# taz.de -- Serien-Darsteller Simon Licht über Dünkel: „Das ist für mich S… | |
> Darsteller können sich keine Allüren mehr leisten, sagt Simon Licht. Der | |
> Schauspieler aus „Baader Meinhof Komplex“ ist jetzt in der neuen | |
> Telenovela „Wege zum Glück“ zu sehen. | |
Bild: Simon Licht ist davon überzeugt, dass Rollen ihn finden, nicht umgekehrt… | |
taz: Herr Licht, am 11. April waren Sie in dem ARD-Mittwochsfilm „Lösegeld“ | |
zu sehen, am Montag startet die ZDF-Telenovela „Wege zum Glück – Spuren im | |
Sand“. Welche der Rollen ist Ihnen lieber? | |
Simon Licht: Beide. Das eine ist für sein Format genauso gut gemacht wie | |
das andere. So stolz ich auf die Zusammenarbeit mit dem | |
„Lösegeld“-Regisseur Stephan Wagner und meinem Partner Misel Maticevic bin | |
– das ist obere Liga. So wichtig ist es mir auch, keine Berührungsängste zu | |
haben. Nachdem ich den Horst Mahler im „Baader Meinhof Komplex“ gespielt | |
habe, war ich 35 Folgen lang in der ARD-Telenovela „Rote Rosen“ dabei. Ich | |
bin Schauspieler und habe mir ein möglichst breites Portfolio erarbeitet. | |
Diversität macht schließlich meinen Beruf aus. So halte ich es auch in der | |
Pressearbeit: Vor einer Woche etwa habe ich dem Goldenen Blatt ein | |
Interview gegeben und saß mit der Kollegin genauso gern, ausgiebig und | |
professionell zusammen wie jetzt mit Ihnen. | |
Keine Angst vor dem, was das Goldene Blatt sich daraus zurechtdichtet? | |
Nein. Ich weiß ja auch nicht, was Sie daraus machen. Die Wahrheit über mich | |
wird man auch in diesem Interview nicht finden. Über meine vermeintlichen | |
Fetische etwa werde ich auch mit Ihnen nicht sprechen – nicht aus bösem | |
Willen, sondern aus Selbstschutz. Ich bin ja kein Vollpfosten, weiß, was | |
ich sage und was ich besser für mich behalten sollte. Den Rest kann ich | |
sowieso nicht beeinflussen – da kommt die Gelassenheit mit dem Älterwerden. | |
Ich habe schon zu viel Zeit darauf verschwendet, mich über Journalisten | |
aufzuregen. Natürlich wünsche ich mir, dass in diesem Interview ein ganz | |
tolles Bild von Simon Licht entsteht, aber wenn nicht, kann ich das auch | |
nicht ändern. So ähnlich wie bei den Rollen: Ich wollte immer | |
Schwiegermutters Liebling sein, habe aber auch wegen meines äußeren | |
Erscheinungsbildes schon früh ältere, eher fiese Männer gespielt. Von zwei | |
Brüdern war ich immer der mit den Leichen im Keller. Wie charmant und | |
witzig ich sein kann, konnte ich erst durch „Stromberg“ zeigen. Erzwingen | |
lässt sich das aber nicht: Ich bin überzeugt davon, dass Rollen dich finden | |
und nicht du sie – selbst wenn du dich totsuchst. | |
Gab es einen Schlüsselmoment, der Sie animiert hat, die ganze Bandbreite | |
zwischen Telenovela und Kinofilm zu bedienen? | |
Ja, das war schon „Rote Rosen“. Vorher hatte ich „Polizeiruf 110“ gemac… | |
wo es aber durch den Tod meines Partners Jörg Huber nicht weiterging. Dann | |
kam das Angebot für „Rote Rosen“, und ich dachte mir, ach, was soll’s, f… | |
35 Folgen kannst du das doch mal ausprobieren. Da kam mir mein Pragmatismus | |
zugute. Ich war nie der Künstlertyp mit dem Antrieb, das System zu | |
verändern. Ich war in der Schulzeit Leistungssportler, Mitglied der | |
Fechtnationalmannschaft und bin Schauspieler geworden, weil mein | |
Deutschlehrer Herr Grüne mich in die Theater-AG eingeladen hat und es mir | |
nach dem Abi der reizvollste Job zu sein schien. Also habe ich, als ich | |
