# taz.de -- Neues „Frittenbude“-Album „Delfinarium“: Der Zucker, der di… | |
> Das Berliner Scheppertrio Frittenbude bewegt sich mit seinem neuen Album | |
> „Delfinarium“ weg vom Antifarave früher Tage. Sie klingen jetzt | |
> vielschichtiger. | |
Bild: Ein Update der Goldenen Zitronen plus elektronische Beats und minus Posts… | |
Die Frittenbude hat einen schicken neuen Anstrich bekommen. Mehr Blau, | |
weniger Rot. Mehr Grau, weniger Schwarz-Weiß. „Es ist unser bisher | |
verkopftestes Album“, sagt Johannes Rögner, „die Texte sind verspielter, | |
das Sloganizing ist weniger geworden.“ | |
Rögner sitzt in einem Café in einer ruhigen Ecke Berlin-Neuköllns, nippt an | |
einem Milchkaffee. In der Warteschleife bis zum offiziellen Erscheinen von | |
„Delfinarium“ am Ende dieser Woche sind er und die Band leicht angespannt. | |
„Vor allem, weil wir endlos an den Stücken herumgefeilt haben“, sagt der | |
30-Jährige. | |
Rögner, ist Texter und Leadsänger des Elektro-Indie-HipHop-Trios | |
Frittenbude, das – früher undenkbar – seit nunmehr sechs Jahren für linke | |
Inhalte genauso wie für Exzess und Party steht. Der Auftrag war klar: Auf | |
den ersten beiden Alben feierte Frittenbude das Feiern – mit Album Nummer | |
drei fragt sich die Band nun, wo er hin ist, „dieser Zucker, der die | |
Straßen verklebt“. So beschreiten Rögner und seine Mitstreiter, Gitarrist | |
Martin Steer, 26, und Soundtüftler Jakob Häglsperger, 27, auf „Delfinarium�… | |
vorsichtig neue Wege. | |
„Wobei ich nicht sagen würde, dass das ein Bruch ist“, sagt Rögner, „wir | |
haben uns eben weiterentwickelt. Wär ja auch komisch, wenn nicht.“ Das neue | |
Werk ist dabei Reflexion bisherigen Wirkens und Bestandsaufnahme dessen, | |
wie man als Band noch politische Inhalte transportieren kann, wenn die | |
wichtigsten Claims bereits abgesteckt sind. | |
Die 15 Tracks auf „Delfinarium“ sind so zunehmend von Zweifeln und | |
Uneindeutigkeit geprägt. Zwar dürfen da noch Songzeilen wie „Hallo | |
Deutschland / Du fühlst dich immer noch so deutsch an“ im Song „Deutschland | |
500“ stehen, gleichzeitig aber mehren sich die Zeichen politischer und | |
privater Ernüchterung: „Es gab nie ein Dagegen /Nur unser klammheimliches | |
Elend“. | |
Der Band ist die Entwicklung zu komplexeren Strukturen – musikalisch wie | |
textlich – hörbar gut bekommen. Neben der weiterhin präsenten Einladung zum | |
politischen Rave hört sich das mitunter wie ein Update der Goldenen | |
Zitronen an, plus elektronische Beats und minus Poststrukturalismus. | |
Daneben gibt es melancholischere Indienummern wie „Wings“, die Frittenbude | |
so radiotauglich wie nie zuvor zeigen – ohne Qualitätsverlust. Im | |
Gegenteil. „Ich steh ja eigentlich überhaupt nicht auf dieses eingängige | |
Zeugs“, sagt Rögner, „aber manchmal muss man sich auch von den anderen | |
überzeugen lassen.“ | |
## Politischer Rave | |
Frittenbude haben mit „Delfinarium“ auch ihr erstes Band-Album aufgenommen, | |
die Stücke sind zusammen im Studio entstanden und nicht nach und nach von | |
einzelnen Mitgliedern komponiert. „Seit wir in Berlin sind, leben wir auch | |
alle zum ersten Mal in der gleichen Stadt“, sagt Rögner. Anfang 2011 zogen | |
die aus verschiedenen Teilen Bayerns stammenden Musiker in die Hauptstadt. | |
Das letzte halbe Jahr über arbeitete die Band in einem Aufnahmestudio in | |
Berlin-Lichtenberg nonstop während einer 35-Stunden-Woche an der Musik. | |
Neben offensichtlichen Einflüssen von DJ-Bands wie Soulwax oder dem | |
Agitprop-Elektro von Das Bierbeben hört man aus den neuen Frittenbude-Songs | |
vor allem die Vorlieben für Musiker heraus, die für Schubladen genauso | |
wenig übrig haben wie sie selbst. Das wären Künstler wie der | |
