# taz.de -- Begegnung mit US-Autor Nicholas Sparks: Er ist seine eigene Marke | |
> Der US-amerikanische Schriftsteller Nicholas Sparks ist mit 80 Millionen | |
> verkauften Büchern einer der meistgelesenen Autoren der Welt. Sein Credo | |
> lautet: Liebe ist alles. | |
Bild: Lächeln mit strahlend weißen Zähnen: der Schriftsteller Nicholas Spark… | |
Nicholas Sparks geht auf Socken durchs Hotelzimmer. Er hat verschlafen. Das | |
orange-schwarz gestreifte Hemd ist zerknittert, sein Gesicht keineswegs. | |
Braungebrannt, mit strahlend weißen Zähnen und dem Nicholas-Sparks-Lächeln. | |
Fröhlich, unkompliziert, einnehmend. Der All-American-Boy, wenn auch 47 | |
Jahre alt. Durchtrainiert ist er, Sport ist ihm wichtig. | |
Leichtathletikprofi wollte er eigentlich werden. Nun ist Schreiben seine | |
Herausforderung, sagt er. | |
Der Schlafmangel, Jetlag, macht ihn etwas zu euphorisch. Die Stimme ist | |
hoch, er klingt wie der Moderator einer US-Spielshow. Ob es in Ordnung ist, | |
wenn das Gespräch mit dem Diktiergerät aufgenommen wird? „I think that | |
would be fantastic!“ Diesen Grad der Begeisterung wird er im Gespräch nicht | |
halten, aber voll da ist er dennoch. Vielleicht hat er die Fragen auch | |
schon zu oft gehört, die Antworten kommen schnell, druckreif, nie zu lang, | |
nie zu knapp. Nebenbei signiert er Hörbücher. | |
Nicholas Sparks ist eine Marke. Seine eigene. Die mit viel Liebe drin. Er | |
spricht sogar selbst so von sich – als „Nicholas Sparks, the brand“. 17 | |
Bücher – gerade ist „Mein Weg zu dir“ auf Deutsch erschienen – rund 80 | |
Millionen verkaufte Exemplare in 47 Ländern, Singapur, Deutschland, | |
Brasilien, USA, Dubai. Auf den Philippinen kann er nur mit Leibwächter vor | |
die Tür. Sieben, bald sogar neun seiner Romane wurden verfilmt. „The Lucky | |
One“ mit Zac Efron als traumatisierter Soldat läuft in den Kinos. Unzählige | |
Interviews, Werbetouren, 1,2 Millionen Facebook-Freunde – das ist die | |
Marke. | |
## Männer können Drama | |
23 Jahre verheiratet, fünf Kinder, fünf Hunde, Vater, Mutter, Schwester | |
verloren innerhalb weniger Jahre. Gläubiger Christ, irgendwie. | |
Schulgründer. Lesejunkie (125 Bücher pro Jahr), Stephen-King-Bewunderer. | |
Kleinstadtliebhaber – das ist der Mensch. Ein Teil davon. Doch wie soll man | |
den von der Marke trennen? Als romantischster Mann der Welt, als der, der | |
weiß, was die Frauen wollen, wird Sparks gerne präsentiert. DER schickt | |
seiner Frau Blumen, einfach so! DER schreibt Liebesbriefe, einen pro Jahr, | |
Sensation. DER sagt: Liebe ist alles. Was für eine These! | |
Da sind die Klischees, die man seinen Büchern oft vorwirft. Natürlich | |
bedient er sie gern. Die Marke. Seine Lieblingsfilme sind „Dirty Dancing“, | |
„Casablanca“, „Titanic“ und „Ghost“, sagt er. Aber als Schriftstell… | |
er jeden Vorwurf, das sei doch alles melodramatisch, plumpes Romantisieren | |
und Kitsch weit von sich. Und er erklärt den Unterschied zwischen einer | |
romantischen Geschichte (Frau sucht Traummann, findet ihn, Konflikte, Happy | |
End) und einer Liebesgeschichte (große Liebe, großes Drama, eher kein | |
glückliches Ende). „Es ist der Unterschied zwischen Cinderella und Romeo | |
und Julia.“ | |
Der Liebesroman sei das schwerste Genre. Das, was mit den griechischen | |