einen Kumpel in Wien besucht habe, spontan an der Schauspielschule | |
vorgesprochen und bin tatsächlich gleich genommen worden. Eigentlich wollte | |
ich aber immer Arzt werden. | |
Hatten Sie nie Bedenken, durch Ihre Telenovela-Engagements als Schauspieler | |
nicht mehr ernst genommen zu werden? | |
Doch, hatte ich, zumindest bei „Rote Rosen“. Das gebe ich ganz offen zu. | |
Aber bei „Wege zum Glück“ jetzt war die Resonanz durchweg positiv. Nicht | |
ein einziger Kollege hat gesagt: Bist du behämmert? Das Business hat sich | |
sehr verändert in den letzten 20 Jahren, es wird viel weniger produziert | |
als zu meinen Anfängen. Damals, und ich kann wirklich schon von damals | |
sprechen, war die Auswahl größer, aber auch die Beliebigkeit. Die Zeiten, | |
in denen man sich als Schauspieler diesen Dünkel leisten konnte, sind heute | |
definitiv vorbei, es sei denn natürlich, es reicht dir, alle drei Jahre mal | |
einen Film zu drehen. Das ist hochrespektabel, kommt aber für mich nicht in | |
Frage. Auch ich habe einen Mietherren, muss Geld verdienen, aber vor allem | |
will ich meinen Beruf ausüben. Und Dominik Graf ruft bestimmt nicht an, | |
weil er gehört hat, dass ich gerade eine Telenovela abgesagt habe. „Wege | |
zum Glück“ ist für mich Schauspielerei 2012. Und ich stehe dazu. | |
Haben Sie je bereut, das Berufsziel Arzt aufgegeben zu haben? | |
Klar, in Saure-Gurken-Zeiten habe ich mich verflucht, nicht Chirurg oder | |
Orthopäde geworden zu sein, keine finanzielle Sicherheit zu haben, was auch | |
einer der Gründe ist, warum ich bis heute keine Familie gegründet habe. | |
Durststrecken gehören zu unserem Beruf. Ich habe zum Beispiel vorm „Baader | |
Meinhof Komplex“ etwa anderthalb Jahre keine Angebote bekommen. Nichts, gar | |
nichts. Und dann kam plötzlich aus dem Nichts dieses Riesending auf mich | |
zu. Und danach ist meine Karriere zwar nicht explodiert, ging aber seriös | |
weiter. Auch wenn es finanziell manchmal eng war: Ich musste nie kellnern, | |
war immer da. Und darauf bin ich stolz. Es gibt schließlich verdammt viele, | |
die auf der Strecke geblieben sind, auch Kollegen, die in den 90ern | |
Serienhauptrollen gespielt haben und die irgendwann das Gefühl hatten, mal | |
was anderes machen zu müssen. Und dann: aus. Ende der Vorstellung. | |
Dieses Lamento hört man oft von Schauspielern: dass sie in Schubladen | |
feststecken, die Verantwortlichen nicht den Mut haben, Sie mal anders zu | |
besetzen. | |
Den Mut werden die Verantwortlichen vermutlich nie haben. Du musst dir also | |
gut überlegen, ob du es dir leisten kannst, einen relativ sicheren, gut | |
bezahlten Serienjob aufzugeben. Das Einzige, was du dann nämlich tun | |
kannst, ist, dich zu entspannen, so gut es geht, und darauf zu warten, dass | |
die Rollen auf dich zukommen. Wenn nichts passiert, musst du irgendwann | |
eben anerkennen, dass du es vielleicht nicht bist. Mir hat es immer | |
geholfen, dass ich nicht auf ein bestimmtes Rollenfach festzulegen bin, nie | |
in nur eine Schublade gepasst habe. Und auch wenn mein Vertrag bei „Wege | |
zum Glück“ im Februar 2013 ausläuft, werde ich nicht „der Soapstar Simon | |
Licht“ sein. | |
„Wege zum Glück – Spuren im Sand“ ist der letzte Versuch des ZDF, eine | |
Telenovela zu etablieren. Spüren Sie einen besonderen Erfolgsdruck? | |
Nicht vonseiten des Senders. Der ist hochzufrieden mit unserer Arbeit. Den | |
Druck mache ich mir selber, weil ich es als Schauspieler und eifriger | |
