| # taz.de -- Genossen machen die taz: „Ini 60“ wird bald 90 | |
| > Sie ist 88 und setzt sich immer noch auf die Straße. Heute zwar auf einen | |
| > Stuhl. Auch an ihrem Geburtstag: Marianne Fritzen, Grand Dame des | |
| > Widerstands in Gorleben. | |
| Bild: Stoppt die Atomindustrie! Marianne Fritzen lässt sich seit 40 Jahren nic… | |
| Seit mehr als drei Jahrzehnten legen sich „die da in Gorleben“ mit der | |
| Atommafia an. Sie leben im Landkreis, sind zugereist, früher oder später, | |
| manche haben dort ihre Heimat gefunden, andere sind längst wieder in der | |
| Großstadt, haben den Protest weitergetragen. Aber sie sind auch alt | |
| geworden, gründeten vor vielen Jahren die „Ini60“, um auf ihren Stühlen | |
| direkt an der Castor-Transportstrecke zu protestieren. Heute müsste sie | |
| längst „Ini80“ heissen. Sie leben ihr Protest-Leben weiter. Immer wieder. | |
| Eine von ihnen ist Marianne Fritzen. Sie ist am vergangenen Sonnabend 88 | |
| geworden. Und hat gebührend gefeiert. Nicht nur zu Hause, sondern, na klar | |
| – auch vor den Toren des „Schwarzbaus“, in den einstmals nach den Plänen | |
| bislang aller Regierungen der hochradioaktive Atommüll im Salz verbuddelt | |
| werden soll. „Endlager Gorleben“? Nee, so einfach ist das nicht. Jedenfalls | |
| nicht mit Marianne Fritzen. Sie hat den Petra-Kelly-Preis der Grünen | |
| erhalten. Und das Bundesverdienstkreuz abgelehnt. | |
| Ihren Geburtstagskuchen will sie daher nicht in der Protest-Hütte nahe des | |
| stacheldrahtgeschützten Salzbergwerks verspeisen. Sondern direkt vor dem | |
| Tor blockieren. Gemeinsam mit den aus Frankreich angereisten | |
| Atomkraftgegnern aus Bure, wo geplant ist, den französischen Atommüll in | |
| Tonschichten zu „entsorgen“. | |
| Die Polizei hatte die Franzosen schon am Vormittag daran hindern wollen, | |
| den Arbeitern im Bergwerk den Schichtwechsel zu vergällen. Mehr oder | |
| weniger erfolgreich – behindern gelingt im Wendland fast immer, verhindern | |
| leider nicht so oft. | |
| Und Marianne Fritzen geht zielstrebig auf die Polizeikette zu. „Ist das die | |
| Jubilarin“? Fragt der Beamte aus der Lüneburger Einsatzbereitschaft. Wie | |
| heißt sie? Fritzen? Und will in diesem Alter hier vors Tor? Na ja, ist ja | |
| kein Castor-Transport. Also bittet er um zwei Rosen aus dem großen | |
| Blumenstrauß, der schon im Sektkübel vor dem Tor steht, rot und gelb, | |
| wünscht „Alles Gute, Frau Fritzen!“ und überreicht mit seinem Kollege der | |
| „Grande Dame“ des Widerstands, deren Namen er zum ersten Male gehört hat, | |
| die Blumen. | |
| Marianne Fritzen setzt sich auf den Stuhl, direkt vor der Einfahrt zum | |
| Salzbergwerk. Und hört sich eine Laudatio an. Von keinem unbedeutenderen | |
| als Norbert Röttgen anlässlich ihres Geburtstags verfasst. „Angesichts | |
| Ihrer großen Verdienste“, die sie sich in den letzen 35 Jahren erworben | |
| habe, soll ihr eine besondere Freude bereitet werden: Er will ihren | |
| „größten Wunsch, Gorleben noch zu Ihren Lebzeiten endgültig zu beenden, | |
| jetzt zum 88sten Geburstag“ erfüllen, heißt es. | |
| Im Einvernehmen mit dem Land Niedersachsen habe er beschlossen, schon jetzt | |
| „einen Schlusspunkt für Gorleben zu setzen“. Der Salzstock sei ohnehin aus | |
| geologischen Gründen nicht haltbar, und er wolle seine noch jungen | |
| „Mitstreiter Stefan Birkner und David Mc. Allister“ in ihrer politischen | |
| Zukunft nicht weiter „mit der Altlast Gorleben“ blockieren. Darum haben | |
| „wir uns zu einem vorgezogenen Schlusspunkt vor dem Herbst 2012 | |
| durchgerungen“. | |
| Und auch einen Wunsch hat der im Brief an die Jubilarin formuliert: Sie | |
| möge auf ihre politischen Freunde in Berlin einwirken, dass diese „auf die | |
| Vorladung unserer Bundeskanzlerin vor dem Gorlebener Untersuchungsausschuss | |
| verzichten“. Einig, so denke er, seien sie sich sicherlich, dass „nach | |
| einem Schlussstrich unter die Ära Gorleben eine solche 'Schauvorführung' | |
| der Wahrheitsfindung nicht mehr dienlich wäre“. | |
| Um letzte Zweifel auszuräumen, wie ernst ihm diese Sache sei, wolle er „für | |
| den Fall, dass die FDP diesen Kurswechsel nicht mitträgt, sogar eine | |
| Regierungsumbildung“ ernsthaft in Erwägung ziehen. „Mit den besten Wünsch… | |
| für Ihre Gesundheit“, zeichnet „ergebenst“ Norbert Röttgen. Das Schreib… | |
| das offensichtlich nicht von Norbert Röttgen stammt, [1][können Sie hier | |
| nachlesen]. | |
| Dies ist ein Text aus der Sonderausgabe „Genossen-taz“, die am 14. April | |
| erscheint. Die komplette Ausgabe bekommen Sie am Samstag an Ihrem Kiosk | |
| oder am [2][eKiosk] auf taz.de. | |
| 13 Apr 2012 | |
| ## LINKS | |
| [1] /download/BriefRoettgen.pdf | |
| [2] /ekiosk | |
| ## AUTOREN | |
| Dieter Metk | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Genossen machen die taz | |
| Schwerpunkt Genossen machen die taz | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Genossen machen die taz: „Der Zusammenhalt ist das Wichtigste“ | |
| 40 Jahre Widerstand haben nicht nur die Aktivistin Marianne Fritzen | |
| verändert, sondern auch die Region: Das Wendland wurde zum regenerativen | |
| Vorzeigeprojekt. |