# taz.de -- Urteil zu Berliner Autobrandserie: Sieben Jahre Haft für Autobrand… | |
> Ein Berliner, der mehr als 100 Autos anzündete, wird wegen schwerer | |
> Brandstiftung verurteilt. Doch ohne sein Geständnis hätte man ihm nichts | |
> nachweisen können. | |
Bild: Feuer aus Geltungssucht? Ausgebranntes Auto in Berlin. | |
BERLIN taz | Am Ende wirkt der Mann, der in Berlin 102 Autos anzündete, | |
gelöst; er lächelt sogar ein bisschen. Zu sieben Jahren Haft wurde André H. | |
am Dienstag vor dem Landgericht Berlin verurteilt. Als religiöser Mann, | |
sagt sein Anwalt, werde H. jetzt Buße tun. | |
Die 17. große Strafkammer verurteilte André H. auch wegen schwerer | |
Brandstiftung. Denn teilweise hat das Feuer von Autos auf Häuser | |
übergegriffen. Einmal zündete H. ein Auto an, dass in einem hölzernen | |
Carport stand. Das benachbarte Haus ging in Flammen auf. Zumindest in | |
diesem und einem weiteren Fall muss er laut Gericht gewusst haben, dass | |
dadurch Menschenleben in Gefahr geraten. Das Urteil ist rechtskräftig. | |
Vergangenen Sommer sind die Berliner Autobrände zum Politikum geworden, und | |
wohl keiner hat so viele Autos angezündet wie H. Warum? Diese Frage konnte | |
das Gericht nicht vollständig klären. Der 28-Jährige hatte kein politisches | |
Motiv und auch der diffuse „Sozialneid“, der zunächst herhalten musste, ist | |
am Schluss nur noch eine Randbemerkung. | |
Klar ist nach vier Prozesstagen: André H. war in vielerlei Hinsicht ein | |
außergewöhnlicher Angeklagter. Er ist nicht vorbestraft, er trinkt nicht. | |
Aber er bekam sein Leben nicht in den Griff. Er fand keine feste Arbeit, | |
keine Partnerin, hatte Schulden. Und da fand er ein einfaches Mittel zum | |
Frustabbau: Drei Monate lang zog er nachts durch die Stadt, Feuerzeug und | |
Grillanzünder in der Tasche. Wie man damit ein Auto zum Brennen bringt, das | |
wusste er aus einer Fernsehreportage. | |
## „Übersteigerte Geltungssucht“ | |
Nichts spricht dafür, dass ihn Feuer besonders faszinierte, eher spielte er | |
Katze und Maus mit der Polizei. Er wollte, dass über seine Taten in der | |
Zeitung berichtet werde. Kleine Handlungen mit großer Wirkung. | |
„Übersteigerte Geltungssucht“ nannte das der Staatsanwalt, er forderte acht | |
Jahre Haft. | |
André H. hat im Prozess nicht viel gesagt, aber am Dienstag ergriff er noch | |
einmal das Wort: „Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen, dass ich | |
verabscheuenswürdige Dinge gemacht habe“, sagte er. „Dass der Angeklagte | |
Reue empfindet, nehme ich ihm ab“, sagte die Vorsitzende Richterin Ruth | |
Heinen in der Urteilsbegründung. Ausführlich erläuterte sie, dass das | |
deutlich strafmildernd wirkt. | |
Denn selbst die Staatsanwaltschaft sagt: Ohne H.s ausführliches Geständnis | |
und seine Mithilfe bei der Aufklärung hätte ihm gar kein einziger Fall | |
nachgewiesen werden können. Zwar waren ihm die Ermittler per | |
Videoüberwachung auf die Spur gekommen. Doch H. bemerkte, dass er | |
beschattet wurde, und zündete keine Autos mehr an. Zeitgleich hatte er auch | |
einen festen Job als Küchenhilfe in Aussicht. Sein verkorkstes Leben schien | |
für kurze Zeit in geordneteren Bahnen zu verlaufen. | |
3 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Erb | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Prozess zu Autobrandserie in Berlin: Aus Frust und Sozialneid gezündelt | |
Aus Frust soll ein 28-jähriger Angeklagter im vergangenen Jahr 102 Autos in | |
Brand gesteckt haben. Nun muss er sich dafür vor Gericht verantworten und | |
gibt sich reumütig. | |
Polizei gibt Soko auf: Brandstifter sind ausgebrannt | |
In Berlin brennen immer weniger Autos. Stattdessen stehen nun die Zündler | |
vor Gericht. Die Polizei löst ihre Sonderkommission gegen die Brandstifter | |
auf. | |
Berliner Polizei fasst Autobrandstifter: Politisches Motiv ausgeschlossen | |
Ein 27-jähriger Berliner hat zugegeben, in diesem Jahr 67 Autos angezündet | |
zu haben. Politische Motive konnte die Polizei bei ihm aber nicht | |
feststellen. |