# taz.de -- Wahlkampf: "Wir werden ein fettes Ergebnis holen" | |
> Schleswig-Holsteins grüner Spitzenkandidat Robert Habeck im Interview | |
> über eigene Ernsthaftigkeit, unseriöse Wahlversprechen und seine | |
> Abneigung gegen Krawatten. | |
Bild: Mag keine Schlipse, will aber in Schleswig-Holstein regieren: Der Grüne … | |
taz: Herr Habeck, wollen die Grünen nach der Landtagswahl an diesem Sonntag | |
regieren? | |
Robert Habeck: Logo. | |
Mit wem? | |
Mit der SPD. | |
Warum? | |
Weil wir mit der SPD die Auffassung teilen, dass eine Gesellschaft über | |
funktionierende öffentliche Güter, Bildung vor allem, verfügen muss. | |
Die schwarz-grüne Option, die Sie sich lange offengehalten haben, gibt es | |
also nicht mehr? | |
Das wendete sich zuallererst gegen das Ritual, Macht über Inhalte zu | |
stellen. Im Wahlkampf aber ist deutlich geworden, dass die CDU wieder die | |
Schlachten von früher schlägt. Sie hat zunächst Investitionen in den | |
Bildungsbereich als „charakterlose Schuldenmacherei“ beschimpft, jetzt | |
traktiert sie das Land mit Unwahrheiten: „Einheitsschule“, „Schuldenstaat… | |
„Dörfer auflösen“ – es geht steil bergab mit der Union und ihrem Wahlka… | |
Die SPD ist in vielen Punkten sehr vage, außer beim Geldausgeben. Was reizt | |
die Grünen denn daran? | |
Stimmt schon, ein Selbstgänger ist das nicht. Und es ist auch überhaupt | |
nicht sicher, dass wir die Differenzen lösen können. Etwa bei der Ökologie | |
und der Energiewende: Zu beiden Themen hat die SPD überhaupt kein | |
Verhältnis. Und bei den Finanzen sehe ich nicht, dass wir das Geld haben, | |
um die SPD-Wahlversprechen – kostenlose Kita, 120 Millionen Zuschüsse an | |
die Kommunen und ähnliche hübsche Dinge – zu bezahlen. | |
Ihr Wunsch-Koalitionspartner verspricht Unbezahlbares? | |
Wie das gehen soll, muss die SPD erklären. Wir Grüne bleiben ernsthaft und | |
wollen mehr halten, als wir versprechen. | |
Wenn Sie ernsthaft bleiben wollen, müssten Sie eine Ampelkoalition – falls | |
rechnerisch erforderlich – mit SPD und FDP ausschließen? | |
Falls die FDP es wieder in den Landtag schaffen sollte, ist sie die letzte | |
Partei, die in einer Regierung gebraucht würde. | |
Wenn zu dritt, dann also die so genannte Dänenampel mit dem | |
Südschleswigschen Wählerband SSW? | |
Der SSW ist eine vollwertige politische Kraft in Schleswig-Holstein. Wir | |
haben mit ihm in der Opposition gut zusammengearbeitet. Auch zu ihm gibt es | |
aber Differenzen, vor allem, was die norddeutsche Zusammenarbeit angeht und | |
die Überwindung des Bildungsföderalismus. Aber 2005 haben wir uns auch | |
schon mal geeinigt. | |
Fürchtet die CDU genau das und spricht dem SSW als Minderheitenpartei | |
deshalb das Recht auf eine Koalition ab? | |
Die Union führt eine Schmähkampagne und stellt damit ihre eigene Geschichte | |
und die des Landes in Frage. An der Minderheitenpolitik macht sich das | |
Selbstverständnis Schleswig-Holsteins fest. Formulierungen wie „rot-grüne | |
Steigbügelhalter“ spielen mit Ressentiments und rühren an das demokratische | |
Grundverständnis. Sie sind für mich nicht akzeptabel. | |
Vor einem Jahr, nach Fukushima, sagten Sie im taz-Interview, die | |
Gesellschaft wachse auf die Grünen zu. Sehen Sie das heute immer noch so? | |
Eindeutig ja. Viele unserer Themen sind in der Mitte der Gesellschaft | |
angekommen: Nachhaltigkeit, Ressourcenschutz, Verbraucherschutz, | |
Energiewende, Bürgerrechte, Zuwanderung, Vereinbarkeit von Familie und | |
Beruf – was vor wenigen Jahren noch als alternativer Spinnkram diffamiert | |
wurde, ist inzwischen mehrheitsfähig. | |
Machen die Grünen sich dann nicht überflüssig? | |
Wenn die Gesellschaft durchgrünt ist, ist das eben so. Die Grünen sind ja | |
kein Selbstzweck. Ich sehe nur nicht, dass dieser Punkt bereits erreicht | |
ist. Und es kommen ja stets neue Herausforderung hinzu, Europa etwa. | |
Die Wählerzustimmung, die vor einem Jahr um die 20 Prozent lag, ist | |
inzwischen auf etwa 13 Prozent geschrumpft. | |
Stimmt, aber das ändert nichts an dem Befund. Es sagt nur, dass das | |
Urheberrecht in der Politik auch nichts gilt. Dennoch werden wir ein fettes | |
Ergebnis holen. | |
Trotz der Piraten, die den Grünen Wähler abspenstig machen? | |
Der Hype der Piraten hat sicher auch uns ein Prozent oder so gekostet. Ich | |
sehe bei den Piraten zwar nicht, wie sie den Protest in Antworten ummünzen | |
wollen, aber dann ist das eben so. Wir Grüne kämpfen gegen Atomkraftwerke, | |
Betreuungsgeld, Steuersenkungen – die Piraten nicht mal gegen Google und | |
Facebook. Ihre Politik richtet sich auf nichts, sondern kreist um sich | |
selbst. Aber keine Antwort ist doch auch keine Lösung. | |
Sie sagten eingangs, Sie wollten regieren. Welche Ministerien hätten die | |
Grünen gern? | |
Sie kennen das Sprichwort vom Bären und dem Fell? Allerdings ist es | |
offensichtlich, dass man Umweltschutz und Energiewende nicht der SPD | |
überlassen kann. Das muss in einem grün geführten Ministerium gebündelt | |
werden. | |
Mit Robert Habeck als Minister? | |
Bär, Fell, Personal – in dieser Reihenfolge. | |
Politik ist ja kein Zuckerschlecken: Werden Sie als stellvertretender | |
Ministerpräsident Ihren Widerstand gegen Krawatten aufgeben? | |
Harte Frage! Ich habe schon einmal eine getragen, bei der | |
Bundespräsidentenwahl 2010. Aber für das Amt, das Sie mir gerade antragen, | |
gilt: Erst ein gutes Wahlergebnis, dann viele grüne Resultate bei den | |
Koalitionsverhandlungen, und dann reden wir über ein grünes Team, das das | |
umsetzen soll – und dann meinetwegen auch über Krawatten. | |
2 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Esther Geisslinger | |
Sven-Michael Veit | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |