# taz.de -- THW feiert Saison der Superlative: Unbesiegbar und unzertrennlich | |
> Der THW Kiel gewinnt auch das letzte seiner 34 Bundesligaspiele und | |
> stellt einen Rekord auf, den niemand toppen kann. | |
Bild: Da gab es kein Halten mehr: Kieler Spieler und Fans feiern eine optimale … | |
KIEL taz | Die ersten, die sich per Autokorso dem Kieler Rathaus näherten, | |
waren Kapitän Marcus Ahlm und Filip Jicha. Viele Fans am Straßenrand | |
streichelten die goldene Trophäe, die der THW Kiel vor acht Tagen in der | |
Champions League gewonnen hatte und die Ahlm ihnen nun entgegenstreckte, | |
als sei sie etwas Heiliges, eine Reliquie. | |
Alle Handballprofis trugen, als sich den Weg durch die jubelnde Menge | |
bahnten, einen Fliegeroverall. „Überflieger“, stand auf den angenähten | |
Abzeichen. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass wir das geschafft | |
haben“, sagte THW-Trainer Alfred Gislason. | |
Schon vor dem Schlusspfiff beim 39:29-Sieg am letzten Spieltag gegen den | |
VfL Gummersbach, als sich die Kieler mit vielen technischen Tricks erneut | |
als Harlem Globetrotters des Handballs präsentiert hatten, musste Gislason | |
immer wieder den Kopf schütteln. 34 Siege in 34 Spielen, diesen Rekord | |
hatten viele Experten in der besten Liga der Welt für unmöglich gehalten. | |
„Das kann niemand mehr übertreffen“, sagte Gislason. Zumal die Kieler ihre | |
perfekte Bundesliga-Saison mit Titeln in DHB-Pokal und Champions League | |
gekrönt hatten. | |
57 Pflichtspiele hat der Rekordmeister in dieser Saison bestritten. | |
National gab es nur Siege. Allein in der Champions League leistete sich der | |
THW gegen Montpellier eine Heimniederlage mit 23:24 und drei Remis in León, | |
Zagreb und Kopenhagen. „Es ist mental eine enorme Belastung, alle drei Tage | |
ein Spiel zu bestreiten“, sagt Gislason. | |
Für eine Party nach dem finalen Sieg freilich reichten die Kräfte noch. | |
Nach dem Korso ließen sich die Spieler von 20.000 Fans auf dem Balkon des | |
Rathauses und auf einer Musikbühne feiern, nach der folgenden Feier bei | |
einem Italiener wurde die Saison am Sonntag traditionell mit einem Brunch | |
in einem Biergarten beschlossen. Auch das Zusammenspiel mit den Fans grenzt | |
in Kiel an Perfektion. | |
„Das sind keine Legionäre, diese Handballer nehmen die Fans und die Stadt | |
in die Arme“, lobte der künftige Ministerpräsident Torsten Albig. Nicht nur | |
deutsche THW-Profis wie Dominik Klein oder Christian Zeitz wissen die | |
Fachkenntnis der Kieler Fans zu schätzen, noch mehr der Tscheche Filip | |
Jicha, der Serbe Momir Ilic, die Schweden Kim Andersson, Henrik Lundström, | |
Marcus Ahlm und Andreas Palicka, die Franzosen Thierry Omeyer und Daniel | |
Narcisse oder der Isländer Aron Palmarsson. | |
Die Hingabe speist sich aus einer großen Tradition. In Kiel wird Handball | |
gelebt seit den Zeiten eines Hein Dahlinger, der den Turnverein | |
Hassee-Winterbek 1948 auf dem Feld und 1957 in der Halle zu den ersten | |
nationalen Titeln geführt hatte. | |
Natürlich hat der mit Superstars gespickte Kader, der laut Trainer Gislason | |
„immer neugierig ist, sich handballerisch zu verbessern“, eine enorme | |
Qualität. Das vielleicht größte Erfolgsgeheimnis dieses Ensembles aber | |
besteht im täglichen Umgang. Erwirkt wie das realisierte Ideal der „elf | |
Freunde“, die Fußballbundestrainer Sepp Herberger propagierte, damals in | |
den 1950er-Jahren. | |
„Wir sind Freunde“, sagte Jicha, als das Volk unter ihm jubelte. Einen | |
solchen Handball könne man nicht spielen, wenn man sich nur zu den Partien | |
treffe. „Wir erleben so viele Stunden miteinander, auf Reisen, auf den | |
Flughäfen, im Training, in der Vorbereitung, da ist eine gute Atmosphäre | |
eine wichtige Voraussetzung“, sagte der Tscheche. | |
Deshalb empfand er das letzte Spiel auch als schmerzlich, weil mit dem zum | |
besten Spieler der Saison gewählten Kim Andersson, Henrik Lundström, | |
Milutin Dragičević, Daniel Kubes und Tobias Reichmann fünf Profis diese | |
außergewöhnliche Mannschaft verlassen. | |
„Dieser Tag ist für uns auch traurig“, sagte Jicha. Er bedauerte, dass | |
seine Tochter nun nicht mehr mit dem Nachwuchs von Lundström spielen könne. | |
Und deshalb versprach er im gleichen Atemzug, so oft wie möglich die | |
Familie Lundström in Göteborg zu besuchen. Gute Freunde kann eben niemand | |
trennen. | |
3 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Erik Eggers | |
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