# taz.de -- Missbrauchsprozess: "Diese Neigung belastete mich schwer" | |
> Vor dem Landgericht hat das Verfahren gegen Krankenpfleger begonnen, der | |
> drei Kinder missbrauchte. Er hatte in der U-Haft versucht, sich zu töten. | |
Bild: Ein Missbrauchsfall um einen Krankenpfleger beschäftigt die Justiz. | |
Kaum befand sich Michael N. in Untersuchungshaft, versuchte er sich selbst | |
zu richten. Innerhalb von 48 Stunden unternahm der Krankenpfleger, der auf | |
der Kinderintensivstation der Helios-Klinik in Buch drei Jungen sexuell | |
missbraucht haben soll, drei Suizidversuche. Mit einem Einwegrasierer | |
trennte er sich einen Hoden ab. Nur die „unerträglichen Schmerzen und der | |
Kraftverlust“ verhinderten die Vollendung des Gemetzels, lässt der | |
Angeklagte seinen Verteidiger im Landgericht erklären. Seit Donnerstag muss | |
er sich dort für seine Taten verantworten. | |
Die Selbstverstümmelung hat Michael N. von der Hüfte abwärts gelähmt, er | |
kämpft mit Sprache und Gedächtnis. Im Rollstuhl wird der 29-Jährige in den | |
Saal gefahren – ein dunkelhaariger Mann, der die Öffentlichkeit nicht | |
scheut, auch wenn ihn Medien als „Sex-Bestie“ bezeichnet haben. Weder | |
versteckt er sich vor den zahlreichen Kameras, noch bittet er um den | |
Ausschluss der Öffentlichkeit – was Sexualstraftätern durchaus möglich ist. | |
Stattdessen, so N., wolle er den Prozess nutzen, um sich bei den Opfern und | |
deren Angehörigen zu entschuldigen. Außerdem wolle er auf die Problematik | |
der Pädophilen aufmerksam machen, die lernen müssten, ihr Verhalten zu | |
kontrollieren, „damit aus einer Neigung keine Taten werden“. Das sei ihm in | |
der Therapie klar geworden, die er seit einigen Monaten mache. | |
Ihm sei lange vor seinen Taten bewusst geworden, pädophil zu sein, so N.: | |
„Diese Neigung belastete mich schwer.“ Dennoch habe er sich um die | |
Anstellung auf der Kinderstation beworben. Er habe sich überschätzt und | |
geglaubt, „jederzeit sexuellen Kontakten mit Kindern widerstehen zu | |
können“. Irgendwann überfiel ihn das Verlangen bereits beim bloßen Anblick | |
blonder Jungen, auch während seiner Arbeit. Er habe versucht, der Erregung | |
zu entkommen, indem er den Raum verließ oder starke Schmerzmittel | |
konsumierte, um den Sexualtrieb zu dämpfen. N.: „Es ist mir nicht gelungen, | |
meine sexuellen Übergriffe zu verhindern.“ | |
Als er sich im Juni 2010 das erste Mal an einem Neunjährigen vergriff, sei | |
ihm klar geworden: „Jetzt ist der Teufel nicht mehr im Zaum zu halten.“ Er | |
habe unter Albträumen gelitten und wollte seinen Beruf aufgeben. | |
Erfolgreich bemühte er sich um einen Pflegemanagement-Studienplatz. Vorher | |
aber missbrauchte er noch einen Fünf- und einen Achtjährigen. Mittlerweile | |
hatte sich das erste Opfer seinen Eltern anvertraut. Polizeiliche | |
Ermittlungen folgten – so schleppend, dass der letzte Übergriff nicht | |
verhindert wurde. Das Ermittlungssystem sei „marode“, meint Verteidiger | |
Ulrich Dost. Er spricht von einem „Prozess der leisen Töne“: Nicht die | |
Schuld stehe zur Debatte, nur das Strafmaß. | |
19 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Uta Eisenhardt | |
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