dazu haben sich mit den | |
Post-Dubstep-Produzenten von Mount Kimbie und SBTRKT oder dem von Chillwave | |
beeinflussten Hipster-House des New Yoker Duos Blondes andere Spielarten | |
der elektronischen Musik in den Vordergrund gedrängt. | |
## Bässe zum Zucken und Zappeln | |
Schlachthofbronx interessiert das naturgemäß überhaupt nicht. Sie machen | |
auch auf „Dirty Dancing“ das, was ihnen Spaß macht. Das Tempo wechselt | |
sprunghaft von Track zu Track, die beiden längsten sind – ungewöhnlich für | |
das Genre – nach vier Minuten und 18 Sekunden vorbei, die meisten sind | |
zwischen zweieinhalb und dreieinhalb Minuten lang. „Dirty Dancing“ steht | |
dem Debütalbum des Duos in nichts nach, ihre Produktionen haben vielleicht | |
noch etwas mehr Schliff bekommen. Brachten sie uns auf „Schlachthofbronx“ | |
das schöne Wort „Farafina“ näher, wird jetzt eben „Agwaso“ zum | |
Tanzvergnügen verhackstückt. Hauptsache, die Bässe heizen ein. | |
Ehrensache, dass die Gäste auf „Dirty Dancing“ prominenter sind als auf | |
„Schlachthofbronx“. Booty-Bass-Legende DJ Assault liefert als Gast einen | |
versauten und sexistischen Rap: „Ey yo, girl in the club / With no panties | |
on / pull your dress up / Get naked“. Als Antidot ist auf dem Track „Touch | |
Your Toes“ die jamaikanische MC Natalie Storm zu hören, die nebenbei auch | |
Autorin einer Essayreihe mit dem schönen Namen „Punany Monologues“ ist – | |
Punany bezeichnet im jamaikanischen Slang die Vagina. | |
Sie flowt über einen Bastard aus Dancehall und Drum ’n’ Bass, der mit | |
seinen trockenen, treibenden Trommelsalven ein Höhepunkt des Albums ist. | |
Dazu kommen noch der Münchner Homie der Schlachthofbronx, Doubla J, die in | |
Berlin ansässige internationale Rap-Crew Puppetmastaz, die Schwedin Gnucci | |
Banana und eine zweite Jamaikanerin, Warrior Queen. | |
Mit und ohne die Texte ihrer Gäste werfen Schlachthofbronx dazu fröhlich | |
alle Spielarten der basslastigen Tanzmusik durcheinander: Ghettotek, Juke, | |
UK Bass, Cumbia und Dancehall. Dabei gelingen ihnen auch auf „Dirty | |
Dancing“ einige Tracks, bei denen man als DJ ins Schwarze trifft, wenn man | |
eine Club-Crowd zum Tanzen bringen will. Zum Beispiel „That G-String Track“ | |
oder „Waistline“, bei denen – ohne hier die Leistungen von Schlachthofbro… | |
schmälern zu wollen – allein die körperliche Macht und die Geschwindigkeit | |
der Bässe zum Zucken und Zappeln zwingt. | |
Liebhaber von differenzierten Klang- und Soundexperimenten, die auf der | |
Suche nach Klangfinessen sind, kommen hier nicht auf ihre Kosten. Wer nicht | |
tanzen will, hat Pech gehabt. Für den Rest gilt, was DJ Assault in seinem | |
Feature befiehlt: Ab in den Club und „Do it, do it, do it, do it, do it, do | |
it / on the Dancefloor“! | |
3 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Elias Kreuzmair | |
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