# taz.de -- Nato-Aktion in Afghanistan: Geiseln befreit, Entführer tot | |
> Nato-Soldaten befreiten in Afghanisten am Samstagmorgen vier entführte | |
> Entwicklungshelfer, die vor anderthalb Wochen entführt worden waren. | |
> Mehrere Geiselnehmer kamen dabei ums Leben. | |
Bild: Konnte einen Erfolg melden: Isaf-Kommandeur John Allen. | |
KABUL afp/dapd | Von Hubschraubern unterstützte Sondereinsatzkräfte der | |
Nato haben am Samstag im Nordosten Afghanistans zwei verschleppte | |
ausländische Hilfsarbeiterinnen sowie drei einheimische Geiseln aus der | |
Hand ihrer Entführer befreit. Wie ein Nato-Sprecher mitteilte, wurden bei | |
dem Einsatz vor Beginn der Morgendämmerung fünf Entführer getötet. Die | |
Geiseln seien in einer Höhle in der entlegenen Provinz Badachschan | |
festgehalten worden. | |
Nach Angaben afghanischer Behörden waren alle Befreiten wohlauf. Bei den | |
beiden Frauen handelte es sich um die 28-jährige Britin Helen Johnston und | |
die 26-jährige Kenianerin Moragwe Oirere, beide Mitarbeiterinnen der | |
schweizerischen Hilfsorganisation Medair. Das Außenministerium in London | |
erklärte, britische Einheiten der Nato-geführten Isaf-Truppe seien an dem | |
Einsatz beteiligt gewesen, für die Premierminister David Cameron am | |
Freitagnachmittag grünes Licht gegeben habe. | |
Die fünf Menschen, darunter vier Medair-Mitarbeiter, waren am 22. Mai in | |
Badachschan verschleppt worden, das im Verantwortungsbereich der Bundeswehr | |
liegt. Die Ärzte waren auf Pferden zwischen Jaftal und Ragh unterwegs | |
gewesen, knapp 100 Kilometer von Faisabad. | |
Der britische Premierminister David Cameron lobte die Operation, die von | |
britischen Truppen in Zusammenarbeit mit der Nato und afghanischen | |
Streitkräften ausgeführt wurde, als „mutig, ja sogar atemberaubend“. Die | |
Entscheidung, für die Aktion grünes Licht zu geben, sei sehr schwierig | |
gewesen. Er habe die Operation am Freitagnachmittag gebilligt. Das | |
afghanische Innenministerium habe die Bündnissoldaten bei der | |
Befreiungsaktion unterstützt, erklärte Isaf-Kommandeur John Allen | |
## Panzerfäuste und AK-47s | |
Einem Bündnissprecher zufolge war ein Team per Hubschrauber zu dem Versteck | |
der Entführer im Norden Afghanistans aufgebrochen und bestätigte, dass die | |
Geiseln dort seien. „Die Geiselnehmer waren bewaffnet mit schweren | |
Maschinengewehren, Panzerfäusten und AK-47s“, sagte Jimmie Cummings. Sie | |
gehörten einer bewaffneten Terroristengruppe mit Verbindungen zu den | |
Taliban an. Die Geiseln, die in Höhlen versteckt gehalten wurden, seien | |
wohlauf. Nach gründlicher medizinischer Untersuchung sollten sie mit ihren | |
Familien zusammengeführt werden, erklärte Cummings. | |
Die Familie der Britin bedankte sich am Samstag in einer Erklärung bei | |
allen Beteiligten. „Wir sind jedem zutiefst dankbar, der zu ihrer Rettung | |
beigetragen hat, und auch jenen, die unermüdlich dafür gearbeitet haben, | |
sowie Familie und Freunden für ihre Liebe, Gebete und Unterstützung während | |
der vergangenen zwölf Tage“, hieß es. Auch Medair äußerte sich erleichtert | |
über die Befreiung ihrer Mitarbeiter. „Wir sind allen, die zu ihrer zügigen | |
und sicheren Rückkehr beigetragen haben, überaus dankbar“, sagte | |
Medair-Sprecherin Aurilien Demaurex. | |
Der stellvertretende Gouverneur von Badachschan, Schams ul Rahman, sagte, | |
die Entführten seien in Gulati gefangen gehalten worden, einer Ortschaft im | |
Bezirk Schahri Busurg. Die gebirgige und bewaldete Gegend liegt nahe der | |
Grenze zu Tadschikistan im äußersten Norden Afghanistans. | |
„Zumeist Schmuggler halten sich in diesen Regionen auf, doch natürlich | |
werden sie von den Taliban unterstützt“, sagte Rahman. Eine Gruppe von | |
Afghanen habe sich nach Gulati aufgemacht, um mit den Entführern zu | |
verhandeln. „Basierend auf Geheimdienstberichten, die den afghanischen | |
Truppen vorlagen, wurde eine erfolgreiche Operation durchgeführt, die mit | |
der Freilassung der Geiseln und der Tötung der Entführer endete“, erklärte | |
Rahman. | |
## Weitere Festnahmen und Anschläge | |
Am Samstag nahmen afghanische und Nato-Truppen einen Kommandeur des | |
Haqqani-Netwerks fest, der einen Anschlag auf einen Stützpunkt der | |
Isaf-Truppen im Osten Afghanistans am Vortag geplant und koordiniert haben | |
soll. Während der Operation im Bezirk Sabari in der Provinz Chost wurden | |
etliche Aufständische festgenommen und Waffen sichergestellt, wie das | |
Bündnis mitteilte. | |
Bei dem Bombenanschlag nahe der Stadt Chost am Freitag waren sechs | |
Zivilpersonen verletzt worden. Die Taliban bekannte sich zu dem Anschlag. | |
Doch der festgenommene Kommandeur gehört Bündnisangaben zufolge zum | |
Haqqani-Netzwerk. Dieses operiert vom benachbarten Pakistan und Osten | |
Afghanistans aus und hat enge Verbindungen zu den Taliban und der Al-Kaida. | |
Unterdessen sind bei zwei Bombenanschlägen im Süden Afghanistans vier | |
Polizisten ums Leben gekommen. Der Leiter der örtlichen Kriminalpolizei | |
sagte am Samstag, in beiden Fällen seien die Sprengsätze in Motorrädern | |
versteckt gewesen und explodiert, als die Polizeiwagen die Hauptstadt der | |
Provinz Orusgan, Tarin Kot, passierten. Bei den Anschlägen am Freitagabend | |
und Samstagmorgen seien je zwei Polizisten getötet worden. Bei der | |
Explosion am Samstag seien zudem zwei Polizisten verwundet worden, hieß es. | |
2 Jun 2012 | |
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