# taz.de -- Kolumne Fernsehen: Publikum konsequent dezimiert | |
> Ich bin selbst gerade ein bisschen überrascht darüber, wie hart ich mit | |
> Schmidt ins Gericht gehe. Ein bisschen enttäuschte Liebe ist wohl im | |
> Spiel. | |
Die selbst ernannte Mediennutte hat einen Freier. Nach dem Rausschmiss bei | |
Sat.1 wird Harald Schmidt nun also vom September an drei Mal die Woche | |
seine Scherze bei und wohl auch mit seinem neuen Arbeitgeber Sky | |
Deutschland treiben. Schmidts künftiger Oberboss heißt Rupert Murdoch – da | |
wird ihm schon was einfallen. | |
Denn einen Harald Schmidt kann man zwar engagieren, kaufen kann man ihn | |
nicht. Der Deal ist klar: Ihr gebt mir einen Sendeplatz, aber bitte nicht | |
öfter als drei Mal die Woche, und ich mache damit, was ich will. Wenn es | |
für den Freier gut läuft, gucken sogar ein paar Leute zu (der Pay-TV-Sender | |
Sky wird in dieser Hinsicht noch viel genügsamer sein müssen als zuletzt | |
Sat.1). | |
Wer das Interview mit seinen früheren Sidekicks Herbert Feuerstein und | |
Manuel Andrack im aktuellen Spiegel liest, verliert jeden Zweifel daran, | |
dass Schmidt die Sonne seines Universums ist. In seiner Welt ist er der | |
Größte – und die Hymnen der Feuilletons in den vergangenen Jahren, für | |
seine Playmobilspielchen oder den inszenierten Stromausfall, waren sicher | |
keine Lektionen in Demut. „Schmidt ist kein Mensch“, sagt Feuerstein, sein | |
ehemals treuer Vasall in dem Interview, das zwischen Verneigung und | |
enttäuschter Liebe schwankt. | |
Ich bin selbst gerade ein bisschen überrascht darüber, wie hart ich mit | |
Schmidt ins Gericht gehe. Dabei hat er mich anders als Andrack und | |
Feuerstein nie runtergemacht oder rausgekegelt. Aber ein bisschen | |
enttäuschte Liebe ist wohl trotzdem im Spiel. Das so demonstrative | |
Desinteresse an allem und jedem, nicht zuletzt an seiner Show, zu | |
allerletzt an sich selbst, hat irgendwann begonnen, mich anzuwidern – ja, | |
ich glaube, so deutlich kann man das sagen. | |
Schmidts Genie ist immer seltener aufgeblitzt, schwebt als Behauptung aber | |
nach wie vor über allem, was er tut, und sei es auch nur ein fades | |
Kaffeekränzchen mit Olli Dittrich. Der war bei Sat.1 zuletzt ständig da, | |
weil Schmidt ihn offenbar besser verträgt als die Gäste, die seine | |
Redaktion sonst so eingeladen hat. | |
Die größte Kränkung für Schmidts Ego war es laut dem Spiegel-Interview, | |
dass er als „Verstehen Sie Spaß?“-Moderator durchfiel. Ein Zyniker wollte | |
de Massen unterhalten – aber die Massen wollten sich nicht von einem | |
Zyniker unterhalten lassen. Hat ihn das traumatisiert? Jedenfalls arbeitet | |
Schmidt seitdem – und das ist nur geringfügig verkürzt – konsequent an der | |
Dezimierung seines Publikums. | |
Der von den Worten „Late Night bei Sky – für mich der Himmel auf Erden“ | |
begleitete jüngste Wechsel kann als bisheriger Höhepunkt dieses Sinkflugs | |
gelten. Die Selbstabschaffung Harald Schmidts tritt damit in eine neue | |
Phase ein – vielleicht die finale. Was kommt danach? Offener Kanal? | |
Betriebsfeste? Aber wahrscheinlich kommt doch alles ganz anders. Denn, und | |
das muss man Schmidt lassen, für eine Überraschung ist er immer gut. | |
Während Andrack im Spiegel-Interview vom Montag nicht vor Juni 2013 mit der | |
Rückkehr seines früheren Chefs rechnet, wenn überhaupt, sagt Feuerstein: | |
„Ich bin Atheist. Aber an Schmidts Wiedergeburt glaube ich.“ Nur einen Tag | |
später wurde diese Prophezeiung wahr. | |
3 May 2012 | |
## AUTOREN | |
David Denk | |
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