# taz.de -- Drogenpolitik: "Auf 30 Gramm erhöhen" | |
> Die Eigenbedarfsgrenze für Cannabis senken? Dafür sieht der Jurist und | |
> Bundestagsabgeordnete Wolfgang Neskovic (Linke) keine Notwendigkeit - im | |
> Gegenteil. | |
Bild: Ein warmes Glühen im dichten Rauch: Kiffen in der Nahaufnahme. | |
taz: Herr Neskovic, in Berlin wird diskutiert, die Eigenbedarfsgrenze von | |
Cannabis herunterzusetzen. Am Dienstag veranstalten CDU-Senatoren dazu eine | |
Anhörung. Ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? | |
Wolfgang Neskovic: Bisher war bei der CDU leider immer kriminalpolitische | |
Uneinsichtigkeit an der Tagesordnung. Ich kann nur hoffen, dass man unter | |
Beteiligung von kompetentem Sachverstand eine rationale Entscheidung | |
trifft. | |
Polizei und Staatsanwälte sollen signalisiert haben, dass man mit der | |
derzeitigen Grenze von 15 Gramm, bis zu der Straffreiheit gilt, gut beraten | |
sei. | |
Wir hatten in Schleswig-Holstein früher 30 Gramm. Und die Evaluierung hat | |
ergeben, dass der Konsum in über 20 Jahren zurückgegangen ist. Es gibt | |
deswegen überhaupt keinen Grund abzusenken. Das würde nur dazu führen, dass | |
Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte übermäßig beansprucht werden, ohne | |
jeglichen kriminalpolitischen Sinn. Sie sind ja jetzt schon überlastet. Die | |
Ressourcen sollten in wichtigere Dinge fließen. | |
Warum existiert die 30-Gramm-Grenze in Schleswig-Holstein nicht mehr? | |
Die hat Schwarz-Rot gekippt. | |
Die Berliner CDU Senatoren begründen ihre Initiative damit, | |
Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) mache Druck. Sie | |
habe im April noch einmal auf die Entscheidung des | |
Bundesverfassungsgerichts von 1994 hingewiesen. Das Gericht habe damals | |
eine einheitliche Praxis der Länder beim Eigenbedarf gefordert. | |
Es gibt keine Forderung des Bundesverfassungsgerichts. Es handelt sich um | |
einen Appell. Ich wundere mich, dass die sonst liberale | |
Bundesjustizministerin hier eine solche Fehlinterpretation des | |
Bundesverfassungsgerichts formuliert. | |
Sie waren derjenige, der 1994 vor dem Bundesverfassungsgericht erstritten | |
hatte, dass Haschisch-Konsumenten von Strafverfolgung freigestellt werden. | |
Was genau hat das Bundesverfassungsgericht damals zum Thema Richtlinien | |
gesagt? | |
Das Bundesverfassungsgericht hat nicht angeordnet, dass die Länder | |
einheitliche Richtlinien erlassen müssen. Es hat nur darauf hingewiesen, | |
dass der Gerechtigkeitsgedanke eine einheitliche Praxis nahelegt. | |
Und wie interpretieren Sie das? | |
Die einheitliche Praxis sollte nicht auf dem möglichst geringsten Niveau | |
erfolgen, sondern auf dem möglichst höchsten Niveau. | |
Was heißt das konkret? | |
Dass die Vereinheitlichung bei 30 und nicht bei 6 Gramm liegen sollte. Die | |
Erfahrungen in Schleswig-Holstein zeigen, dass 30 Gramm vertretbar sind. | |
Generell bin ich aber dafür, eine völlig legale Abgabeform einzuführen. | |
Jede Form der Absenkung hätte zur Folge, die Konsumenten in die Hände von | |
Dealern zu treiben, die auch mit harten Drogen handeln. Das kann keiner | |
wollen. | |
Wie erklären Sie sich den Vorstoß der Bundesjustizministerin? | |
Ich vermute, dass die Bundesdrogenbeauftragte Dyckmans sie dazu drängt. Was | |
Cannabis angeht, ist Frau Dyckmans uneinsichtig. Sie ist von einer tiefen | |
emotionalen Abneigung geleitet und hat keinen rationalen, rechtspolitischen | |
Zugang zu dem Problem. | |
Die Befürworter einer Herabsenkung der 15-Gramm-Grenze führen gern das | |
Arguement ins Feld, Cannabis sei heute stärker als früher. | |
Das kann man so nicht sagen. Es gibt Ausreißer. Einige Sorten, die | |
gezüchtet worden sind, haben zwar einen höheren THC-Gehalt, aber die | |
tauchen nur vereinzelt auf dem Markt auf. Wenn man eine staatliche Abgabe | |
von Cannabis einführte, könnte man genau dieses Problem in den Griff | |
bekommen. | |
Nochmal: Die Länder müssen sich gar nicht einigen? | |
Das ist das Wesen des Föderalismus. Auch das Betäubungsmittelgesetz lässt | |
eine unterschiedliche Praxis in den Ländern zu. Ich erwarte, dass Berlin | |
die Eigenbedarfsgrenze auf 30 Gramm erhöht und sich nicht dem | |
ideologiebehafteten Law-and-Order-Kurs der CDU unterwirft. | |
Die CDU regiert nun mal mit. | |
Die CDU könnte die Anhörung zum Anlass nehmen, in ihrem drogenpolitischen | |
Kurs umzukehren. | |
Noch eine private Frage zum Schluss: Als Richter haben Sie das Recht auf | |
Rausch proklamiert. Wieviele Joints haben Sie schon in Ihrem Leben | |
geraucht? | |
Gar keinen. Was das angeht, kann ich keinen Erfolg vermelden. | |
28 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
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