# taz.de -- Nach dem Putsch in Mali: Islamisten setzen sich in Timbuktu fest | |
> Im Windschatten der Tuareg-Rebellen haben sich al-Qaida-Kämpfer im Norden | |
> des Landes angesiedelt. Sie sollen eine Militärkaserne in Timbuktu | |
> besetzt haben. | |
Bild: In Bamako sind es die Soldaten, die die Stellung halten. | |
BERLIN taz | Nachdem Aufständische des Tuareg-Nomadenvolkes die Nordhälfte | |
von Mali unter ihre Kontrolle gebracht haben, setzen sich dort radikale | |
Islamisten fest. Die Führung der Al-Qaida im Islamischen Maghreb (AQMI) | |
soll sich in Timbuktu angesiedelt haben, das am Wochenende an die Rebellen | |
gefallen war. | |
„Timbuktu ist geteilt“, berichtet ein Malier in der Hauptstadt Bamako mit | |
guten Kontakten in die legendäre Wüstenstadt, im Mittelalter ein Zentrum | |
der globalisierten islamischen Gelehrsamkeit. „In der einen Hälfte sitzt | |
die MNLA, in der anderen Ansar Eddine.“ Ansar Eddine ist eine Miliz des | |
malischen Tuareg-Politikers Iyad ag Ghali, der das islamische Scharia-Recht | |
für ganz Mali anstrebt. MNLA steht für die Tuareg-Rebellenarmee | |
Nationalbewegung zur Befreiung von Azawad, die den Norden Malis als eigenen | |
Staat „Azawad“ abspalten will. | |
„Sie haben die Militärkaserne in einen Bunker verwandelt“, so der Malier in | |
Bamako weiter über die Islamisten in Timbuktu. „Und sie fordern die Frauen | |
in der Stadt auf, sich zu verschleiern, und die Männer, zu beten.“ Sie | |
drohen auch harte körperliche Strafen gegen Plünderer an. | |
Im Gefolge von Ansar Eddines Chef Iyad ag Ghali sollen auch die drei | |
wichtigsten algerischen Al-Qaida-Führer nach Timbuktu gekommen sein: | |
Mokhtar Belmokhtar, Abou Zeid und Yahya Abou al-Hammam. Die drei „nahmen an | |
einem Treffen zwischen Iyad ag Ghali und den Imamen der Stadt teil“, | |
berichtete die Nachrichtenagentur AFP. | |
## 1.000 Kämpfer in 4 Brigaden | |
Es wäre das erste Mal, dass die AQMI-Islamisten eine dauerhafte städtische | |
Basis bekommen. AQMI ist die Nachfolgeorganisation jener bewaffneten | |
Islamisten Algeriens, die dort 1999 nach einem langen Bürgerkrieg mit | |
Hunderttausenden Toten als Salafistische Gruppe für Predigt und Kampf | |
(GSPC) weitermachten, bevor sie sich 2006 formell al-Qaida anschlossen. Sie | |
wird heute auf rund 1.000 Kämpfer geschätzt, die sich auf vier Brigaden | |
verteilen und in Algerien, Mauretanien, Mali und Niger aktiv sind. | |
AQMI hat mit Entführungen von Europäern und durch Lösegeldzahlungen viel | |
Geld verdient. Immer wieder hat sie sich auch am lukrativen | |
Transsaharahandel beteiligt, in Zusammenarbeit mit mächtigen, zumeist | |
maurischen Händlerfamilien, die den Fernhandel durch Mauretanien und Mali | |
Richtung Nordafrika kontrollieren und in den letzten Jahren durch die | |
Duldung des Schmuggels von Migranten, Waffen oder Drogen reich geworden | |
sind. „Cocaine City“ heißen die Villenviertel, die jüngst in so manchen | |
malischen Wüstenstädten entstanden sind – jetzt alles Rebellenhochburgen. | |
Das Selbstverständnis der Tuareg, die Freiheit für ihr nomadisches Leben | |
fordern, hat mit islamischem Fundamentalismus nichts zu tun. Beide | |
Strömungen haben sich in der Vergangenheit mit der Waffe bekämpft. Aber | |
beide eint eine Abneigung gegen Versuche der Zentralstaaten, den | |
informellen Grenzhandel abzuwürgen und die Wüstenbevölkerungen zu | |
kontrollieren. Beide profitierten nach dem Sturz des Gaddafi-Regimes in | |
Libyen 2011 von libyschen Waffenarsenalen. | |
Einer der vier AQMI-Brigadeführer ist ein Cousin des malischen | |
Tuareg-Politikers Iyad ag Ghali. Aus dieser Brigade soll Ansar Eddine | |
hervorgegangen sein. Augenzeugen aus Gao berichten, zu dieser Gruppierung | |
gehörten auch Kämpfer aus Libyen und Mauretanien. Nun wächst die Furcht, | |
die Islamisten könnten versuchen, bis zu Malis ferner Hauptstadt Bamako | |
vorzustoßen und den Umstand auszunutzen, dass die dortige Militärregierung | |
gerade mit internationalen Sanktionen belegt worden ist. | |
4 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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