# taz.de -- Neue Komödie von Borat-Darsteller Cohen: Bart ab! Amt weg! Hehe! | |
> Den Möchtegernkalifen die Luft ablassen – das möchte Sacha Baron Cohen | |
> gern in seinem neuen Film „Der Diktator“. Das klappt. Wenn man das eigene | |
> Denken abschaltet. | |
Bild: Potentat? Despot? Sacha Baron Cohen als Admiral General Aladeen. | |
Das autoritär regierte Gemeinwesen Wadiya im nordöstlichen Afrika ist kein | |
Land wie aus Tausendundeiner Nacht. Dabei trägt der lokale Potentat einen | |
Namen, der auf die Märchen des Orients verweist: General Aladeen ist eine | |
schillernde Figur in jeder Hinsicht, ein Mann zwischen Harem und | |
Horrorkabinett, mit einer Lieblingsgeste, die für die besten Freunde den | |
Tod bedeuten kann. | |
Aladeen ist manchmal noch im beflissenen Gespräch mit jemandem, da macht er | |
zu seinen Untergebenen schon das Handzeichen für „Gurgel durchschneiden“. | |
Wie nennt man so einen Alleinherrscher, der über sein Land verfügt wie über | |
ein Marionettentheater? Potentat? Despot? Sultan? | |
In Sacha Baron Cohens neuer Komödie bekommt ein Titel den Vorzug, der | |
filmhistorisch stark aufgeladen ist. General Aladeen ist „Der Diktator“. | |
Nicht der große Diktator, aber auch kein kleiner, sondern einfach ein | |
besonders abgefahrener, wie man es von dem Komiker erwarten muss, der mit | |
„Borat“ und „Brüno“ dem „practical joke“ zu neuer Weltgeltung verh… | |
hat. | |
Sacha Baron Cohen hat bisher schon Kasachstan verarscht und das | |
amerikanische Heartland, er hat als Ali G Indahouse die englischen | |
Parallelgesellschaften auseinandergenommen. Nun legt er ein Tänzchen auf | |
der zentralen geopolitischen Konfliktlinie der Gegenwart hin – er macht in | |
New York, nach Meinung vieler der Hauptstadt der Welt (auch deswegen, weil | |
dort die UN ihr Hauptquartier haben), den orientalisierenden Affen. | |
## Grob verallgemeinerter Naher Osten | |
Um den Islam drückt er sich dabei allerdings weitgehend herum. Cohen und | |
seine Drehbuchautoren Alec Berg, David Mandel und Jeff Scheffer lesen den | |
heutigen Konflikt zwischen dem Westen und einem nicht nur bei Samuel | |
Huntington grob verallgemeinerten undemokratischen Nahen Osten vor dem | |
Hintergrund des 20. Jahrhunderts. | |
Dieses bot der Weltöffentlichkeit das gruselige Spektakel einer langen | |
Reihe blutrünstiger Machthaber aller Hautfarben und Denkschulen. Heute | |
hingegen agieren die Auspresser ihrer Völker vornehmlich diskret, die | |
Krokodile im Swimmingpool bekommen kaum noch zu fressen. | |
„Der Diktator“ kommt also, nach der blutigen Absetzung von Muammar | |
al-Gaddafi und Saddam Hussein (von dem angeblich die „Romanvolage“ für „… | |
Diktator“ stammt, was hier nicht überprüft werden konnte), eigentlich ein | |
wenig zu spät. Und es wird auch nicht ganz klar, worauf Sacha Baron Cohen | |
und Regisseur Larry Charles eigentlich hinauswollen – für einen bloßen | |
„Heidenspaß“ ist die Sache nicht konfus genug, für eine überzeugende | |
Zivilisationskritik fehlt es ihr aber doch eindeutig an konzeptueller | |
Schärfe. | |
Die zentrale erzählerische Idee ist eine der Aussetzung. Aladeen wird in | |
politischer Mission nach New York geladen, dort gerät er aber in eine | |
finstere Konspiration (routiniert vorgetragen von Ben Kingsley und mit | |
etwas mehr Leidenschaft von John C. Reilly), an deren Ende ihm der Bart und | |
das Amt fehlen. | |
## Sehr verquere Fürstenromanze | |
Aladeen findet sich in einer Position „nackten Lebens“ wieder, im | |
Diktatorenamt vertreten durch einen Doppelgänger, gestrandet in New York | |
ohne Papiere und ohne Nimbus. Er trifft auf ein prototypisches | |
New-York-Girl, eine Veganerin namens Zoey mit Bubikopf, die in Brooklyn | |
eine Kooperative betreibt, in der alles Gute und Richtige und vor allem | |
„Biologische“ gehandelt wird. Anna Faris spielt dieses Mädchen, das direkt | |
aus einer Serie wie „Bored to Death“ entstiegen sein könnte und das in eine | |
ganz und gar verquere Fürstenromanze gerät. | |
Denn der Fürst hält recht konsequent an seinen niederen Instinkten fest, | |
will aber wieder hoch hinaus und ist sich dafür nicht einmal für jene | |
Reformen zu schade, die eigentlich sein eigenes Amt bedrohen. Das ist | |
schräg um mehrere Ecken gedacht und wird über eine Gruppe wadiyanischer | |
Oppositioneller vorgetragen, die alle ein wenig täppisch sind („Four Lions“ | |
war da in seiner Gruppendynamik eindeutig radikaler). | |
Sacha Baron Cohen bekommt hier reichlich Gelegenheit, kulturelle Standards | |
zu unterbieten (ein wichtiger Wahlverwandter ist dabei interessanterweise | |
der jüdische Superheldenagent und Megadussel Zohan), und viele dieser | |
Szenen sind auch wirklich sehr witzig. | |
## Alles nur ein Missverständnis | |
Auf einem Hubschrauberrundflug hoch über New York kommt „Der Diktator“ ein | |
einziges Mal auf den konkreten Punkt der Missverständnisse, auf denen das | |
ganze Spektakel ruht: Aladeen betet seinem Begleiter gegenüber auf Arabisch | |
all die Sehenswürdigkeiten von New York herunter, er schwärmt geradezu; bei | |
dem amerikanischen Paar, das ihnen gegenübersitzt, klingt das alles aber | |
stark nach Anschlagsplanung. | |
Die Szene zeigt aber auch, dass Cohen und Charles sich mit ihrer Geschichte | |
einfach ein wenig verheben. Denn es sind eben doch sehr verschiedene | |
Größenfantasien, von denen ein Zeltimperialist wie Gaddafi, ein | |
Schiitenpopulist wie Ahmadinedschad oder ein Möchtegernkalif wie Osama Bin | |
Laden umgetrieben wurden und werden. | |
„Der Diktator“ versucht, diesen aktiven und ehemaligen Quälgeistern der | |
posthistorischen Profitordnung in einem knappen Zug (80 Minuten!) die Luft | |
auszulassen – und dem Westen gleich noch dazu. Das klappt so nicht. | |
Deswegen darf man nicht versuchen, bei „Der Diktator“ auch noch | |
mitzudenken. Wenn das gelingt, dann kann man sich mit diesem Film immer | |
noch ziemlich gut amüsieren. | |
■ „Der Diktator“, R: Larry Charles. Mit Sacha Baron Cohen, Anna Faris, USA | |
2012, 83 Min. | |
17 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Bert Rebhandl | |
## TAGS | |
Komödie | |
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