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# taz.de -- Finale Europa League: Spanien ist eben anders
> Die Finalpaarung zwischen Atlético Madrid und Athletic Bilbao scheint die
> Dominanz Spaniens im Klubfußball zu belegen. In der Liga herrscht oft das
> Chaos.
Bild: Die Spieler von Athletic Bilbao während einer Schweigeminute. Sonst ist …
Eines Freitags im März stieg Álvaro Cervera als Trainer des spanischen
Zweitligisten Recreativo Huelva in den Mannschaftsbus, um zu einem
Auswärtsspiel zu fahren. Als er ausstieg, war er Trainer des Erstligisten
Racing Santander. Kaum hatte sich der Bus in Bewegung gesetzt, hatte
Cervera einen Anruf bekommen, seinem Wechsel nach Santander stehe nichts
mehr im Wege.
Der Trainer sagte den Fußballern, er sei dann mal weg und stieg aus. Der
Bus fuhr weiter zum Auswärtsspiel. Angesichts des innerspanischen Endspiels
in der Europa League zwischen Atlético Madrid und Athletic Bilbao am
heutigen Mittwoch in Bukarest wird die spanische Primera División wieder
häufig die stärkste Liga der Welt genannt.
Doch Episoden wie jene vom Trainer, der im Bus den Verein wechselte,
untermauern, dass sie sich des Öfteren auch skurrilste Liga der Welt nennen
lassen darf. Nicht selten steht die einmalige Klasse des spanischen Spiels
im direkten Widerspruch zum Gestöpsel und Gemauschel der Liga.
Fünf spanische Teams mischten sich diese Saison unter die acht
Halbfinalisten der zwei Europapokalwettbewerbe, doch die Fans dürfen es als
größten Erfolg sehen, dass im Jahr 2012 die Anstoßzeiten der Primera
División endlich drei Wochen im Voraus festgelegt werden. Bis zu dieser
Saison wusste man oft montags noch nicht, wer samstags oder sonntags
spielte.
## Zwei Seiten des spanischen Fussballs
Nationaltrainer Vicente del Bosque mahnt in seiner Saisonbilanz ein wenig
mehr Seriosität an: „Wir tun unserem Fußball keinen Gefallen, wenn Vereine
ihre Rasenplätze absichtlich in schlechten Zustand bringen oder Bälle aufs
Spielfeld werfen, um bessere Chancen zu haben.“
Die Europa-League-Finalisten Atlético und Athletic verkörpern just auch die
zwei Seiten des spanischen Fußballs. In der Europa League, dem kleinen
Europacup, triumphiert im besten Fall die Mittelklasse mit Innovation und
Enthusiasmus über das Geld, und Athletic Bilbao fügt sich vorbildlich in
diese Tradition. Es ist die Elf, die niemals stillsteht.
In selten erreichter Geschlossenheit wechselt sie rollend zwischen Angriff
und Abwehr, so wie es sie ihr argentinischer Trainer Marcelo Bielsa gelehrt
hat. In ihrem Spiel tauchen nichtsdestotrotz die höchsten spanischen Werte
auf: in der Ausbildung, in Taktik und Trainingslehre setzen spanische Klubs
fundamentaler als alle anderen auf die Technik am Ball und das
Zusammenspiel.
Auch gibt es kaum ein Land, in dem junge Spieler und Trainer so
selbstverständlich ihre Chance in der Ersten Liga erhalten. Athletic hat
die Weltmeister Javi Martínez und Fernando Llorente sowie Hoffnungsträger
Iker Muniain, der mit dem Ball tanzt, selbst großgezogen.
## 155 Millionen Euro Schulden
Atlético Madrid ist auch Spitze, allerdings im Schuldenmachen. Allein 155
Millionen Euro an Steuern und Sozialabgaben schuldet Atlético dem Staat. In
anderen Ländern hätte das längst zu Pfändung und Zwangsabstieg geführt, in
Spanien hieß es bislang bloß: Aber es ist doch Atlético!
Es sind doch unsere Fußballklubs. Im Sommer verkaufte Atlético seinen
Stürmer Sergio Agüero für 43 Millionen Euro an Manchester City, zahlte
fällige Bankkredite zurück – und nahm Tage später den nächsten Kredit auf,
um für 40 Millionen Euro Radamel Falcao vom FC Porto auszulösen. So
mauschelt man sich durch.
In der sogenannten stärksten Liga der Welt beträgt der Vorsprung der ersten
zwei, Real Madrid und Barcelona, auf den Dritten sagenhafte 29 Punkte.
Jenseits von Madrid, Barcelona oder Valencia spielen Getafe, Santander,
Vallecano vor 10.000 Zuschauern in staubigen Stadien. Real Saragossa meldet
Konkurs an, bezahlt ausstehende Gehälter nicht mehr, verpflichtet aber
gleichzeitig über einen Investmentfonds die portugiesischen Nationalspieler
Fernando Meira und Hélder Postiga.
## Fünfter Triumpf in 9 Jahren
„Spanien ist anders“ ist seit 1966 ein Werbeslogan des
Tourismusministeriums. Längst hat der Spruch einen unüberhörbaren
ironischen Klang. So wird an diesem Mittwoch zum fünften Mal in neun Jahren
eine spanische Elf die Europa League gewinnen, den sportlichen
Führungsanspruch einer Fußballnation zementieren, die sich viel Exzentrik
und ein wenig Chaos gönnt.
Álvaro Cervera saß zwei Tage, nachdem er aus Recreativos Bus ausgestiegen
war, auf Santanders Trainerbank. Wenn von der stärksten Liga der Welt die
Rede ist, wird Cervera allerdings eher selten genannt. Er führte Santander
vom drittletzten auf den letzten Rang.
9 May 2012
## AUTOREN
Ronald Reng
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