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# taz.de -- Expertin über Kommunikation im Netz: „Wir brauchen Onlineregeln …
> Das Internet revolutioniert die Kommunikation – auch indem es sie
> sexualisiert. Die britische Gewaltexpertin Ethel Quayle warnt Lehrer vor
> Gegruschel mit Schülern.
Bild: Kommunizieren Erwachsene mit Kindern im Netz, sollten sie klare Regeln be…
taz: Frau Quayle, erhöhen Chatrooms und soziale Netzwerke Ihrer Meinung
nach die Möglichkeiten eines sexuellen Missbrauchs?
Ethel Quayle: Meiner Meinung nach fördern Chatrooms und soziale Netzwerke
vor allem Kommunikation. Diese kann natürlich sexuell eingefärbt werden.
Vor allem die sehr schnelle Kommunikation in Chatrooms artet aber nicht
selten aus – sie wird schnell sexueller als normales Sprechen von Angesicht
zu Angesicht. Zudem ändert sich Internetkommunikation ständig. Onlinespiele
verändern sich zum Beispiel fast wöchentlich, und auch sie eröffnen
Möglichkeiten eines Missbrauchs.
Wie das?
In den USA zum Beispiel wurden Anfang des Jahres mit der „Operation Game
Over“ allein im Staat New York 3.500 Spielkonten von verurteilten
Sexualstraftätern gesperrt – um minderjährige Gamer zu schützen. Jeder
nutzt das Internet, selbstverständlich auch Kriminelle. Und wir beobachten
eine Wanderung der persönlichen Kommunikation von Angesicht zu Angesicht
hin zur Onlinekommunikation.
Was bedeutet das für Jugendliche?
Wir müssen konstatieren, dass sich die Aufwachsbedingungen für Jugendliche
durch das Internet sicher gewandelt haben. Pubertät findet heute anders
statt – auch wegen der sexuellen und pornografischen Überflutung durch das
Netz. Dennoch sprechen wir nicht davon, dass das Internet eine sexuellen
Krise ausgelöst hätte.
Ist es gefährlich, wenn LehrerInnen sich auf Facebook mit ihren
SchülerInnen anfreunden?
Die Probleme entstehen dann, wenn die Lehrkraft sich der Grenzen zwischen
professioneller Rolle und Erwartungen an sie und einer „Freundschaft“ nicht
bewusst ist. Solche Grenzüberschreitungen geschehen leider schon offline
nicht selten und führen in manchen Fällen auch zu etwas, das man
„standeswidriges Verhalten“ bezeichnen muss.
Was kann man dagegen tun?
Wir brauchen Handlungsleitlinien zum Schutz von Kindern und Jugendlichen
vor sexualisierter Gewalt an allen Kindergärten und Schulen. Diese sollten
klare Regeln über die Nutzung digitaler Medien durch Mitglieder des
Kollegiums sowie SchülerInnen enthalten. Nur so können die Schulen auch
online Sicherheit und Schutz gewährleisten.
Solche Richtlinien schützen beide Seiten, sowohl die SchülerInnen als auch
den Lehrenden. Das bedeutet aber, dass es sich dabei um mehr als nur ein
Blatt Papier mit Regeln handelt – nämlich dass diese Richtlinien in klare
Haltungen übersetzt und mit Leben gefüllt werden.
Was sollten solche Richtlinien im Hinblick auf Internetkommunikation
zwischen LehrerInnen und SchülerInnen, insbesondere bezogen auf Facebook,
enthalten?
Sie sollten Regeln für den guten Gebrauch digitaler Technologien und einen
Leitfaden für die angemessene Nutzung von E-Mail, SMS und so weiter
enthalten. So wird gewährleistet, dass es klare Richtlinien zum Beispiel
zur Frage der Veröffentlichung privater Informationen gibt – auch die der
SchülerInnen.
Und es geht zum Beispiel darum, welche Form und Inhalte digitaler Bilder
nicht länger der professionellen Beziehung zwischen Lehrer und Schüler
angemessen sind. Daraus ergibt sich dann beispielsweise häufig die Frage,
wann der Erwachsene die Grenze überschreitet und eine romantische oder
explizit sexuelle Beziehungen zu SchülerInnen beginnt.
Wann wird die Grenze zwischen normaler und gefährlicher Kommunikation
überschritten? Wann also wird ein Opfer zu einem Opfer?
Grenzen können sowohl on- als auch offline überschritten werden.
