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# taz.de -- Pseudo-Info-Dialog zum Fracking: Entscheidende Fragen nicht gestellt
> Der Gasfördertechnik Fracking widmete der Energiekonzern Exxon-Mobil
> einen groß angelegten "Info-Dialog". Daran allerdings war vieles kaum
> mehr als Kosmetik.
Bild: Sagt, er könne die Sorgen der Bürger "gut verstehen": Exxon-Mobil-Europ…
OSNABRÜCK taz | Schließlich waren alle irgendwie stolz und zufrieden. Man
war gefragt worden, hatte mitreden dürfen. Fachbegriffe wie
„unkonventionelles Gas“, „Fracking“, „Lagerstättenwasser“ und
„Clusterbohrung“ gingen inzwischen wie selbstverständlich über die Lippen.
Die Beteiligten zollten Respekt: dem hohen Einsatz der Wissenschaftler, der
großen Professionalität – und dem beträchtlichen Budget, das der
Energiekonzern Exxon Mobil für seinen einjährigen „Info-Dialog“ zur
Verfügung gestellt hatte. Dieser wurde vergangene Woche in Osnabrück mit
einer großen Tagung zu Ende geführt.
Wie aber funktionierte der Informations- und Dialogprozess genau? Wie
beeinflusste da ein Konzern durch geschickte Kommunikation Prozesse der
politischen Willensbildung, so dass eine als hoch riskant angesehene
Technologie in einem günstigen Licht, die letzte fossile Party salonfähig
erscheinen konnte?
Genau eine Woche später gab Exxon am gestrigen Donnerstag Planungen für
neue Bohrungen in Niedersachsen bekannt: in der Samtgemeinde Artland im
nördlichen Osnabrücker Land. Aber wie passen diese Meldung – Exxon will
weiterhin fracken – und der Tenor des „Info-Dialogs“ – Exxon ist
zurückhaltend, beugt sich dem Votum neutraler Wissenschaftler – eigentlich
zusammen?
Der Versammlungen zur Information und zum Dialog, die über ein Jahr lang
regelmäßig veranstaltet wurden, wirkten erstmal transparent. Auch zur
Eröffnung der Abschlusskonferenz legte Prozessbegleiterin Ruth Hammerbacher
gleich offen, dass Exxon-Mobil das gesamte aufwändige Verfahren bezahlt
habe. Und konnten die Wissenschaftler denn auch unabhängig arbeiten?
Ja, Exxon habe auf jede inhaltliche Einflussnahme verzichtet. Bewusst habe
man nach Experten gesucht, die noch nie für die Erdöl- oder Erdgasindustrie
gearbeitet hätten. Zudem habe es eine Begutachtung ihrer Arbeit durch
andere Wissenschaftler, eine „Peer Review“ gegeben. All das habe, nochmals,
Exxon großzügig bezahlt. Wenn sich aber einer großzügig zeigt – wer will …
kleinkariert dastehen und unlautere Absichten unterstellen? Großzügigkeit
weckt Sympathien.
Sicher gehört es zum guten Ruf von Wissenschaftlern, unabhängig und
kritisch zu sein. Aber es bleibt die Frage, ob das knapp 40 Personen
umfassende interdisziplinäre Team unter Leitung von Dietrich Borchardt,
Professor am Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, wirklich ein
„Neutraler Expertenkreis“ sein konnte: Wie frei ist man, wenn der
Auftraggeber wirtschaftliche Interessen hat und gut bezahlt? Es ist nur
menschlich, ihm ein wenig entgegenzukommen und ihn nicht vor den Kopf zu
stoßen – etwa durch eine generelle Ablehnung von Fracking.
Die Wissenschaftler waren durchaus nicht unkritisch. Aber ihre Sprache war
oft schönfärberisch und verschleierte. Untersuchungsergebnisse, die der
Fracking-Methode eigentlich ein vernichtendes Zeugnis ausstellen, nannten
sie „eine neue Dimension von Risiken“. Das klingt modern. Auch die
miserable Energie- und Klimabilanz von unkonventionellem Gas – so schlecht
wie die von Braunkohle – wurde im Kapitel „Forschung und Entwicklung“ zum
Schluss nur kurz erwähnt. „Das Wissen um diese Fragestellung ist
erstaunlich gering“: Derart weichgespült kommentierte Borchardt die Frage
eines kommunalen Umweltreferenten nach dem ungewollten Entweichen des
Klimakillergases Methan durch Fracking.
