# taz.de -- Kapstadt als neue Traumfabrik: Vom Gestank zum Duft des Erfolgs | |
> Nach seinem Kampf gegen die Apartheid leitet der frühere Journalist Nico | |
> Dekker heute die größten Filmstudios Südafrikas. Sein Ziel: auch | |
> Hollywood ans Kap zu locken. | |
Bild: Willkommen in Capywood: Auf 17.000 Quadratmetern entsteht hier die neue T… | |
KAPSTADT taz | Sie stehen unter einer gläsernen Dusche und lieben sich | |
leidenschaftlich. Hollywoodstar Nicolas Cage hält die Schauspielerin | |
Bridget Moynahan in seinen Armen, das Wasser läuft an ihnen herab, sie | |
küssen sich sinnlich, haben ihre Hände ineinandergekrallt. Diese Szene in | |
dem Drama „Lord of War – Händler des Todes“ ist Erotik pur – für die | |
Zuschauer, nicht für die Schauspieler. Denn während sich die beiden | |
aneinanderschmiegten, stank es um sie herum fürchterlich, wurde die Szene | |
doch 2004 in einer ehemaligen Kunstdüngerfabrik in Kapstadt neben einer | |
Abwasseranlage gedreht. „Der Geruch war einfach nicht wegzubekommen“, sagt | |
Studioboss Nico Dekker und lacht laut. | |
Damals war der 56-jährige Dekker Chef seines eigenen kleinen Studios, den | |
Table Mountain Motion Picture Studios, heute leitet er die Cape Town Film | |
Studios, Afrikas größte Filmstudios. Etwa 30 Kilometer östlich von | |
Kapstadt, hinter dem glänzenden Flughafen und den Townships, entstehen auf | |
17.000 Quadratmetern Produktionsfläche gerade die modernsten Filmstudios | |
des Kontinents, die den Produktionsstandort Südafrika international | |
wettbewerbsfähig machen sollen. | |
Bisher ist Südafrika dank abwechslungsreicher Landschaften und gleich | |
bleibend guter Wetterbedingungen vor allem für Werbeaufnahmen und | |
Fotoshootings ein beliebtes Ziel. Ob Lateinamerika, Orient oder | |
Norddeutschland – mit der richtigen Dekoration lässt sich hier fast jede | |
Atmosphäre inszenieren. Mit etwa 250 Millionen Euro Gewinn im Jahr ist die | |
Filmindustrie eine boomende Branche am Kap – Tendenz steigend. | |
Jedes Jahr werden bis zu 700 Werbespots und mehr als 30 Fernseh- und | |
Kinofilme hier umgesetzt. So drehte die Grand-Prix-Gewinnerin Lena | |
Meyer-Landrut im vergangenen Jahr in Johannesburg einen Spot für den | |
Autohersteller Opel. Der RTL-Bachelor Paul Janke vergab kürzlich seine | |
Rosen in einer Luxusvilla in Kapstadt, und der Regisseur Oliver Schmitz | |
drehte schon drei Filme in Südafrika. Die größten Unterschiede zwischen | |
einem Dreh in Deutschland und in Südafrika? „In Südafrika lässt sich alles | |
ohne amtliche Erlaubnis machen, und man muss nicht jeden Straßendreh im | |
Voraus absprechen. Auf dem Land ist es weniger bürokratisch“, sagt Schmitz. | |
## Niedrige Kosten – fehlende Ausstattung | |
Doch für aufwendige Filme fehlten bisher die Studios, die nötige | |
Ausstattung und auch ein kreativer Motor dieser Aufwertung. Zwar stehen | |
hinter den Cape Town Film Studios eine Investitionsgesellschaft rund um den | |
in Südafrika bekannten Regisseur Ananth Singh und die Besitzer des | |
Privatsenders e.tv, doch der eigentlich für 2004 geplante Start wurde immer | |
wieder verschoben. Schon nannten die lokalen Medien das Projekt | |
„Dreamworld“. Bis 2008 Nico Dekker angeheuert wurde und sich der Sache | |
annahm. | |
Der Bure Dekker wuchs auf einer Farm in Südafrika auf. Sein Vater, ein | |
Pastor, brachte das erste Wörterbuch Zulu-Afrikaans heraus. Dekker wählte | |
zunächst den Weg seines Vaters und studierte Theologie. Doch weil er immer | |
weniger mit der Apartheid zurechtkam, brach er sein Studium ab, um gegen | |
die politischen Verhältnisse anzuschreiben. „Ich war Journalist, Autor, | |
Poet, Philosoph, Aktivist“, sagt er und lacht wieder laut. Überhaupt lacht | |
er sehr viel, ein fröhlicher Mann, groß und kräftig, der sehr entspannt | |
aussieht in seinem kleinen hellen Büro auf dem Studiogelände. | |
Wegen seines politischen Engagements bekam er in seiner Heimat Berufsverbot | |
und zog deswegen 1980 mit seiner Frau nach Deutschland. Hier war er | |
zunächst Waldarbeiter, bevor er wieder als Journalist gegen die Apartheid | |