Beziehungen außerhalb des Netzes können wirklich sehr gefährlich werden.
Allerdings wird die Netzkommunikation über Technologie vermittelt. Sie
findet außerhalb des unmittelbaren, persönlichen Radius der Jugendlichen
statt. Das heißt, Kommunikation wird nachhaltig verändert, auf eine Weise,
die schon für Erwachsene oft schwer durchschaubar ist.
Was meinen Sie damit?
In der Onlinekommunikation haben strategisch agierende Täter noch größere
Vorteile gegenüber Jugendlichen, die eben nicht strategisch, sondern
authentisch auf der Suche sind. Daraus ergeben sich mehr Möglichkeiten für
Grenzüberschreitungen.
Die Grenzüberschreitungen selbst sind denen in der Offlinewelt sehr
ähnlich, und die meisten von uns erkennen, wo die Risiken liegen. Nämlich
da, wo ein Lehrer zum Freund wird und beginnt, persönliche oder sexuelle
Inhalte zu teilen. Hier lauert die Gefahr – dass LehrerInnen ihre
Überlegenheit als einflussreiche Erwachsene über einen minderjährigen
Schüler ausnutzen können.
Heutzutage hat manches Kind ein Facebook-Profil, bevor es geboren wird.
Kinder und Jugendliche wachsen mit sozialen Netzwerken und Chatrooms auf.
Wie verändert das ihre Entwicklung?
Das Internet stellt uns Erwachsene vor Herausforderungen, weil Kinder sich
nicht mehr ausreichend bewegen oder draußen an der frischen Luft aufhalten.
Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass auf Facebook gepostete Fotos
und Filme unserer Kinder – ob nun normal oder pornografisch – für immer
zugreifbar sein werden. Auf der anderen Seite allerdings müssen wir unsere
Kommunikationsfähigkeiten auf die neuen Entwicklungen abstimmen.
Wir müssen uns mit der Frage der Privatsphäre beschäftigen und lernen, die
Inhalte zu kontrollieren, die neu für uns sind. Wir sollten uns fragen,
welche Inhalte überhaupt zur Verfügung gestellt werden sollten – und welche
nicht. Wenn es uns gelingt, diese Fragen zu klären und die Kommunikation
mit klaren Regeln zu versehen, kann Onlinekommunikation viele, viele
Möglichkeiten und Vorteile bringen – denken Sie nur an Familien, die über
Länder hinweg getrennt leben.
Computertechnologie entwickelt sich sehr rasant – heute hat man mit dem
Smartphone das Internet in der Hosentasche. Können Erwachsene diesen
Prozess regulieren?
Wie sollten wir diesen Prozess regulieren können? Was wir aber sehr wohl
regulieren können, ist die Durchschaubarkeit und Sicherheit der
Onlinekommunikation. Meiner Meinung nach sollten wir den Kinderschutzaspekt
bei jeder sich neu entwickelnden technologischen Veränderung vorausdenken,
um den bestmöglichen Schutz zu gewährleisten und sicherzugehen, dass diese
Technologie keine negativen Auswirkungen hat. Ein gutes Beispiel dafür ist
die Entwicklung des Fotohandys.
Warum ist das ein gutes Beispiel?
Dort haben wir gesehen, dass diese Technologie in der Hand jedes
Jugendlichen die Möglichkeiten erweitert, andere Jugendliche mit
unangemessenen sexuellen Bildern zu bedrängen. Oder aber Täter und
Täterinnen nutzten sie, um Jugendliche zu erpressen.
Das Versenden eines digitalen Bildes reicht, um die Raum-Zeit-Dimension zu
sprengen. Unangemessene Bilder eines Jugendlichen können binnen weniger
Sekunden unendlich oft kopiert und unendlich weit transportiert werden.
Und: Sie vergehen nie.
Beeinflussen pornografische Seiten im Internet wie YouPorn die Entwicklung
und das sexuelle Verhalten der Kinder heutzutage?
Es gibt nur sehr begrenzte wissenschaftliche Forschung zur Frage des
Einflusses pornographischen Materials auf junge Menschen. Allerdings gibt
es erste Anhaltspunkte dafür, dass solches Material sehr deutlich die
Einstellung zu einvernehmlichem sexuellen Verhalten beeinflusst. Allerdings
ist noch nicht klar, inwieweit diese Einstellung das Verhalten dann auch in
der Realität beeinflusst.
30 May 2012
## AUTOREN
Christian Gehrke
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