# taz.de -- Kolumne Habseligkeiten: Unterwegs auf grünen Gewässern | |
> Fruchtlos und frustrierend: Wie es sich anfühlt, ein Boot zu besitzen. | |
Das Boot ist weg. Beziehungsweise: Es ist nicht weg, es ist nur woanders. | |
Zu meiner großen Freude. Denn von allen Dingen, die man sich anschaffen | |
kann und deren Besitz einen im Laufe der Zeit immer weiter zermürbt, ist es | |
ein eigenes Segelboot im falschen Revier. | |
Dabei hatten wir es uns so schön ausgemalt. Im Sonnenschein würden wir über | |
die Havel jagen, der weiße Spinnacker sollte sich im Wind blähen, während | |
wir ab und ab an einer Strippe zögen. Oder sagen wir: Es war meine | |
Vorstellung, aber ich komme auch aus NRW und hatte keine Ahnung. Mein | |
norddeutscher Mann fütterte mich über Jahre mit kleinen Segelausflügen nach | |
Brandenburg an, so dass ich am Ende wirklich glaubte, mein Glück läge | |
irgendwo zwischen GFK-Rumpf und Verklickerer eines Internationalen | |
Folkeboots. | |
Bevor das Boot mit einem Kran zu Wasser gelassen wurde bildeten wir eine | |
Eignergemeinschaft mit drei Parteien. Wenn wir alle zusammen wären, dachten | |
wir, würde es richtig behaglich. So war es auch, wenn es denn nur dazu kam. | |
Bei unserem ersten richtigen Segelausflug wir hatten ein Bordbuch | |
angeschafft, Sekt eingepackt und Kartoffelsalat, kletterten wir mit Mann | |
und Maus vom Steg an Bord, hievten die Kinder in ihren Schwimmwesten | |
hinein, ein Schlauchboot, Geschirr, Besteck, Gläser und legten ab. Es kam | |
gleich ein Gefühl auf, als führe man nachmittags um halb fünf auf die | |
Berliner Stadtautobahn oder auf den Ruhrschnellweg. Wir mussten aufpassen, | |
dass wir den Kurs hielten und in niemanden hineinfuhren. Das war nicht | |
einfach, denn einmal kam der Wind von der einen Seite, mal von der anderen | |
und in Höhe des Grunewalds wehte gar keiner mehr, an dieser Stelle | |
herrschte Flaute. Immer. Wir dümpelten auf dem grünlichen Wasser, das gar | |
nicht mehr so aussah, als wolle man sofort reinspringen und baden. Unter | |
Deck herrschten tropische Temperaturen, der Motor, den wir häufiger | |
anwarfen als gedacht, lärmte. | |
Der einzige Eigner, der auf die Pflege des Boots geachtet hatte, zog in die | |
Schweiz, damit waren wir nur noch zwei Parteien. Spinnen nisteten sich an | |
Bord ein, die Kabine war zu einem Pfandflaschenlager verkommen. An einem | |
der wenigen windstarken Tage riss das Segel. Wir brauchten neue, wir | |
mussten allerlei umweltschädliche Unterwasseranstriche kaufen, wir mussten | |
Schrubber besorgen, den Mast stellen und dafür bezahlen. Es kostete zwar | |
nicht mehr pro Monat, das IF-Boot zu betreiben, als es die Mitgliedschaft | |
im Fitness-Studio getan hätte. Aber es war ähnlich fruchtlos und dazu noch | |
frustrierend. Dann zog der zweite Eigner nach England und mein Mann war | |
plötzlich der Einzige, der etwas vom Segeln verstand. | |
Als ich das Boot am Wochenende nach langer Zeit wieder sah, gefiel es mir | |
trotzdem. Es fuhr gerade mit zwei neuen Miteignern am Lübecker Holstentor | |
vorbei in Richtung Ostsee. Dort liegt es nun in einem Hafen in der Nähe des | |
Strands, große Fähren nach Skandinavien rauschen vorbei, es gibt wenig | |
Gegenverkehr und viel Wind. Vielleicht liegen wir bald unter dem | |
aufgeblähten Spinnacker in der Sonne. Sonst gibt es immer noch Ebay. | |
18 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Natalie Tenberg | |
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