# taz.de -- Die Wahrheit: Die Strg-V-Männer | |
> „Wat is’n ditte?“, blökte der leicht verdutzte Uwe K. und blickte sein… | |
> Kontaktmann misstrauisch an. „Augenklappe“, erwiderte der nur kurz. | |
Bild: Wenn sie arbeitslos werden, müssen auch Schnüffler umschulen, dann gehe… | |
„Wat is’n ditte?“, blökte der leicht verdutzte Uwe K. und blickte seinen | |
Kontaktmann misstrauisch an. „Augenklappe“, erwiderte der nur kurz und | |
verschwand dann mit lautlosen Schritten wieder im Schutz der Berliner | |
Nacht. „Na, und dit soll icke uffsetzen, oder wat?“, rief er dem Agenten | |
vom Verfassungsschutz noch hinterher. Doch dieser war längst außer Hörweite | |
geeilt. | |
Die Zeiten sind schwer geworden für V-Männer wie Uwe. Seit nach dem | |
gescheiterten NPD-Verbotsantrag die Spitzel aus dem Reihen der Neonazis | |
abgezogen wurden, sitzt der ungelernte Hilfsspion Uwe zusammen mit | |
Tausenden Leidensgenossen in einer Transfergesellschaft des | |
Verfassungsschutzes fest und wartet auf eine neue Aufgabe. Nach all den | |
Jahren hat man ihn nun endlich kontaktiert – wegen seines seebärenartigen | |
Erscheinungsbildes, wie es hieß. | |
Erst dachte sich Uwe nichts dabei, doch als er erfuhr, dass er, statt wie | |
früher in seinem gewohnt rechten Umfeld auf Sauf- und | |
Asylantenklatsch-Touren zu gehen, nun in See stechen sollte, wurde ihm | |
beinahe etwas schlecht. Doch es half nichts, wenn Uwe weiter seine 6.000 | |
Euro monatlich abgreifen wollte, würde er wohl oder übel als V-Mann bei der | |
Piratenpartei anheuern müssen. | |
Für seinen ersten Tag als Piratenspitzel hatte sich Uwe extra noch das | |
empfohlene Tarn-Shirt gekauft – „Pac-Man formte diesen Körper!“, stand in | |
großen gelben Lettern darauf. Die Augenklappe hatte er zu Hause vergessen | |
und fürchtete nun, sofort aufzufliegen. Nervös stand er in einem Hinterhof | |
in Berlin-Friedrichshain und blickte auf die Kellertreppe, die zur | |
Piratenhöhle führen sollte. Uwe grunzte noch einmal laut, stapfte dann die | |
Treppe hinab und polterte durch die Tür. | |
„Ahoi, Seemann!“, rief ihm ein lebendig gewordener Weichkäse mit | |
grün-blauer Schimmelkultur auf dem Kopf zu. „Logg dich einfach irgendwo | |
ein, der Admin kommt auch gleich“, erklärte der sprechende Käse, und Uwe | |
blickte sich verwirrt um. Im fahlen Schein der Neonröhren konnte er einen | |
weiß gestrichenen Kellerraum erkennen, den jemand mit alten Schreibtischen, | |
Sofas und Serverschränken vollgestellt hatte. | |
Uwe kramte ein kleines Büchlein hervor, das ihm der Verfassungsschützer | |
zugesteckt hatte: „Piratendeutsch“. Er blätterte hastig. „Is juht, ick | |
plugg mich am Port 80 ein, wa“, stotterte er und schob seinen dicken Bauch | |
an einen halben Dutzend Piraten vorbei in Richtung Sofa. | |
Kaum hatte Uwe eine ausreichend große Sitzkuhle in das Polstermöbel | |
gequetscht, da kam schon der „Admin“ zur Tür herein und begrüßte die | |
Anwesenden mit einem lauten „Klarmachen zum Ändern!“. Frenetisch hieben die | |
Mitglieder in die Tastaturen und hackten sich in die Tagesordnung. Punkt | |
eins war das schwammige Image der Partei. Über Twitter flogen die | |
Redebeiträge als grüne Sprechblasen an die Beamerwand: „Da müssen wir | |
einiges imagemäßig konvertieren #convert.“ „Neue Layer adden und nen | |
Scharfzeichner @predatorwizard.“ „Nehmen wir einfach ein .png mit | |
Transparenzeffekt oder zur Not ein .gif #transparency.“ | |
Uwe wusste gar nicht, wie ihm geschah, er hatte noch nie einen Computer | |
benutzt. Was sollte er bloß seinem Kontaktmann beim Verfassungsschutz | |
erzählen? Er kramte ein paar Bier aus dem Armeerucksack und ließ sich | |
gemütlich volllaufen, bis er schnarchend niedersank. | |
Als er wieder erwachte, war der Keller fast völlig verwaist, nur in der | |
Ecke saß noch der Weichkäse und malte mit virtueller Fingerfarbe ein Bild | |
auf seinem ipso. Uwe spürte einen ungewohnt stechenden Schmerz im | |
Hinterkopf. Es war nicht die Art von Kopfdröhnen, das er normalerweise nach | |
einer Sauftour verspürte, sondern ein merkwürdiges Zwicken direkt oberhalb | |
des Halses. „Du hast ja das Beste verpennt!“, rief der Weichkäse herüber, | |
„wir haben schon deine ganze Datenbank runter geladen und im Netz | |
geschart.“ | |
Uwe runzelte die Stirn und fummelte an seinen Hinterkopf herum. Dort | |
ertastete er drei metallische Buchsen. „Wat is’n ditte, ihr Spinner!“, | |
entfuhr es ihm. „Keine Sorge, das sind nur deine neuen Schnittstellen: USB | |
3.0, Gigabit-LAN und Thunderbolt.“ Dann hörte Uwe ein merkwürdiges Piepsen | |
und Knattern in seinem rechten Ohr. „Aaah, und wat is nu?“, konnte er noch | |
murmeln, bevor sein Gehirn heruntergefahren wurde. | |
Am nächsten Morgen stand Uwe – alias „Slash, the Masterdrive“ – an ein… | |
Rednerpult und referierte vor einer Powerpoint-Präsentation über die | |
Vorzüge eines neuen Urheberrechts. In den hinteren Reihen standen Weichkäse | |
und Admin und lauschten stolz den Worten ihres neuen Kameraden. „Hab ich | |
dir nicht gesagt, dass die Hardware vollkommen in Ordnung ist!“, sagte der | |
Admin. „Haste recht, das Betriebssystem war einfach scheiße“, gab der | |
Schimmelkäse zu. „Und warte nur, bis wir allen Deutschen das neue PirateOS | |
aufgespielt haben, das wird ein feines Human-Botnet!“, freute sich der | |
Admin. | |
Derweil rief Uwe mit schönster Goebbels-Modulation seinem Publikum den | |
neuen Schlachtruf der Piraten zu: „Wollt ihr das totale Web?!“ Ein paar | |
Kilobyte des alten NPD-Uwe scheinen immer noch im Speicher zu sein. | |
23 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Rudolph Reimann | |
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