# taz.de -- Trainer verprügelt eigenen Spieler: Ausgewechselt, beleidigt, gesc… | |
> Delio Rossi, Trainer des AC Florenz, griff nach schlechter Leistung einen | |
> eigenen Spieler an. Seine Mannschaft erreichte danach ein Remis, trotzdem | |
> wurde Rossi gefeuert. | |
Bild: Leidenschaftlich auch mit Körpereinsatz: Florenz Ex-Trainer Delio Rossi. | |
NEAPEL taz | Fußball ist ein Tollhaus. Wie bemühen sich doch geleckte | |
Manager, das vor hundert Jahren noch als „Fußlümmelei“ diskreditierte Spi… | |
der Proletarier und Matrosen auf Hochglanz zu polieren und es aus | |
Absatzgründen familienfreundlich, genderkonform und kniggekorrekt | |
herzurichten. Und dann schießt doch wieder Adrenalin in die Blutbahn und | |
lässt alle Domestizierungsbemühungen ins Leere laufen. | |
Delio Rossi, dem Trainer des AC Florenz, platzte am Mittwoch angesichts der | |
grauenvollen Darbietung seines Kaders im Abstiegsduell mit Novara der | |
Kragen. Er wechselt noch in der ersten Halbzeit seine schwache | |
Offensivkraft Adem Ljajic aus. Das ist eine Maximalbestrafung. Aber | |
Florenz, vor zwei Jahren noch Achtelfinalgegner der Bayern in der Champions | |
League, lag 0:2 gegen Novara zurück und die Mannschaft machte nicht den | |
Eindruck, als könne sie sich gegen die Niederlage stemmen. | |
Was kann ein Trainer da machen, außer auszuwechseln? Ljajic schmeckte die | |
Entscheidung nicht. Er wäre auch kein Sportler, wenn er darüber erfreut | |
wäre. Man kann es als Zivilisationsleistung würdigen, dass der | |
mediatisierte und in Echtzeit in die fernsten Weltwinkel übertragene | |
Fußball sich das Ritual des Handschlags nach einer Auswechslung verordnet | |
hat. Man kann aber auch die Falschheit dieser Geste beklagen. | |
Es handelt sich um einen Friedensschluss ohne Frieden, ohne Verhandlungen | |
zumindest. Der Trainer entscheidet, basta. Kulturell ist dies auf | |
Primatenniveau. Die Primaten mögen verzeihen. Ljajic streckt Rossi höhnisch | |
den Daumen entgegen. Beleidigungen fliegen hin und her. Der Trainer stürzt | |
sich auf den Spieler und traktiert ihn mit Fäusten. | |
Bei Mourinho, dem Schimpfzwerg und Finger ins Auge-Pieker, hätte eine | |
derartige Entgleisung kaum überrascht. Bei Delio Rossi, einem | |
detailverliebten, ja geradezu pingligen Aufstellungsbastler mit einer | |
persönlichen Scheuheit wie sie im Fußballgeschäft selten geworden ist, | |
verwundert so eine Tat jedoch sehr. Das erklärt die Fallhöhe. Verblüffend | |
ist auch die Reaktion der übrigen Beteiligten. Die Schiedsrichter, die | |
sonst Trainer schon wegen des Verlassens der Coaching-Zone auf die Bühne | |
verbannen, schritten nicht ein. | |
## Reste von Kampfgeist | |
Gut, die Prügelei fand ja auch innerhalb des dem Trainer zugebilligten | |
Areals statt. Die Spieler, die gern jeden Autoritätsverfall eines | |
Vorgesetzten für ihre Interessen nutzen, entdeckten plötzlich nicht mehr | |
vermutete Reste von Kampfgeist und Courage und erreichten ein Remis. Und | |
die Fans empfingen Rossi nach der Boxeinlage zur zweiten Halbzeit mit | |
„Delio, Delio“-Sprechchören. Trotz alledem entließ der AC Florenz Rossi am | |
Folgetag. | |
So viel Sympathie hatte der Trainer nur ganz am Anfang seines | |
Arbeitsverhältnisses in Florenz ausgelöst, als alle hofften, er würde ein | |
neues Projekt einleiten. Nun bleibt Rossi nur als zweiter Trainer in | |
Erinnerung, der sich an dem schweren Erbe von Nationalcoach Prandelli in | |
Florenz verhob. Das allerdings war vor her auch schon klar. | |
Nicht ohne Grund hatte sich in der Winterpause ein lustloser Gilardino nach | |
Genua abschieben lassen und ein heftig umworbener Montolivo | |
(Doppeltorschütze am Sonntag) keinen Grund für eine Vertragsverlängerung | |
gesehen. Die Brüche im Gefüge haben sich im Faustkampf entladen. Das ist – | |
bei aller Verurteilung solcher Gewaltausbrüche – aber auch eine menschliche | |
Dimension. | |
3 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Tom Mustroph | |
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