Tragödien beginne. Jane Austen, Hemingways „In einem anderen Land“, | |
Nicholas Sparks. Die Linie zieht er. Andere gute Liebesromane? „Der | |
Pferdeflüsterer“, „Die Brücken am Fluss“, „One Day – Zwei an einem … | |
David Nicholls. Alle von Männern geschrieben. „Yeeeesss.“ So antwortet | |
Nicholas Sparks gern. So viel Begeisterung war selten in einem Ja. Und | |
warum immer Männer? Sparks sagt, er hat keine Ahnung. Männer können Drama. | |
Er kann es. | |
Deshalb trägt sein Rosarot immer Trauerflor: Alzheimer, Leukämie, | |
Verkehrsunfall, Mord, mindestens aber unüberbrückbare Differenzen – die | |
Romane sind voller Tragik. Und voller Hoffnung. Das ist ihr Markenkern. | |
Auch wenn es ein „glücklich bis ans Lebensende“ nur insofern gibt, als das | |
Ende bisweilen recht schnell kommt. Die Menschen in seinen Büchern sind | |
nicht perfekt, sie sind sehr normal, sie leben wie er in North Carolina am | |
Fluss, Kleinstadtypen, „die einfach nur versuchen, das Richtige zu tun“, | |
sagt Sparks. „Hart arbeiten, nicht auf andere herabsehen, Frauen und Kinder | |
als Erste ins Rettungsboot“, solche Sachen. | |
Er sagt, er hat keine Botschaft, die er rüberbringen will, er will die | |
Realität wiedergeben. Aber daran glaube er fest: „Die meisten Menschen | |
versuchen die meiste Zeit das Beste zu geben.“ Vielleicht ist das das | |
eigentlich Romantische, manche mögen sagen: Kitschige, an seinen Romanen. | |
An ihm. All diese guten Menschen. Und die LeserInnen – es seien mehr Männer | |
darunter, als man glaubt, sagt Sparks – wären gerne so. Sie sind es | |
vielleicht sogar, oder könnten es zumindest sein. | |
## Der schmale Grad | |
Mit diesen Menschen leiden, weinen, lieben die Sparks-LeserInnen. Sie | |
wissen, was sie bekommen. Das ist sein Handwerk, 2.000 Wörter am Tag | |
mindestens. Der schwerste Teil des Jobs. Drehbücher, Entwürfe für | |
TV-Serien, Kurzgeschichten, all das falle ihm leicht, sagt Sparks. Aber | |
diese verflixten Romane. Die Herausforderung. Keinen Satz gebe es in seinen | |
Büchern, der nicht achtmal gelesen, vielleicht umgeschrieben, gekürzt | |
worden sei. Denn – und man merkt, man könnte ihn in diesem Punkt durchaus | |
verletzen – es sei harte Arbeit, nichts ins Melodramatische abzugleiten. | |
Der Grad sei schmal. | |
Fast wie in einer Verteidigungsrede, ohne angegriffen zu sein, betet er | |
herunter, dass Gefühle beim Leser entstehen müssen, sie nicht manipulativ | |
erzwungen werden dürfen. Wie wichtig es ist, dass der Stil zur Geschichte | |
passt. Dass nichts in seinen Romanen unplausibel ist, die Handlung immer | |
irgendwie neu, aber universell. | |
1996 hat er seinen ersten Roman veröffentlicht – für eine Million Dollar. | |
„Wie ein einziger Tag“ wurde ein mächtiger Erfolg, als Buch wie als Film. | |
Sparks war damals Pharmavertreter. Davor Immobilienhändler. Und Kellner. | |
Mit 19 hat er sein erstes Buch geschrieben, eine Horrorgeschichte, als er | |
verletzt zu Hause auf dem Sofa lag und von der Sportlerkarriere Abschied | |
nahm. Dieses Buch, und auch sein zweites, ein Mysterythriller, bleiben | |
unveröffentlicht. Dann kam der Erfolg – mit einer Liebesgeschichte. Das | |
Genre hat er sich ausgesucht, weil es darin so wenig Konkurrenz gab, sagt | |
er. | |
