Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Service für Flaschensammler: Kisten, die an Masten hängen
> Nicht nur im Schanzenviertel erleichtern es spezielle Getränkekisten,
> leere Flaschen loszuwerden. Die Idee: mehr Würde für die, die vom
> Pfandsammeln leben.
Bild: Ein "Hingucker", sagt der Erfinder: Kisten wie diese sollen das nächtlic…
Yoga- und Meditationskurse, Kampfsport, Wohnungssuche, entlaufener Hund,
Antwort auf die Frage, wie man glücklich wird, Opel zu verkaufen: An
Laternenmasten hängt die Moderne. Komplett. Nun kommen Getränkekisten dazu,
in die der Passant seine leere Dose oder Buddel stellen kann, damit der
Flaschensammler sie nicht aus dem Müll klauben muss. Die ersten Kiste
wurden Mitte März aufgehängt, zwischen Roter Flora und Haus 73.
Flaschenintensiver Standort, Armut nicht weit. Kann sein, dass Hamburg hier
mal die Spitze von irgendwas ist.
Drauf gekommen sind die Leute von Lemonaid, dieser Hamburger Firma, die
Limonade und andere Getränke macht und mit dem Erlös soziale Projekte
unterstützt. Nicht allein: „Die Idee ist kollektiv entstanden“, sagt Jakob
Berndt von Lemonaid. In Berlin gibt es eine Initiative „Pfand gehört
daneben“, organisiert von Matthias Gomille: Alles, was Pfand bringt, soll
nicht in den Mülleimer gepackt, sondern daneben gestellt werden, um den
Flaschensammlern ihre Arbeit zu erleichtern. „Mit Matthias haben wir uns
ausgetauscht“, sagt Berndt. Er selbst, „Getränkehersteller, der sich im
großstädtischen Kontext bewegt und mit Pfandflaschen arbeitet“, habe sich
aufgerufen gefühlt, die Idee weiter zu entwickeln. Also Pfandflaschen nicht
nur neben die Mülltonne stellen, sondern gleich in eine Kiste, aus der sie
der Sammler holen kann. Denn Wühlen in Mülltonnen, sagt Berndt, ist
„entwürdigend und nicht ungefährlich“.
Dann hat sich der Designer Tim John dran gesetzt und überlegt, wie das
gehen könnte. Machte ein Loch rein, schnitt die Kiste auf, damit sie um
einen Laternenmasten passt, verband die losen Teile mit Kabelbindern. Das
ist ein „Hingucker“, sagt Berndt, „das fällt den Leuten auf.“ Inzwisch…
gab es in Hamburg und Berlin Bastelstunden, damit jeder solche Kisten bauen
kann, und bald stellt Berndt eine Bastelanleitung ins Netz. Überhaupt: Mit
seinem Team „tüftele er „ständig an Verbesserungen rum“, sagt Berndt.
Die Wasser-Initiative Viva con Agua macht mit, Quartiermeister auch, das
sind Berliner, die Bier brauen und den Gewinn sozialen Projekten zur
Verfügung stellen. Lemonaid-Kisten hängen inzwischen in Kreuzberg,
Wiesbaden, Kassel, Leipzig, bald auch in Hannover, Frankfurt am Main,
München. „Das hat eine krasse Dynamik“, sagt Berndt. Die Kisten werden
sogar nachgebaut, das findet Berndt „gut“. Auch Kisten von Getränkefirmen,
die nichts mit sozialen Projekten zu tun haben, lassen sich für den
richtigen Zweck verwenden. „Es werden Beck’s-Kisten genommen, das Logo
übermalt, an einigen Standorten hängen Körbe, darauf kommt’s nicht an.“
Berndt ist froh über diese Initiativen, „denn so war es gedacht, die Leute
sollen in ihren Städten ihr eigenes Ding machen“. Baut eine, zwei, viele
Kisten. Irgendwann werde „eine kleine Organisation notwendig sein, die sich
nur um die Kisten kümmert“.
In Hamburg hingen mal 15 Kisten, fünf fehlen inzwischen. Berndt fragt sich,
„ob das was mit Vandalismus“ zu tun hat – „oder dem Ordnungsamt“? Die…
aber, versichert Kerstin Godenschwege, Sprecherin des Bezirksamts Altona,
„war es nicht“. Sie hat mit den Leuten vom Bezirklichen Ordnungsdienst
gesprochen. „Die finden das gut“, sagt Godenschwege, „die sagen: Das hilft
uns.“
Und Flaschensammler? Berndt hat mit zwei gesprochen, die „fanden die Kisten
super“. Dagegen hat Manne, der vom Flaschen sammeln lebt, die Befürchtung,
„dass der Konkurrenzkampf größer wird, weil nun noch mehr Leute sammeln,
wenn das so einfach geht“. Berndt weiß nicht, „ob das stimmt“. Er hat die
Sache mit den Kisten im Netz publik gemacht, Matthias Gomille auf Facebook,
und fast alle Reaktionen „waren positiv“. Im Grunde, sagt Berndt, gehe es
darum, zu erkennen, „dass es eine soziale Schieflage gibt, und darauf zu
reagieren“.
23 Apr 2012
## AUTOREN
Roger Repplinger
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.