GEZ-Zahler wichtig finde, dass dieser Fiction-Sendeplatz bleibt. Das | |
fiktionale Programm ist momentan eine aussterbende Spezies. Talentshows | |
oder gecastete Dokusoaps sind billiger und schneller zu produzieren. Ohne | |
Geschichten filmisch zu erzählen, entheben wir uns unserer eigener | |
Lebensgrundlage. In dem Fall steht auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen | |
für den Auftrag, diese Programmform zu erhalten. | |
Was ist die größte Umstellung bei der Arbeit an einer Telenovela? | |
Der Faktor Zeit. Bei „Wege zum Glück“ drehen wir 41 Sendeminuten an einem | |
Drehtag. Das ist Schwerstarbeit, zehn, elf Stunden am Tag, unfassbare | |
Textmengen und ein enormes Arbeitstempo. Dieses Marathon funktioniert nur, | |
weil alle Beteiligten hochprofessionell bei der Sache sind. Das muss man | |
anerkennen – auch wenn man selbst privat um 16.15 Uhr vielleicht nicht | |
einschalten würde. Umso frappierender finde ich die Machart deutscher | |
Vorabendkrimiserien, die immerhin sechs Tage Zeit für eine Folge haben. | |
Gegenüber unserer Arbeit bei „Wege zum Glück“ ist da nicht ansatzweise der | |
Qualitätssprung erkennbar, der angesichts von deren Zeit und Budget | |
sichtbar sein müsste. Ich darf gar nicht drüber nachdenken, wie viele tolle | |
Fernsehfilme man von dem Geld machen könnte! Manche Kollegen wissen | |
wahrscheinlich überhaupt nicht, was für ein Luxus es ist, so zu arbeiten. | |
Bei „Lösegeld“ hatte ich dieses Luxus, wir hatten eine Nacht lang Zeit, um | |
einen Wald auszuleuchten. Bei einem so präzisen Regisseur wie Stephan | |
Wagner ist es erst gut, wenn es gut ist. Bei „Wege zum Glück“ können wir | |
uns nicht totfrickeln, wir müssen auch mit nicht hundertprozentig gelungen | |
Szenen leben, weil wir keine Zeit haben, den Take zu wiederholen. Sich auch | |
mit dem Vergurkten zufrieden zu geben, muss man bei dieser Arbeit lernen. | |
Die Herausforderung ist es, das Optimum aus den Möglichkeiten | |
herauszuholen. | |
Klingt freudlos. Gibt es denn auch einen Kick daran, in einer so kurzen | |
Zeitspanne so viel zu drehen? | |
Harte Frage. Wenn ich jetzt Nein sage, klingt das zu negativ. Man lernt das | |
kleine Glück zu schätzen. Ich freue mich maßlos drüber, wenn in der Kürze | |
der Zeit Momente glücken. Das merkt nämlich auch der Zuschauer, da bin ich | |
sicher. | |
Aber die Befriedigung ist bei Kino- und Fernsehfilmen größer? | |
Nee, darauf nageln Sie mich nicht fest. Das stimmt so auch nicht. Natürlich | |
ist es toll, Filme zu drehen, Perfektion anzustreben. Aber es ist doch auch | |
eine Befriedigung, sagen zu können: „We did it“. Wir haben das weggerockt | |
und dabei eine ansprechende, auch mich selbst zufriedenstellende Leistung | |
erbracht. Vor etwa vier Wochen hatten wir ein Teamscreening der ersten | |
beiden Folgen mit Würstchen und Bier, vor dem ich mich eigentlich drücken | |
wollte. Ich hatte Schiss, habe mich dann aber gefragt: Du feige Socke, | |
wovor hast du Angst? Vor mir selber natürlich und davor, meinen Ansprüchen | |
nicht gerecht geworden zu sein. Aber ich bin hingegangen und es wurde ein | |
schöner Abend mit einem tollen Gemeinschaftsgefühl. Und was ich gesehen | |
habe, war ansprechend, okay, just okay. Ich kann kaum beschreiben, wie | |
erleichtert ich war. | |
„Wege zum Glück“: 16.15 Uhr, ZDF | |
7 May 2012 | |
## AUTOREN | |
David Denk | |
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