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# taz.de -- Gott und die Welt: Hört nicht die Signale
> Die „Erklärung aus der Friedensbewegung und der Friedensforschung“ ist
> beschämend geschichtsvergessen und politisch dumm.
Um erst gar keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Der Autor dieser
Zeilen ist entschieden gegen einen von den USA geduldeten, von Israel
ausgeführten Luftangriff auf die im Bau befindlichen iranischen
Atomanlagen!
Genau deshalb aber, weil Sanktionen der einzige Weg sind, dies zu
verhindern, ist die in der Süddeutschen Zeitung vom 31. 4. veröffentlichte,
von inzwischen 1.767 Personen unterzeichnete „Erklärung aus der
Friedensbewegung und der Friedensforschung“ als das namhaft zu machen, was
sie ist: als zwar argumentativ auftretender, gleichwohl beschämender
Ausdruck von Geschichtsvergessenheit und politischer Dummheit.
Hauptargument der Erklärung, die sich gegen alle Sanktionen wendet, ist die
Annahme, dass sich „militaristische Strömungen in der Islamischen Republik“
dadurch legitimiert fühlen könnten, mit der Schließung der Straße von
Hormus zu drohen.
Die Erklärung unterstellt, dass sich das iranische Volk gegen jede
Bedrohung von außen wehrt: „Israels Atomarsenal und die militärische
Einkreisung Irans durch die USA, die inzwischen in nahezu allen seinen
Nachbarländern Militärbasen errichtet haben“, so der Wortlaut, „sind
wichtige Ursachen für die Rüstungsanstrengungen Irans.“
Dass sich diese Nachbarländer durch die revolutionäre Außenpolitik der
Islamischen Republik bedroht fühlen, erwägt die „Erklärung“ ebenso wenig,
wie sie den einzigen Grund für die israelische Atomwaffen, die Verweigerung
der Anerkennung durch einige seiner Nachbarn, auch nur andeutet.
## Dröhnendes Schweigen
Um auch hier keine unnützen Debatten auszulösen: Der Hinweis, dass
Präsident Ahmadinedschads Holocaustleugnung und sein Wunsch, Israel von der
Landkarte zu löschen, ob seiner Schwächung bei den sogenannten Wahlen
gegenstandslos geworden sei, ist unerheblich. Die unbestritten höchste
Instanz des Landes, Revolutionsführer Chamenei, hat Israel undementiert als
„Krebsgeschwür“, das zu beseitigen sei, bezeichnet. Dass die „Erklärung…
diesen Umstand mit dröhnendem Schweigen übergeht, beweist nur, wie
geschichtsvergessen ihre Verfasser sind.
Sechs Millionen Juden Europas mussten mit ihrem Leben dafür bezahlen, dass
schwammige Andeutungen dieser Art nicht ernst genommen wurden. Ende Januar
1939, mehr als ein halbes Jahr vor dem Überfall auf Polen, gab Hitler zu
Protokoll: „Wenn es dem internationalen Finanzjudentum (…) gelingen sollte,
die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen (…), dann würde das
Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des
Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa.“
Eine die Tragik der Situation ernst nehmende Stellungnahme hätte wenigstens
einräumen können, dass derlei Ankündigungen, hier die der Mullahs, schon
allein deshalb exekutiert werden können, weil sie bereits einmal exekutiert
worden sind.
Mindestens so beschämend ist, wie die „Erklärung“ die ins Exil getriebene,
auf Demokratie hoffende iranische Emigration verunglimpft: Warnt sie doch
davor, dass in den USA „maßgebliche Kräfte und ihre exiliranischen
Mitläufer den Atomkonflikt für einen Regimechange zu missbrauchen suchen“.
„Exiliranische Mitläufer“! Kaum anders hatten dem Nationalsozialismus
hörige Intellektuelle, etwa Gottfried Benn, die deutsche Emigration in
Frankreich nach 1933 verhöhnt. „Regimechange! als Gefahr – was in aller
Welt spricht in den Augen einer „Friedensbewegung“ gegen die Ablösung einer
klerikalfaschistischen Diktatur?
Regelrecht dumm ist schließlich die Aufforderung an Präsident Obama, dem
Iran als Gegenleistung für das kontrollierte Beschränken des
Nuklearprogramms „einen gegenseitigen Nichtangriffspakt, möglichst
gemeinsam mit Israel“ anzubieten. „Möglichst gemeinsam mit Israel“? Mit
einem Staat, der nach dem Willen der Mullahs von der Landkarte verschwinden
soll? Unter den Unterzeichnern finden sich illustre Namen aus dem „Komitee
für Grundrechte und Demokratie“, der progressiven Friedensforschung, der
wissenschaftlichen Pädagogik sowie dem Herausgeberkreis der Blätter für
deutsche und internationale Politik.
Nun soll man nicht vorschnell urteilen. Wir kennen das: Man unterschreibt
eine Erklärung nach flüchtiger Lektüre, schaut, ob Personen, denen man
vertraut, unterschrieben haben, und ist ansonsten froh, mit einem Mausklick
den Zustand der Welt verbessert zu haben. Ich kann mir nicht vorstellen,
dass alle UnterzeichnerInnen die „Erklärung“ sorgfältig studiert und im
Bewusstsein ihrer politischen und historischen Verantwortung unterzeichnet
haben. Sie seien daher herzlich gebeten, sowohl der Sache als auch vor
allem ihres guten Namens wegen ihre Unterschrift zurückzuziehen.
2 Apr 2012
## AUTOREN
Micha Brumlik
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