# taz.de -- Moritz-Götze-Ausstellung in Frankfurt: Immer schön bezahlbar blei… | |
> Er stochert und gräbt in der Geschichte und findet allerlei Treibgut. Der | |
> Hallenser Künstler Moritz Götze modelliert daraus Artefakte für einen | |
> Pop-Kosmos. | |
Bild: Teilausschnitt des Götze-Bilds: SOMMER 1976, 2011, Mischtechnik auf Papi… | |
Als Moritz Götze kurz nach der Wiedervereinigung die nun gesamtdeutschen | |
Kunstmessen besuchte, hat es ihm, nach eigenem Bekunden, „die Beine | |
weggehauen“. Für einen Künstler wie ihn, 1964 in Halle geboren, war die | |
Situation voller Widersprüche. | |
Anfang der neunziger Jahre gab es einen Boom der Ost-Kunst; ostdeutsche | |
Galerien konnten etwa zu verbilligten Tarifen einen Messestand in | |
Düsseldorf beziehen. Westkünstler hingegen breiteten nicht immer die Arme | |
zum Willkommen aus, schließlich stand hier auf einmal eine gute | |
ausgebildete Konkurrenz im gemeinsamen Raum. Kompliziert wurde die | |
Situation durch die Dominanz der Leipziger Schule um Bernhard Heisig. | |
Noch heute muss Moritz Götze über die „Unmasse an Kunst“ staunen, die ihm | |
damals auf Kunstmessen entgegenkam. Aber er kann gelassen darüber reden, | |
denn er konnte immer von seiner Arbeit leben und er hat sich mit dem | |
Begriff „deutscher Pop“ ein erfolgreiches eigenes Label kreiert. Im Oktober | |
geht es damit sogar ins Homeland der Popart, in die USA, wie er in einem | |
Frankfurter Café, in der Nähe der Galerie Rothamel, wo gleich noch die | |
letzten Bilder an die Wand gehängt werden müssen, erzählt. | |
„Ich kann alles“, sagt Moritz Götze – wobei er damit sein Haus in Halle | |
meint, wo er nach wie vor wohnt und handwerklich umfassend kompetent jede | |
Arbeit selbst ausführt. Aber auch in der Kunst beweist er erstaunliche | |
Vielseitigkeit. Götze hat große Installationen für die Schlösser | |
Charlottenburg und Neuhardenberg gefertigt, Plakate für ein Schauspiel | |
entworfen, Emaille-Arbeiten, Gemälde, Zeichnungen in zahlreichen | |
Ausstellungen präsentiert, und er hat sogar einen eigenen Verlag, den | |
Hasenverlag, in dem die ostdeutsche Provinz gefeiert und ebenso der | |
Reichtum der eigenen Arbeiten vorgezeigt wird. | |
Aber was ist deutsche Popart? Sie ist wie der große amerikanische Bruder | |
poppig bunt, flächig, hat keine Berührungsängste gegenüber Comics und ist | |
eine Umwälzmaschine für alles von Avantgarde über Repräsentationskunst bis | |
Krempel. | |
## Der Hasenverlag | |
Götzes Pop ist auch flächig, hat aber Tiefe, nämlich historische. Der | |
Künstler stochert und gräbt in der deutschen Geschichte. Er schreckt selbst | |
vor dem altpreußischen Historienmaler Anton von Werner nicht zurück, | |
sondern greift auf dessen Bismarck- und Wilhelm-Nationalkitsch zurück. Wo | |
der Eiserne Kanzler 1880 für Kaiser und Reich unter einem antikisierenden | |
Bogen ernst herblickt, glupscht er bei Götze 2006 alltagsbürgerlich in die | |
Gegend, die Faust auf den Amboss gedrückt, daneben der Hammer, auf der | |
Hintergrundtapete erinnern Pickelhaube, Säbel, Hahn an das, was dieser | |
seltsame Typ in der Knautschuniform alles auf dem Kerbholz hat. | |
Aber weil es Pop ist, steht das Bild jenseits alter politischer | |
Kontroversen, in die, im Falle Bismarcks, mit nationaler Attitüde sich auch | |
die DDR einschaltete, um den Altkanzler realsozialistisch einzugemeinden. | |
Bei Götze ist das alles Treibgut, das, in der Gegenwart angeschwemmt, auf | |
mögliche Verwendbarkeit geprüft und in Neubauprojekte integriert wird. | |
Irgendwie ist das ja alles in unserem Hier und Heute vorhanden, ziemlich | |
beharrlich sogar, wie Friedrich II., den Götze als knallrote Kontur mit | |
Gaul auf einem ebenso knallroten Sockel vor Schloss Neuhardenberg | |
platziert. So ist er zu ertragen, der alte Preuße – ebenso wie die anderen | |
Nationalsymbole, die Götze reflektiert, despektierlich, mit Ernst und Humor | |
umarbeitet zu seiner hochreflektierten Treibgutkunst. | |
Bei Götze sieht alles auf den ersten Blick schön aus – und „Schön“ ste… | |
auch groß auf neuesten Bildern, von denen eines in der aktuellen | |
Ausstellung zu sehen ist. In „Schön III“ liegt im Vordergrund eine Frau im | |
luftigen Blumenkleid, doch was sich hinter ihr erhebt, ist eine Betonwüste | |
aus schiefen, weggekippten Quadern, eine Art Friedhof der | |
Antikuschelbauten. Wo steckt hier die Schönheit, scheint das Ölgemälde zu | |
fragen und gleichzeitig vor der allzu naheliegenden Antwort zu warnen. | |
Denn Moritz Götzes Popart, in dem programmatischen „Weg aus der Moderne“ | |
oder in „Allegorie auf die Teilung“ (2009), ist für jeden weiteren guten | |
Gedanken offen. Ob er angesichts seiner Erfolge und zunehmender Bekanntheit | |
noch bezahlbar sei, lautet die abschließende Frage. Geradezu entrüstet | |
kommt die Antwort: „Aber klar.“ Kleine Emaille-Arbeiten gibt es für wenige | |
hundert Euro. Die großformatigen Gemälde, die entstanden sind, nachdem er | |
sich im Jahr 2000 ein größeres Atelier leisten konnte, kosten dann 15.000. | |
## Moritz Götze, "Deutsche Kunst", Galerie Rothamel, Frankfurt a. M. bis 2. | |
Juni; Katalog Hasenverlag, 163 Seiten, 20 Euro | |
3 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Mario Scalla | |
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