US-Experimentalrapper Gonjasufi oder die Kalifornier von Why?, die sich an | |
einer Symbiose aus HipHop und Postrock versuchen. Die Vielfalt der | |
Einflüsse – auch die drei unterschiedlichen Zugänge zum Songwriting – mac… | |
sich verstärkt auf „Delfinarium“ bemerkbar. Klangteppiche stehen neben | |
klaren, einfachen Beats, harter Sprechgesang neben mehrstimmig gesungenen | |
Refrains. | |
Auch das dritte Album veröffentlichen Frittenbude wieder beim Hamburger | |
Indielabel Audiolith. Die sind so etwas wie ein Sammelbecken für linken | |
subversiven Elektrosound. Mit Bands wie Egotronic, den Schweizern | |
Saalschutz oder eben Frittenbude sind Audiolith und dessen Betreiber Lars | |
Lewerenz seit Bestehen 2003 stilbildend für dieses Genre. | |
Um das Label herum entstand über die Jahre ein weit verzweigter | |
Freundeskreis, der zusammen feiert und Nazis verkloppt – so ungefähr. Die | |
Promo-Version des neuen Frittenbude-Albums ist passenderweise mit einer | |
„Alerta, Alerta“-Tonspur versehen. Eingesprochen von Oma Lonny, die das | |
Zeug zum Labelmaskottchen hätte. | |
Zum Zugpferd des Labels könnten – vorausgesetzt sie machen so konzentriert | |
weiter – Frittenbude aufsteigen. Trotz weniger plakativer Texte ist man | |
meilenweit von Anbiederei oder einer Indie-Selbstzufriedenheit entfernt. | |
Wer die Bösen sind, wer die Guten, weiß man schon noch ziemlich genau – und | |
tendiert im Zweifel immer zur Direktheit. „Wir freuen uns ja, in der | |
Position zu sein, den Leuten Dinge vermitteln zu können“, sagt Rögner. | |
„Wenn ich einen Song komponiere, in dem ich die Leute auffordere, ihr Leben | |
in die Hand zu nehmen und nicht nur vorm Rechner zu sitzen und Videos zu | |
verlinken, dann will ich damit ja auch was erreichen.“ So gibt es im | |
Frittenbuden-Kosmos auch Worte für die Egos in neoliberal organisierten | |
Gesellschaften. | |
## Geld verbrennen | |
Wenn Rögner rappt, dass das „Erzählte reicht / nicht das Erreichte zählt�… | |
spricht das für sich. Und seine Überlegung, „bewusstlos alles Geld | |
verbrennen“, weckt Assoziationen zur publikumswirksamen Geldverbrennung des | |
britischen Pop-Künstlerduos KLF. | |
Frittenbude aber können nur in Songzeilen Geld verbrennen, überschüssiges | |
Bares für Kunstaktionen haben sie nicht. „Wir können aber immerhin von den | |
Konzerten, die wir spielen, leben“, sagt Rögner. Nicht aber vom Tonträger- | |
und Dateiverkauf. „Wir kennen das gar nicht anders“, sagt der Sänger der | |
2006 gegründeten Band, die ihre Umsätze schon immer mit Konzerten und | |
Merchandising machte. | |
Generell sieht Rögner das Musikmachen in Zeiten von Web 2.0 optimistisch im | |
Sinne von Punk: „Du brauchst kein Label, kein Booking, keine Promo mehr“, | |
sagt er, „niemandem steht mehr irgendetwas im Wege.“ Dies funktioniert | |
natürlich nur bis zu einem bestimmten – eher niedrigen – Level. Ist eine | |
Band darüber hinaus, geht es ohne professionelle Strukturen nicht. | |
Schließlich profitiert auch Frittenbude von der Wühlarbeit ihres Labels | |
Audiolith. | |
Mal sehen, wie das mit den Widersprüchen weitergeht: Wenn sie so | |
konzentriert an ihrer Musik basteln wie bisher, steht dem Durchbruch wenig | |
im Wege. „Delfinarium“ deutet bereits Großes an. Dass sie intelligente | |
elektronische Musik machen können, haben sie bewiesen – nun können sie | |
langsam den Weg zum Thron im deutschsprachigen Elektro/HipHop beschreiten. | |
Spannend wird es sein, ihnen dabei weiterhin zuzuhören. | |
## ■ Frittenbude: „Delfinarium“ (Audiolith/Broken Silence) | |
8 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Jens Uthoff | |
Jens Uthoff | |
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