# taz.de -- Fortuna vs. Hertha: Sicherheitskräfte befürchteten „Blutbad“ | |
> Entsetzen auf allen Seiten: Düsseldorf versteht nicht, warum so lange | |
> nachgespielt wurde und Hertha versteht nicht, warum überhaupt | |
> weitergespielt wurde. | |
Bild: Ein Ordnungshüter „interviewt“ den Düsseldorfer Jovanovic. | |
DÜSSELDORF taz | Die Aufmachung von Tobias Levels war ausgesprochen lässig. | |
In Badelatschen, roter Sporthose und dem Aufstiegs-T-Shirt mit der | |
Botschaft „Zweite Liga war schön – Zeit für uns zu gehn“, kam Düsseldo… | |
in Mönchengladbach entliehener Rechtsverteidiger daher. | |
Betont lustlos sprach Levels darüber, dass es wegen seiner Vertragslage nun | |
„ein bisschen was zu bequatschen“ gebe – und stand dabei, passend zu den | |
bizarren Ereignissen beim Skandalspiel gegen Hertha BSC, in der Tiefgarage | |
der Arena. | |
Wenig später lehnte der blonde Abwehrmann dann nicht mehr an geparkten | |
Autos. Sondern an einer Glastür nahe der Treppe, die hinauf aufs Spielfeld | |
führt. Und mit Grausen dachte der 25-Jährige daran, was dort eine knappe | |
Stunde zuvor abgelaufen war. „Ich war einfach nur entsetzt, was für eine | |
Schande“, kommentierte Levels das Chaos, das allein dank des besonnenen | |
Schiedsrichters Wolfgang Stark nicht völlig eskalierte. | |
Die Menschenflut, die sich kurz vor Ablauf der siebenminütigen | |
Nachspielzeit von der Düsseldorfer Ecke aus über den Rasen ergoss, nahmen | |
die Gäste aus Berlin zum Anlass, einen Protest gegen die Wertung der Partie | |
in Erwägung zu ziehen. Referee Stark hatte beide Teams in die Kabine | |
geschickt und holte sie, als die Massen unter Androhung eines Spielabbruchs | |
zumindest hinter die Werbebanden gedrängt worden waren, nach 20 Minuten | |
wieder zurück. | |
## In „Todesangst“ | |
Speziell auf diesen Punkt stützt sich Herthas Argumentation. Berlin war | |
drauf und dran, das 3:2 zu erzielen und damit die Bundesligazugehörigkeit | |
zu sichern. Die eine Minute, die Stark nach der langen Unterbrechung bis | |
zum endgültigen Abpfiff dann noch nachspielen ließ, war in den Augen der | |
Gäste zwangsläufig mehr eine Farce denn eine seriöse Fortsetzung der | |
Partie. | |
„Der Schiedsrichter hat die Mannschaft nicht wegen des Fußballs auf den | |
Platz zurückgeführt, sondern nur auf Bitten der Polizei, um eine Eskalation | |
– man hat von einem Blutbad gesprochen –, zu verhindern“, erklärte | |
Hertha-Anwalt Christoph Schickhardt am Mittwochmorgen in der ARD und sprach | |
davon, die Berliner hätten sich „in Todesangst“ befunden. | |
In den Ohren von Ranisav Jovanović klingen diese Sätze wie blanker Hohn. | |
„Ich fand es unsportlich, dass die Berliner so lange in der Kabine | |
geblieben sind“, betonte Düsseldorfs Torschütze zum 2:1 und machte | |
seinerseits die gegnerische Seite als Quelle allen Übels aus. „Ich fand es | |
sowieso komisch, dass der Schiedsrichter so lange nachspielen ließ“, meinte | |
Jovanović. Denn: „Das Feuer kam ja aus dem Hertha-Block.“ | |
Der gebürtige Berliner sprach damit jenen Moment an, als die ohnehin | |
hektische, giftige Atmosphäre im Stadion nach einer Stunde erstmals außer | |
Kontrolle zu geraten drohte. Düsseldorf war gegen das dezimierte Team von | |
Otto Rehhagel gerade 2:1 in Führung gegangen, als – erstaunlicherweise | |
zeitgleich – im Gäste-Block und schräg gegenüber in einer Ecke mit | |
Düsseldorfer Fans Bengalos gezündet wurden. Bei der Heim-Partei waren es | |
Freuden-, bei den Berlinern Frustfeuer. Und der entscheidende Unterschied: | |
Die Zündelfreunde aus der Hauptstadt behielten ihre Handfackeln nicht bei | |
sich, sondern warfen sie aufs Spielfeld. | |
## Schwillende Zornesader | |
Schiedsrichter Stark unterbrach die Partie für vier Minuten, dem | |
entscheidenden Relegations-Duell drohte ein Abbruch, und eine weitere | |
Unterbrechung kurz vor Schluss sorgte schließlich für die ungewöhnlich | |
lange Nachspielzeit. In der die Rehhagel-Elf den Eindruck erweckte, an | |
diesem Abend überhaupt nicht mehr auf dem Rasen erscheinen zu wollen. | |
„Als es so lange gedauert hat, bis sie raus gekommen sind, hab’ ich schon | |
mal gedacht, dass hier abgebrochen werden könnte“, bekannte | |
Fortuna-Verteidiger Levels. Seinem Mitspieler Sascha Rösler ließ diese | |
Möglichkeit noch nachträglich die Zornesader schwellen. „Berlin wollte gar | |
nicht mehr raus kommen“, echauffierte sich Düsseldorfs Super-Oldie und | |
erzählte von seinem Disput mit Herthas Manager: „Ich hab’ zu Preetz schon | |
gesagt, ob sie eigentlich noch richtig ticken. Wenn sie gar nicht mehr raus | |
gekommen wären, hätten sie sich komplett lächerlich gemacht und ihren Laden | |
gleich dicht machen können.“ | |
Hertha-Coach Otto Rehhagel sagte, ehe er zu dem wüsten Drumherum konsequent | |
schwieg: „Die Begleitumstände waren katastrophal. So etwas habe ich noch | |
nicht erlebt – und ich konnte mir nicht vorstellen, dass so etwas möglich | |
ist.“ Es war möglich. „Ich habe so viele Fans beschimpft“, sagte der | |
34-jährige Rösler später und meinte beinahe entschuldigend: „Ich wollte | |
einfach, dass das Spiel vorbei ist.“ Am Dienstag um 22.49 Uhr ist Röslers | |
Wunsch in Erfüllung gegangen – es sei denn, Hertha BSC legt tatsächlich | |
Protest ein und erwirkt sich auf juristischem Weg ein neue Chance auf den | |
Klassenerhalt. | |
16 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Andreas Morbach | |
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