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# taz.de -- Bremen schafft Sammelunterbringungen ab: Flüchtlinge verlassen Unt…
> Die Bremer Bürgerschaft will Flüchtlingen das Leben in Miet-Wohnungen
> ermöglichen. Wie das bei einem angespannten Wohnungsmarkt aussehen kann,
> wird noch beraten.
Bild: Traum vieler Flüchtlinge: eine eigene Wohnung.
BREMEN taz | Seit Anfang Februar hat Sam Saheli eine eigene
Zwei-Zimmer-Wohnung. Das ist für die Meisten nichts besonderes. Der Iraner
aber lebte, seit er 2010 Asyl beantragt hat, in einer Sammelunterkunft.
Weil dort die Bedingungen schlimm sind, sogar krank machen, handeln in
Bremen nun die Sozialdemokraten: Am Dienstag beschloss die Bremer
Bürgerschaft, Gemeinschaftsunterkünfte für Flüchtlinge stufenweise
abzuschaffen. Stattdessen sollen Flüchtlinge nach spätestens drei Monaten
in normalen Miet-Wohnungen leben dürfen.
Diese drei Monate werden bleiben, denn nach Bundesgesetz ist das der
Zeitraum, in dem AsylbewerberInnen in sogenannten
„Erstaufnahmeeinrichtungen“ bleiben, bis eine erste Prognose vom Bundesamt
für ihren Antrag vorliegt. Danach werden sie den Kommunen zugeteilt. Auch
Bremen hielt, wie viele andere Städte, dafür „Übergangswohnheime“ bereit,
in vier Heimen ist Platz für 560 Menschen. Seit 2011 müssen Bremer
Flüchtlinge dort nur noch ein Jahr bleiben.
Auch Sam Saheli musste diese Zeit abwarten. Mit vier Männern lebte er in
einem kleinen Zimmer, der Platz reichte nur wegen der Hochbetten. „Oft kam
es zu Schlägereien, weil jemand schnarchte, oder zu laut war.“ Mit etwa
hundert Männern, Frauen, Kindern teilte er sich Küchen, Duschen und
Toiletten. Weit ab vom Stadtzentrum, mit einem 30-minütigen Fußweg bis zur
nächsten Bushaltestelle. Saheli zieht einen harten Vergleich, als
Journalist war er im Iran eingesperrt. „Es hat mich an die Gefängnisse im
Iran erinnert“, sagt er. Mit anderen Flüchtlingen demonstrierte er im Mai
für bessere Bedingungen. Dass ihre Forderungen nun Gehör fanden, freut
Saheli.
Auch Mark Millies vom Bremer Flüchtlingsrat begrüßt den Schritt.
„Allerdings ist es wichtig, dass bei der Umsetzung die Flüchtlinge aktiv
mitgestalten können“. Die Begleitung bei der Wohnungssuche dürfe nicht den
Ehrenamtlichen überlassen werden.
In der Bürgerschafts-Debatte war dies denn auch die Forderung von Kristina
Vogt, Fraktionsvorsitzender der Linkspartei. Noch mit am stärksten
verteidigt wurde die bisherige Versorgung hingegen von der grünen
Migrationspolitikerin Zahra Mohammadzadeh, die sich anscheinend von der
Initiative ihres SPD-Koalitionskollegen Sükrü Senkal etwas überrascht sah.
In der Sache aber waren sich alle Fraktionen einig. Die CDU hatte einen
eigenen Antrag gestellt, etwas vorsichtiger wollte sie erst die
Finanzierung evaluieren. Dies jedoch laufe in die falsche Richtung,
entgegnete die Linken-Chefin Vogt, denn Erfahrungen aus anderen Städten
zeigten, dass die dezentrale Unterbringung günstiger sei.
Eine Steuerungsgruppe aus dem Sozial-, Gesundheits- und Bausressort, dem
Bremer Rat für Integration und den Wohnungsbaugesellschaften soll nun die
konkrete Umsetzung erarbeiten. Etwa, wie die Mietkostenübernahme ablaufen
kann, so dass Flüchtlinge in allen Stadtteilen, nicht nur in den
Randbezirken, eine Bleibe finden. Denn der Wohnungsmarkt ist in Bremen
ohnehin angespannt.
Für die BewohnerInnen der Flüchtlingsheime kommen noch andere Hürden hinzu.
Sam Saheli hat drei Monate gesucht und letztlich die Wohnung eines Freundes
übernommen: „Ich kenne viele, die seit über einem halben Jahr vergeblich
suchen.“ In den Unterkünften gibt es keine Computer und kein Internet. „Ich
darf 358 Euro für eine Wohnung ausgeben, mit Nebenkosten. Das war fast
unmöglich.“
Mark Millies hofft, dass sich dies nun bessert. Und dass der Bremer
Beschluss Nachahmer findet. In Hamburg hatte die SPD in der Vergangenheit
ebenfalls die Unterbringung in Sammelunterkünfte kritisiert, dann jedoch
selbst Flüchtlinge im mecklenburgischen Horst untergebracht, fernab vom
Schuss. Die Verhandlungen, den Vertrag mit dem Nachbarland zu erneuern,
dauern an. Kai Weber vom Flüchtlingsrat Niedersachsen sieht sein Land von
der Bremer Lösung weit entfernt. Man setze „auf Abschreckung“.
24 Apr 2012
## AUTOREN
Georg Kirsche
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