# taz.de -- Machtkampf: SPD hat die Wahl | |
> Jan Stöß, Sprecher der SPD-Linken, fordert Parteichef und Senator Müller | |
> heraus. Ein erster Versuch Müllers den Gegenkandidaten zu schwächen | |
> scheiterte. | |
Bild: Gefragter Typ: Jan Stöß. | |
Ein so eisiger Ton war unter den Berliner Genossen lange nicht mehr zu | |
hören gewesen: Er "wage zu bezweifeln", ob es "klug ist von Herrn Stöß hier | |
anzutreten", sagte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) vor | |
der Vorstandssitzung seiner Partei am Montagabend. Am Vormittag hatte | |
besagter "Herr" - der Friedrichshain-Kreuzberger Bezirkschef Jan Stöß - | |
erklärt, im Juni für die Wahl zum Landesvorsitz anzutreten. Damit hat der | |
amtierende Vorsitzende, Stadtentwicklungssenator Michael Müller, nun ganz | |
offiziell einen Gegenkandidaten. Wowereit warf Stöß einen | |
Profilierungsversuch gegen den Senat vor. Partei, Fraktion und Senat seien | |
aber "keine getrennten Veranstaltungen", die Bürger erwarteten zurecht, | |
"dass wir nicht gegeneinander arbeiten". | |
Nun ist der Machtkampf in der SPD endgültig ausgebrochen: Der 38-jährige | |
Parteilinke Stöß fordert mit Michael Müller einen engen und langjährigen | |
Vertrauten des Regierenden Bürgermeisters heraus. Mehrere SPD-Kreisverbände | |
haben bereits ihre Unterstützung für Stöß erklärt. Und der Versuch der | |
SPD-Führung, mit einem Antrag auf einen Mitgliederentscheid die Chancen auf | |
Müllers Wiederwahl zu erhöhen, scheiterte in der Vorstandssitzung am | |
Montagabend. | |
Am 9. Juni wählen die Delegierten der Kreisverbände auf dem Landesparteitag | |
den neuen Vorsitz. Seit Wochen wird über eine mögliche Kandidatur von Stöß | |
spekuliert, nun hat er sie in einem Brief bestätigt. Stöß ist | |
Verwaltungsrichter und Kreisvorsitzender von Friedrichshain-Kreuzberg. Er | |
fordert eine schärfere Abgrenzung der SPD von der CDU und schrieb, er wolle | |
mit seiner Kandidatur dazu beitragen, „weiter als nur bis zu den | |
Kompromissen des Koalitionsvertrages zu denken“. Daneben kritisiert er die | |
Kommunikationspolitik des derzeitigen Vorsitzenden Müller. „Nicht jede | |
inhaltliche Auseinandersetzung gefährdet unsere Geschlossenheit,“ heißt es | |
in dem Brief. Einer Partei, die nicht diskutiere, sondern nur Ansagen „von | |
oben“ folge, fehle die Kreativität zur Lösung gesellschaftlicher Probleme. | |
Mit dieser Kritik steht Stöß nicht allein. „Die SPD muss ihr Profil | |
schärfen“, sagt Jörg Stroedter, Kreisvorsitzender von Reinickendorf. Das | |
sei mit einem Vorsitzenden, der zugleich in der Regierung sitze, äußerst | |
schwierig. Die Kandidatur von Stöß hält Stroedter für „ausgesprochen gut�… | |
Sein Kreis werde erst Anfang Mai abstimmen, er geht davon aus, dass dort | |
für Stöß gestimmt werde. „Es geht nicht um die Frage links oder rechts. | |
Sondern vor allem um die Frage, wie in der Partei kommuniziert wird“, sagt | |
Stroedter. Müller würde die Basis nicht einbeziehen und wichtige Fragen nur | |
mit engen Vertrauten absprechen. | |
Solche Kritik ist nicht nur aus den Kreisverbänden zu hören, die bereits | |
Unterstützung für Stöß signalisiert haben, wie Neukölln oder | |
Marzahn-Hellersdorf, sondern auch aus Müllers Heimatbezirk | |
Schönefeld-Tempelhof. Der Kreis hat sich am Samstag zwar einstimmig für | |
Müller ausgesprochen. Daniel Behrendt, Mitglied der SPD-Fraktion der | |
dortigen Bezirksverordnetenversammlung, hat sich bei der Abstimmung jedoch | |
enthalten – zusammen mit fünf anderen Delegierten. Die Position der SPD | |
werde vom derzeitigen Parteivorsitzenden immer weiter „weichgespült“, | |
erklärt er. Viele SPD-Mitglieder aus seinem Umfeld fühlten sich nicht mehr | |
vertreten. „Die CDU war nie unser Wunschpartner“, so Behrendt. Umso | |
wichtiger sei nun, dass ein Landesvorsitzender Themen offen ansprechen und | |
neue Ziele definieren könne, „ohne dass Rücksicht auf den Koalitionspartner | |
genommen werden muss.“ | |
Dilek Kolat, Kreisvorsitzende des Bezirks und Senatorin für Arbeit, sieht | |
das anders: Müller mache eine gute Arbeit als Landesvorsitzender. „Ich | |
würde mir wünschen, dass die SPD ihre politischen Gegner in der Opposition | |
sucht und nicht in den eigenen Reihen“, so Kolat. | |
Auch der Kreisverband Steglitz-Zehlendorf hat sich bereits für Müller | |
ausgesprochen. Damit können Stöß und Müller derzeit etwa gleich viele | |
Stimmen für sich verbuchen. Offen ist jedoch, wie große Bezirke wie Mitte | |
und Pankow abstimmen. Boris Velter, Vorsitzender des Kreises Mitte, | |
kündigte an, sein Kreis habe die beiden Kandidaten eingeladen, sich | |
vorzustellen – danach werde entschieden. | |
Mehrere Kreisvorsitzende dementierten am Montag, Wowereit könne | |
möglicherweise selbst kandidieren, um eine Niederlage seines Vertrauten | |
Müllers zu verhindern. Wowereit selbst stellte sich derweil hinter den | |
Senator. Dieser habe „wesentlichen Anteil an der positiven Entwicklung der | |
Berliner SPD in den letzten Jahren“, sagte er. Müller sagte bei der | |
Vorstandssitzung dem Vernehmen nach, er hoffe auf eine politische | |
Auseinandersetzung – keine persönliche. | |
23 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Juliane Schumacher | |
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