# taz.de -- Kommentar Belästigungsgesetz in Frankreich: Ärgerlich und unnötig | |
> Dass sexuelle Belästigung vor 20 Jahren zu einem strafbaren Delikt in | |
> Frankreich wurde, war eine Errungenschaft. Mit der Abschaffung macht das | |
> Land einen Rückschritt. | |
Natürlich hat das Urteil des Pariser Verfassungsgerichts mit Dominique | |
Strauss-Kahn nichts zu tun. Aber dennoch: Im Zusammenhang mit den ihm | |
angelasteten Versuchen der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung sind auch | |
die in Frankreich oft als „Kavaliersdelikt“ oder „Libertinage“ unter den | |
Teppich gekehrte Zudringlichkeit von Männern und die Belästigung von Frauen | |
öffentlich debattiert worden. Statt jetzt einen Schritt weiterzugehen, | |
macht Frankreich beim Schutz der Frauenrechte nun einen Schritt zurück. | |
Dass sexuelle Belästigung schon 1992 nicht nur im Arbeitsrecht, sondern | |
auch im Strafgesetzbuch als spezielles Delikt ausgewiesen wurde, war eine | |
Errungenschaft, für die Generationen von Frauen (und Männern) gekämpft | |
hatten. Rund 80 Personen (fast ausschließlich Männer) wurden seither pro | |
Jahr dank dieses Paragrafen verurteilt. | |
Andere, so durfte man hoffen, hielten sich wenigstens aus Angst vor einer | |
Strafklage zurück. Sowohl Feministinnen wie Richter hatten aber längst auf | |
die unpräzise Formulierung im Gesetz hingewiesen, die zu viel Ermessensraum | |
ließ. | |
Für die Verfassungshüter war die Rechtsunsicherheit, der die Angeklagten | |
ausgesetzt waren, nun plötzlich wichtiger als die legitime Hoffnung auf | |
Sühne der Opfer. Indem sie der Verfassungsklage eines Manns recht gaben, | |
der selber der sexuellen Belästigung überführt und deswegen verurteilt | |
worden war, setzen sich die neun Richter berechtigter Kritik aus. Anstatt | |
das bemängelte Gesetz zu streichen, hätten sie mit Setzung einer Frist | |
seine Verbesserung verlangen können. Auch dass sie ihre Entscheidung just | |
vor der Präsidentenwahl trafen, also sichergehen konnten, dass die Presse | |
den Vorgang eher ignorieren wird, zeigt den Mangel an Interesse, sexuelle | |
Belästigung in Frankreich intensiver zu problematisieren. | |
11 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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