# taz.de -- Kolumne Die Kriegsreporterin: Knaller-Verschwörung um Gülle-Günni | |
> Ja, der Gülle-Günni. Was hat er nicht für Aufruhr gesorgt, unendlich | |
> viele Energien verbrauchten wir in zahlreichen Debatten. Die Medien ganz | |
> weit vorne mit dabei. | |
Hallo taz-Medienredaktion! Ich möchte diese Woche nur Dinge schreiben, die | |
dringend mal gesagt werden müssen. Es ist – das sollte man auch mal sagen – | |
auch wirklich blöd, wenn ständig Dinge gesagt – oder geschrieben – werden, | |
die eigentlich gar nicht erwähnt werden müssten. Mit derlei Äußerungen wird | |
zu viel Energie verschwendet, vor allem in den Medien. | |
Ganz dringend muss mal gesagt werden, dass es erstaunlich ist, dass „Schlau | |
wie die Tagesschau“ ohne die Einblendung „Dauerwerbesendung“ ausgestrahlt | |
werden darf. Und auch ohne die blinkende Warnung „Achtung, Komaschlaf!“ | |
oder „Vorsicht! 50er-Jahre-Sendung!“. Das ist fast ebenso überraschend wie | |
die Ungebildetheit der „Tagesschau“-Kandidaten, also jener Menschen, deren | |
tägliches Geschäft seit Jahrzehnten Nachrichten sind und von denen man doch | |
annehmen müsste, sie seien viel schlauer als ihre Herausforderer, | |
Fernsehleute, ohne Nachrichten. Am erstaunlichsten aber ist wohl der | |
Applaus, der Frank Plasberg zu Beginn der Dauerwerbesendung zuteil wird und | |
der völlig unglaubwürdig ist, da Frank Plasberg einfach keiner ist, der | |
sich in die Herzen zu moderieren oder zu charmieren vermag. Seine | |
Mitarbeiter werden den tosenden Applaus auch nicht verursachen, soll der | |
Hart-aber-fair-Mann doch ein ziemlicher Choleriker sein. | |
Womit auch schon alles Nennenswerte gesagt sei, schließlich konnte neben | |
Grass letzte Woche quasi kein anderes Thema wachsen. | |
Wobei ich ja nicht an einen Zufall glaube … oder daran, dass die | |
Grass-Granate nicht eine gezielte Aktion ist. Und der Grass ein Opfer. Das | |
Opfer einer Kampagne. Der Literaturnobelpreisträger eine Marionette an den | |
Fäden der Südwestdeutschen Medien Holding (SWMH), Eigentümerin der SZ. Just | |
an dem Tag nämlich, als die alte Marzipankartoffel jene Zeilen in der | |
Süddeutschen veröffentlichte, die sie als „Gedicht“ verstanden haben | |
möchte, wurde das Ranking der meistzitierten Medien veröffentlicht. Auf | |
Platz eins des „PMG Pressemonitors“: der Spiegel, auf Platz zwei: die Bild | |
und auf dem ausgegrenzten dritten Platz – quasi der Jude unter den | |
Platzierungen – die Süddeutsche Zeitung. | |
Im Hause der SWMH werden die Zahlen schon früher bekannt gewesen sein, also | |
überlegten die Strategen – ehemalige Ostblockagenten –, wie sie das ändern | |
können. Ein Knaller musste her. Irgendjemand, der mal was Nennenswertes | |
sagt: Micky Maus, Michael Jackson sind durch – aber die rote Socke Günni | |
ist doch immer wieder für ne Provokation gut. Natürlich hat der Walser | |
getobt, dass sie ihn nicht angerufen haben, aber angeblich ist er jetzt | |
ganz froh. | |
Froh sind auch aktuelle und zukünftige deutsche Schüler, die jede komplett | |
schrottige Erörterung, jeden danebengegangenen Kommentar, jeden in der | |
Haschischwolke verfassten Bericht kurzerhand zum Gedicht erklären, und mit | |
Verweis auf den großen deutschen Dichter eine ansehnliche Note einfordern | |
können. Auch eine gute Note hat der Kollege Gerhard Henschel verdient, der | |
dieser Tage ein Buch über den Zungenbrecher veröffentlicht. Auch hier | |
stehen nur Dinge drin, die mal gesagt werden müssen. Zum Beispiel: „Nachash | |
Nashach Nachash She Nashach Nachash.“ Das ist laut Henschel hebräisch und | |
soll von einer Schlange handeln. Oder mehreren. | |
Wenn Grass es trotz intensiver Medienunterstützung nicht geschafft hat, als | |
erster deutscher Dichter einen Weltkrieg auszulösen, so bleibt uns doch | |
wenigstens dieser hübsche Brecher: Günni günnt sich Gülle. Gülle günnt | |
Günni sich. Und damit zurück nach Berlin! | |
11 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Silke Burmester | |
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