Der Expertenkreis bejahte die Fracking-Technologie und hält sie für
kontrollierbar. Die Wissenschaftler gaben Empfehlungen, einige Gebiete
auszulassen – etwa zum Schutz des Trinkwassers oder wegen dort vorhandener
kritisch gespannter Tektonik. In Gebieten, auf die solche
Ausschlusskriterien nicht zutreffen, könne man in „Demonstrationsvorhaben“
die Fracking-Technologie aber wieder einsetzen. Freilich: nur ganz langsam
und vorsichtig.
Das wirkt seriös. Aber ist Vorsicht wirklich möglich bei einer Technologie,
die mit Unmengen von Wasser und Chemikalien die Struktur der Erde tief im
Untergrund zerstört? Die nicht nur Gas nach oben befördert, sondern auch
Schwermetalle und sogar Radioaktivität? Mit dem Segen der Wissenschaftler
kann Exxon-Mobil nun weitermachen. Das ist der Dienst des „neutralen
Expertenkreises“.
Wir reden miteinander, und alle sind dabei gleichberechtigt: Diese Illusion
inszenierte der „Info-Dialog Fracking“ mit großem Aufwand. Exxon-Chef
Gernot Kalkoffen bedankte sich mehrfach bei all jenen, die sich ein Jahr
lang den Mühen des Dialogs gestellt und jetzt zur Abschlusskonferenz
angereist waren. „Ich kann sie gut verstehen“, sagt er, wenn er über die
Sorgen der Bürger um ihr Trinkwasser sprach. Und dass Exxon sich an die
Empfehlungen und Beschränkungen halten werde, die die Wissenschaftler
festgelegt hätten: „Wer A sagt, muss auch B sagen.“ Exxon will also einen
verantwortungsvollen Umgang mit der neuen Technik – das ist zumindest die
Botschaft.
Manch einer liebt Bauchpinseleien. Die lieferte der „Info-Dialog“ zum
Fracking, professionell und reichlich: Wann sonst kann, sagen wir: der
Bauer aus einem kleinen Dorf, der Bürgermeister aus einer unbedeutenden
Amtsstube mit einem derart hochrangigen Professor reden? Wann sonst
begegnet man solch mächtigen Managern, kann mit ihnen plaudern oder mal
einen Scherz wagen – vor Publikum? Wo es derart freundlich zugeht, alle
zugewandt und aufgeschlossen sind – da kann Fracken doch so schlimm nicht
sein, oder?
Manipulativ wirkte der Exxon-Dialog wesentlich auch dadurch, dass über
entscheidende Fragen gar nicht erst gesprochen wurde: Die Machtfrage etwa
wird in diesem Zusammenhang nicht gestellt. So gibt das noch aus Kaiser
Wilhelms Zeiten stammende Bergrecht der Gewinnung von Rohstoffen stets den
Vorrang vor allem anderen. Es kennt keine Umweltprüfung und keine
Bürgerbeteiligung.
Dieses Bergrecht nun sei „verbesserungsfähig“ und um Umweltgesichtspunkte
zu „erweitern“, heißt es lapidar und auch erst auf Nachfrage. Verschwiegen
wird dabei, in welchem Maße Exxon und anderen Energieunternehmen von diesem
vordemokratischen Gesetz profitieren – und wie sie seine zeitgemäße Reform
durch erfolgreiche Lobby-Politik verhindern.
Exxon setzt beim „Info-Dialog“ den gesamten Rahmen und beeinflusst die
zulässigen Fragestellungen. „Wir haben nicht über Energiepolitik
gesprochen“, sagt Moderatorin Ruth Hammerbacher am Ende der Tagung. Kein
Zufall. Denn „wir“ sollten uns ausschließlich mit Fracking beschäftigen.
Grundsätzliche Fragen hörte man nur einmal, von Manfred Lück, einem Arzt
aus dem Münsterland: Brauchen wir das Gas, das im Gestein tief unter der
Erdoberfläche fest gebunden ist? Sollten wir unseren Energiebedarf nicht
besser aus regenerativen Quellen decken anstatt aus den letzten, schwer
zugänglichen fossilen? Und wem nützt diese Gasförderung?
Aber da hatten sich die Reihen der Abschlussveranstaltung schon gelichtet,
waren Presse und Kamerateams wieder abgezogen. Weder einer aus dem
„neutralen Expertenkreis“ noch ein Manager von Exxon gab eine Antwort.
Diese Fragen sprengten den beschränkten Rahmen. Endlich. Einen Moment lang
öffnete sich in der Stadthalle Osnabrück die Tür.
3 May 2012
## AUTOREN
Gunhild Seyfert
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