schrieb, diesmal für die Frankfurter Rundschau. Kurz nach Nelson Mandelas | |
Freilassung kehrte das Paar 1991 nach Kapstadt zurück, und Dekker arbeitete | |
für eine linksalternative Zeitung. Als drei Jahre später seine Tochter auf | |
die Welt kam, gab er das Bohemeleben auf und gründete ein kleines | |
Produktionsstudio, jene Table Mountain Motion Picture Studios gegenüber der | |
Kunstdüngerfabrik und der Abwasseranlage. | |
Warum Film? Warum ist er nicht bei den Printmedien geblieben und gründete | |
eine Zeitung oder ein Magazin? „Ich wollte selbstständig sein und konnte | |
meine Mitaktivisten nicht überzeugen, in ein Magazin zu investieren.“ | |
Außerdem seien seine Mitstreiter während des politischen Wandels plötzlich | |
von der Konkurrenz, den großen Medien, weggekauft worden. „Die Aktivisten | |
gegen die Apartheid wurden von anderen Unternehmen angeworben, die damit | |
ihr Image aufbessern wollten.“ | |
Er lieh sich Geld von Freunden und Bekannten und baute das Studio aus. Und | |
nachdem Nicolas Cage hier drehte, kam Roland Emmerich für ein ganzes Jahr | |
und realisierte sein Steinzeitepos „10.000 B.C.“. Dekker konnte seinen | |
Investoren mehr als 100 Prozent Rendite ausschütten. „Das hat meinen Ruf | |
als Dichter, der auch mit Geld umgehen kann, gefestigt“, sagt er. So wurde | |
der Regisseur und Geschäftsmann Ananth Singh auf Dekker aufmerksam und | |
holte ihn zu den großen Studios. | |
## Hohe Ziele | |
Dekker hat sich hohe Ziele gesetzt, die zu erreichen so unwahrscheinlich | |
nicht sind. Zwar wird auf dem Gelände und in den Studios noch gebaut, doch | |
im vergangenen Jahr konnte hier schon der Comic „Judge Dredd“ verfilmt | |
werden, der erste 3-D-Streifen, der jemals in Südafrika umgesetzt wurde. Im | |
September 2012 soll er in den deutschen Kinos starten. Momentan dreht die | |
britische BBC einen Kinderfilm über den jungen Leonardi da Vinci. Für | |
Dekker aber kein besonders attraktiver Auftrag, zu klein ist die | |
Fernsehproduktion. | |
Er spaziert durch die Da-Vinci-Kulisse, berührt die Möbel und Pappwände, | |
bückt sich und streicht über den Boden. Allein das neue Material für die | |
Böden habe er zwei Jahre mit Experten gemeinsam entwickelt, sagt Dekker, | |
der sich auch für Details nicht zu schade ist. | |
„Auch wenn es hier nicht um mein Geld geht: Jede Entscheidung treffe ich | |
so, als würde das Geld meiner Oma gehören“, sagt er. Dabei kommt Dekker | |
einerseits zugute, dass die südafrikanische Regierung Filmschaffende und | |
Studios mit jährlich 30 Millionen unterstützt, andererseits, dass es in | |
Südafrika keine Gewerkschaften gibt, geringere Lohnkosten und längere | |
Arbeitszeiten als in Hollywood. Deswegen hat auch Tom Cruise das Drama „Ask | |
the Dust“ 2004 in Kapstadt produziert. Ausländische Filmemacher werden | |
außerdem mit großzügigen Steuervergünstigungen angelockt. | |
Das westafrikanische Nigeria, welches nach Indien die zweitgrößte | |
Filmindustrie der Welt betreibt, ist keine Konkurrenz für die Südafrikaner. | |
In Nigeria werden Filme schnell und billig für den raschen Abverkauf | |
gedreht, Kulissen meist billig improvisiert und die Herzschmerzgeschichten | |
ähneln einander sehr. „Die Nigerianer haben mit unserer Vorstellung von | |
Film sehr, sehr wenig zu tun“, sagt Dekker, der sich eher auf einer Ebene | |
mit Hollywood und Bollywood sieht. Er will die hohen Budgets ausländischer | |
Produktionsfirmen und keine Filme produzieren, die als billige DVDs auf | |
schäbigen Märkten verkauft werden. | |
Dekkers Ziel: ein noch viel größerer Erfolg als „Lord of War“. Der spielte | |
weltweit immerhin rund 80 Millionen US-Dollar ein, soll aber nur eine | |
Fußnote in der von Dekker angestrebten Erfolgsgeschichte der Cape Town Film | |
Studios sein. | |
Die Filmliebe zwischen Nicolas Cage und Bridget Moynahan war übrigens nicht | |
von Dauer. Nachdem sie herausgefunden hatte, dass er Waffen verkaufte und | |
sie mit anderen Frauen betrog, verließ sie ihn. | |
18 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Cigdem Akyol | |
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