# taz.de -- Einwanderung: Neue Neuköllner | |
> Die Zahl der Roma in Neukölln steigt und viele wollen bleiben. Der Bezirk | |
> fühlt sich mit der Betreuung alleingelassen. | |
Bild: Willkommen in Deutschland: Hausdekoration in Neukölln. | |
„Lasst uns anstoßen, weil wir Roma und weil wir frei sind.“ Mit diesen | |
Worten eröffnete der 37-Jährige Eduard Calduraru am Sonntag das neue Büro | |
des Vereins Amaro Foro am Neuköllner Weichselplatz. Der Name bedeutet | |
„Unsere Stadt“. Calduraru, stellvertretender Vorsitzender, kam 2004 aus | |
Rumänien nach Deutschland. Der Verein betreibt unter anderem die seit 2010 | |
vom Bezirk finanzierte Anlaufstelle für Roma in Neukölln. | |
Es gehe Amaro Foro darum, „die Teilhabe von Roma an der deutschen | |
Gesellschaft zu ermöglichen und ihre Rechte zu stärken“, erklärt | |
Vereinsmitglied Andrea Wierich. „Roma haben Probleme auf dem Wohnungsmarkt, | |
aufgrund von EU-Regelungen ist ihnen der Zugang zum Arbeitsmarkt | |
erschwert.“ Ursache für die Ausgrenzung sei aber auch ein latenter | |
Antiziganismus in der deutschen Gesellschaft. Viele wollten Roma nicht als | |
Nachbarn haben. | |
In Nordneukölln hat sich seit dem EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens eine | |
Roma-Community gebildet, die stetig weiterwächst. Kürzlich veröffentlichte | |
das Bezirksamt deshalb bereits den zweiten Roma-Statusbericht, an dem der | |
Verein Amaro Foro mitgearbeitet hat. Der 20-seitige Bericht erläutert die | |
Lebenssituation der zugewanderten Rumänen und Bulgaren, die zum großen Teil | |
den Roma angehören. 17.300 Rumänen und Bulgaren leben nach Zahlen des | |
statistischen Landesamts in Berlin. Wie viele davon Roma sind, erfasst die | |
Statistik nicht. | |
Dem Bericht des Bezirks zufolge ist auch die Zahl der SchülerInnen aus den | |
zwei neuen Beitrittsländern seit 2010 in Neukölln stark gestiegen. Mit bis | |
zu 700 SchülerInnen aus Bulgarien und Rumänien rechnet der Bezirk in diesem | |
Jahr. Seit 2011 werden an Nordneuköllner Schulen deshalb elf | |
SprachmittlerInnen beschäftigt und acht Kleinklassen eingerichtet, die den | |
Neuankömmlingen die Integration in den Schulbetrieb erleichtern sollen. | |
Der Bericht stellt auch fest, dass es Roma, die schon in ihren | |
Herkunftsländern massiver Diskriminierung ausgesetzt sind, in Berlin | |
ebenfalls nicht leicht haben. „Mietskasernen in privater Hand“, oft in | |
schlechtem Zustand, würden zu horrenden Preisen an Roma vermietet. Die | |
Miete werde oft nicht pro Wohnung, sondern pro Schlafplatz berechnet. Einer | |
Arbeit können die meisten Roma nicht nachgehen, da kaum einer eine | |
Arbeitsgenehmigung bekommt. Die dafür verantwortlichen Beschränkungen auf | |
dem Arbeitsmarkt für BürgerInnen der neuen Beitrittsländer gelten noch bis | |
2014. | |
Ein Ausweg ist die Anmeldung eines Gewerbes, was laut Bezirksbericht bis zu | |
diesem März 2.411 Personen rumänischer oder bulgarischer Abstammung getan | |
haben. Viele Roma arbeiteten auf dem Bau oder in Reinigungen. Das Geld, das | |
sie dort verdienten, reiche kaum zum Überleben. Die Beantragung ergänzender | |
Sozialleistungen, die ihnen rechtlich zustünden, scheitere oft an der damit | |
verbundenen Bürokratie, kritisiert Andrea Wierich von Amaro Foro. | |
Darum hilft sein Verein den Menschen, etwa bei der Beantragung nötiger | |
Unterstützung. Denn, auch das stellt der Bericht fest: Die meisten der | |
Neuzuzügler haben „den Wunsch nach einem dauerhaften Aufenthalt in | |
Deutschland.“ | |
Der zeigt sich auch daran, dass viele der zuziehenden Familien ihre Kinder | |
in Schulen und Kitas anmelden wollen. Der Bericht weist darauf hin, dass | |
vor allem an den Oberschulen geeignete Schulplätze für die neu | |
zugewanderten Jugendlichen bereits knapp würden. Schon seit Ende 2011 gibt | |
es eine Warteliste. Auf der stehen momentan rund 50 Jugendliche – viele | |
ohne Deutschkenntnisse und Erfahrungen mit dem Schulbesuch. Zwar können | |
Jugendliche ab 16 Jahren Jugend-Integrationskurse des Bundesamts für | |
Migration und Flüchtlinge besuchen. „Diese Deutschkurse kosten aber einen | |
Euro pro Stunde, obwohl sie eigentlich umsonst sein sollten. Für Familien | |
mit mehreren Kindern läppert sich das“, gibt Wierich zu bedenken. | |
Die Bezirke fühlen sich bei der Betreuung der Neuzuwanderer vom Senat | |
alleingelassen. Um Probleme lösen zu können, fordern sie, einen | |
Roma-Hilfsfonds einzurichten – bislang ohne Erfolg. Zudem fehle es an einer | |
„übergeordneten gesamtstädtischen Strategie“, kritisiert der Neuköllner | |
Bericht. | |
Eduard Calduraru vom Verein Amaro Foro lobt immerhin die bessere Vernetzung | |
der vorhandenen Angebote untereinander. Unter den bislang praktizierten | |
Einzelmaßnahmen zur Förderung von Roma gebe es „mehr und weniger | |
erfolgreiche“, sagt er vorsichtig. Um die Probleme der Roma wirklich zu | |
lösen, müsse sich vor allem in der deutschen Gesellschaft etwas ändern, | |
fordert Andrea Wierich. „Denn auch hier werden sie diskriminiert und | |
schlechter behandelt als andere Einwanderer.“ | |
12 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Vincent Streichhahn | |
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