# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Nie nach Istanbul | |
> Wieder einmal darf die Türkei ein internationales Sportevent nicht | |
> ausrichten – wie gemein! | |
Bild: Hübsch. Aber nicht genug für Olympia, nicht mal für eine EM. | |
Niemand hat es so schwer wie die Türken, lautet eine türkische | |
Volksweisheit. Denn andere Leute müssen sich mit zwei oder drei Feinden | |
herumschlagen, die Türken aber haben die ganze Welt zum Feind. Man kann | |
dies als Genörgel von ewig Beleidigten abtun, als Ausdruck eines | |
archaisch-kriegerischen Weltbildes, als paranoides Geschwätz. Aber wie für | |
jede gute Verschwörungstheorie finden sich auch für diese zahlreiche | |
Hinweise. Etwa dieser: Die Fußball-EM 2016, so entschied das | |
Exekutivkomitee der Uefa am Freitag, findet in Frankreich statt. | |
Vielleicht hätte Mitbewerber Italien mit einem anderen Uefa-Präsidenten als | |
dem Franzosen Michel Platini bessere Chancen gehabt. Bei der Türkei aber | |
hat die Ablehnung andere, in universitärem Angeberdeutsch gesprochen: | |
strukturelle Gründe. | |
## Endlos erfolglos wie der EU-Beitritt | |
Schließlich ist es die dritte erfolglose EM-Bewerbung der Türken | |
hintereinander. Auch die Bewerbungen Istanbuls um die Olympischen | |
Sommerspiele der Jahre 2000 bis 2012 wurden allesamt abgeschmettert. Mit | |
Problemen im Land kann das nichts zu tun haben, was die Liste jener Länder | |
zeigt, die in jüngerer Vergangenheit den Zuschlag für sportliche | |
Großereignisse bekommen haben: China (keine Menschenrechte), Südafrika | |
(keine Sicherheit), Russland (keins von beidem) oder Österreich (keine | |
Ahnung von Fußball). All das erinnert an den türkischen Antrag auf eine | |
EU-Mitgliedschaft, der seit über 30 Jahren in einer Schublade in Brüssel | |
vergammelt, während seither Litauen und Rumänien hineingelassen wurden. | |
Anstatt weiter um die Gunst von Leuten zu buhlen, die eher das Kosovo in | |
die EU aufnehmen und eher Österreich eine zweite EM austragen lassen, als | |
der Türkei entgegenzukommen, wäre diese gut beraten, sich auch | |
sportpolitisch nach Alternativen umzusehen (wie sie es außenpolitisch | |
ohnehin längst macht). | |
Denn das Land bietet alles, was einen großen Gastgeber auszeichnet: | |
Gastfreundschaft, Sommermärchenwetter und großartige Sportstätten, allen | |
voran das neue Atatürk-Olympiastadion, das nicht nur das einzige | |
Olympiastadion der Welt ist, das einen Vornamen trägt, sondern auch das | |
einzige, in dem niemals Olympische Spiele stattgefunden haben. | |
Für eine echte WM müsste man sich nur auf urtürkische Disziplinen besinnen | |
– das Ölringen, Backgammon oder das Autokorsofahren. Bei der ersten | |
Autokorsoweltmeisterschaft könnten die Türken dann zeigen, dass auch der | |
zweite Teil der zitierten Volksweisheit stimmt: dass die Türken es zugleich | |
leichter haben als alle anderen. Warum? Weil sie keine Türken zum Gegner | |
haben. | |
29 May 2010 | |
## AUTOREN | |
Deniz Yücel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |