| # taz.de -- Chinesische Film-Satire „Ufo in Her Eyes“: Außerirdische Hoffn… | |
| > „Ufo in Her Eyes“ ist der vergnügliche zweite Spielfilm der chinesischen | |
| > Regisseurin Xiaolu Guo. Und eine böse Satire über die rasanten | |
| > Umwälzungen in China. | |
| Bild: Szene aus „Ufo in her Eyes“. | |
| Der Film beginnt mit einer langen, ruhigen Kamerafahrt durch eine grüne | |
| Landschaft mit malerischen Bergen und einem Dorf, wo sich die Häuser kauern | |
| wie Glucken. Nach einem leidenschaftlichen Stelldichein mit dem | |
| Schuldirektor findet die Bäuerin Kwok Yun jedoch einen seltsamen Stein. Sie | |
| schaut hindurch, und auf einmal legt sich grelles Licht über das schöne | |
| Tal. Karpfen und Würmer winden sich im Morast. | |
| Nichts wird bleiben, wie es war: Die Bäuerin glaubt, ein Ufo zu sehen. Sie | |
| wird die Wunden eines mysteriösen Amerikaners versorgen, der wie vom Himmel | |
| gefallen scheint und schnell wieder verschwindet. Während Kwok Yun von den | |
| kommunistischen Behörden als Heldin inszeniert wird, baut die resolute | |
| Ortsvorsteherin das verschlafene Dörfchen in eine Touristenfalle um und | |
| katapultiert es in die chinesische Moderne. Wo gerade noch wie im schönsten | |
| Dokumentarfilm Fische gefangen und Schweine geschlachtet wurden, schießen | |
| plötzlich Ufo-Park, Ufo-Luxushotel und ein Nachbau der Oper in Sydney aus | |
| dem Boden. | |
| „Ufo in Her Eyes“, der zweite Spielfilm der chinesischen Regisseurin und | |
| Schriftstellerin Xiaolu Guo, ist eine grobe, böse, wilde Satire über die | |
| rasanten Umwälzungen in einem großen Land, das derzeit wenig Rücksicht | |
| nimmt auf die kleinen Probleme der gebeutelten und zerrissenen Individuen, | |
| die es bevölkern – und in dem schließlich doch nur alle einander hauen und | |
| stechen, wenn es um das kleine Stück vom großen Kuchen geht. | |
| ## Verlorenes Paradies | |
| Beeindruckend die Bildersprache des Films, die mit dem Zerfall der Idylle | |
| in eine verwirrend kakofonische Vielzahl von Formen findet, für jede der | |
| zahlreichen Wirklichkeiten eine andere. Immer wieder blitzen | |
| Landschaftsaufnahmen wie die am Anfang auf – Erinnerungen ans verlorene | |
| Paradies, das es so vielleicht nie gegeben haben mag. Als ein Polizist aus | |
| der Stadt ins Spiel kommt, der die Geschehnisse im Dorf beobachten soll, | |
| wird das Bild schwarz-weiß, man hört seine Stimme aus dem Off, sieht ihn | |
| aber nie. | |
| Dafür tauchen zu den Gesichtern der Verhörten Infos zu Alter, Beruf und | |
| politischer Überzeugung wie Untertitel auf. Ein andermal proben ein paar | |
| Tölpel den Bauernaufstand und parallel montiert tanzen in Zeitlupe | |
| betrunkene Lokalpolitiker und Bauern mit dem zurückgekehrten Amerikaner, | |
| der nun nicht mehr als märchenhafter „Starman“ erscheint, sondern als | |
| Allegorie der Kehrseite des amerikanischen Traums. | |
| Die schrille Distanzierung wirkt: Man weiß nicht mehr, woran – und vor | |
| allem an wen – man sich halten soll. All das wäre schier unerträglich, wenn | |
| sich nicht im Lauf des Films doch eine heimliche Sympathieträgerin | |
| herausschälen würde: Es ist die Bäuerin Kwok Yun, die sich in der Mitte des | |
| Films vom Schuldirektor abwendet und sich jeder Vereinnahmung entzieht. Sie | |
| verliebt sich in einen vertriebenen Wanderarbeiter, der die Räder der | |
| Dorfbewohner flickt und sich selbst am Rand, wo auch Luxushotels nichts | |
| daran ändern, dass Hopfen und Malz verloren ist, verachten lassen muss. | |
| ## Undurchsichtiger Charakter | |
| In der Figur Kwok Yuns erinnert Xiaolu Guo noch am meisten an ihren | |
| Debütfilm „She, a Chinese“, mit dem sie 2009 den Goldenen Löwen gewann. W… | |
| damals die junge Li Mei, die ihr Heimatdorf verlässt und nach London geht, | |
| wird auch Kwok Yun ein zunehmend undurchsichtiger Charakter mit unbewegtem | |
| Gesicht, an deren Gefühlen man immer weniger teilhaben kann, die aber | |
| gerade deshalb so sympathisch wirkt. | |
| Scheint sie anfangs noch mit ihrer Arbeit und ihrem Großvater verbunden, | |
| entfremdet sie sich zunehmend von ihrem Umfeld. Nicht der Amerikaner, Kwok | |
| Yun ist die einsame Außerirdische, in der ein Funken Hoffnung wohnt. | |
| 25 Apr 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Messmer | |
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