Die meisten seiner Geschichten sind von Familienmitgliedern inspiriert. | |
„Wie ein einziger Tag“ basiert auf der Liebesgeschichte der Großeltern | |
seiner Frau. „Weit wie das Meer“ erzählt zum Teil das Schicksal seines | |
Vaters, dessen erste Frau, Sparks’ Mutter, bei einem Reitunfall starb. Zwei | |
Tage, nachdem er sich nach langer Zeit neu verliebt und verlobt hatte, | |
starb der Vater bei einem Autounfall. „Weg der Träume“ ist nach dem Tod von | |
Sparks’ Schwester entstanden, die mit 33 an Krebs starb und zwei kleine | |
Kinder hinterließ. Wie verkraftet man solche Schicksalsschläge? | |
## Sechs Monate überleben - dann muss es weitergehen | |
„Junge, das ist eine schwere Frage“, sagt Sparks und denkt zum einzigen Mal | |
während des Gesprächs länger nach. Vielleicht gehört aber auch das schon | |
zur Marke. Schreiben als Heilmittel, daran glaube er nicht, sagt er | |
schließlich. „Aber ich kann besser beschreiben, was meine Figuren fühlen.“ | |
Sechs Monate, das ist seine Theorie, sei es die Hölle. Die muss man | |
irgendwie überleben. Dann muss es weitergehen, dann geht es weiter. Hilft | |
der Glaube? | |
Sparks, der mit seiner Frau eine christliche Schule gegründet hat, sagt, er | |
glaube an einen Gott, aber nicht daran, dass Gott tatsächlich in das | |
Weltgeschehen eingreift. Er geht sonntags zwar zur Kirche, ist aber sehr | |
flexibel, was die Religion angeht: „Wenn ich früh aufstehe, gehe ich zu den | |
Katholiken, ist es später, zu den Baptisten, und wenn ich lange ausschlafe, | |
gehe ich zu den Methodisten.“ | |
## Ehebruch ist tabu | |
Sein aktuelles Buch „Mein Weg zu dir“ ist von seiner eigenen | |
Lebenssituation inspiriert. „Mitte 40 denkst du über die Entscheidungen | |
nach, die du getroffen hast. Welche Träume hattest du, was hättest du | |
anders machen sollen?“ Gibt es etwas, das er bereut? „Dass ich das | |
Potenzial, das eine Kinderbuchreihe haben kann, nicht gesehen habe. So | |
etwas wie Harry Potter oder Twilight.“ Wie einfach wäre es, meint er, | |
einfach nur Teil 1, 2, 3 mit gleichen Charakteren und gleicher Struktur zu | |
schreiben. | |
Er muss sich wieder und wieder einen neuen Liebesroman ausdenken. Für die | |
Marke. Dafür, dass auf Filmplakaten „Nach einem Nicholas-Sparks-Roman“ | |
steht. Dafür, dass er bei der Produktion volles Mitspracherecht hat. Dass | |
es zu seinen Büchern Lektürehilfen gibt und sie in Schulen unterrichtet | |
werden. Für all die Fans, die ihn wieder und wieder fragen: Wie wird man | |
ein so erfolgreicher Schriftsteller? „Viel lesen, einen Agenten besorgen, | |
loslegen.“ Immer mit dem Alter der Figuren anfangen. Und nie über Ehebruch | |
schreiben. Das ist sein Tabu. | |
Anstrengend muss es sein, die Marke Nicholas Sparks zu verkörpern. Mit | |
seinen Büchern macht er Leute glücklich, davon erzählen zig Kommentare auf | |
seiner Internetseite. Für ihn ist das Routine. Wie das Signieren von | |
Hörbüchern in einem Hotelzimmer. Er weckt keine Illusionen, dass er sich | |
danach noch an das einstündige Gespräch erinnern wird. Die Socken aber | |
bleiben. | |
## ■ „Mein Weg zu dir“, der aktuelle Roman von Nicholas Sparks, ist im | |
Heyne-Verlag erschienen. | |
31 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Daniela Zinser | |
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