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# taz.de -- Ausbau von Ganztagsschulen: Nur im Namen umgestellt
> Der Ausbau der Ganztagsschulen hat sich gelohnt, sagen zwei Studien. Die
> Reform ist aber auf halbem Wege stecken geblieben: Es fehlen sieben
> Milliarden Euro.
Bild: Nicht überall bleiben Kinder zum Essen: Ganztagsschule in Hamburg.
BERLIN taz | Zwei bekannte Bildungs- und Sozialforscher haben scharfe
Kritik am stockenden Ausbauprogramm für Ganztagsschulen geäußert. „Für ei…
wirksame Fortentwicklung der Ganztagsschule fehlen 7 Milliarden Euro“,
sagte der Bildungsökonom Klaus Klemm. Sein Kollege Thomas Rauschenbach
fordert, „eine breite konzeptionelle Debatte darüber zu führen, was wir mit
den Ganztagsschulen eigentlich wollen“. Rauschenbach ist der Leiter des
Deutschen Jugendinstituts und hat ein Buch über die pädagogische
Wirksamkeit der Ganztagsschule verfasst.
Für die Bundesländer ist die Doppelstudie, die am Dienstag in Berlin
vorgestellt wurde, eine schallende Ohrfeige. Die Kultusminister der Länder
hatten einst die inhaltliche Diskussion über Ganztagsschulen unterbunden,
indem sie das pädagogische Konzept der einstigen Bildungsministerin des
Bundes Edelgard Bulmahn (SPD) ablehnten. „Eingriff in die Bildungshoheit
der Länder“, schimpften die Länder – und verlängerten konzeptlos den
Unterricht bis in den Nachmittag hinein.
Diesen Verhau haben Rauschenbachs Jugendforscher nun zu ordnen und zu
verstehen versucht. Das war nicht einfach. Ergebnis: Etwa ein Drittel der
Ganztagsschulen sind herkömmliche Schule geblieben. Die Hälfte der Schulen
durchlief einen intensiven Schulentwicklungsprozess. Rauschenbach entdeckte
bei ihnen „rhythmisierte Ganztagsschulen“ – das heißt, sie verändern das
Lernen und verteilen Lern- und Ruhephasen quer über den Tag. Und er
identifizierte sie als „kooperative Angebotsschulen“, die sich für
schwächere Schüler viel einfallen lassen.
Für die Konferenz der Kultusminister ist die Bilanz von Klemm und
Rauschenbach ein Desaster. Der Leiter des Jugendinstituts etwa berichtete,
die Kultusminister lieferten teilweise Zahlen, die sie selber nicht
verstünden. Das hat damit zu tun, dass die Kultusminister, um möglichst
billig wegzukommen, drei Arten von Ganztagschulen erfanden: Nur bei der
gebundenen – und teuren – Ganztagsschule müssen die Kinder am Nachmittag
erscheinen.
## Die Hälfte der Schulen, ein Viertel der Schüler
Bei der teilgebundenen und offenen ist dies nicht nötig. So ist die Lage
zehn Jahre nach Beginn des bisher größte Schulprogramms in der deutschen
Geschichte: 50 Prozent der Schulen behaupten heute, dass sie
Ganztagsangebote machen. Aber nur 28 Prozent der Schüler nehmen sie wahr.
Bezeichnend: „Wenn man Lehrer, Schüler und Eltern fragt, ob ihre Schule
eigentlich eine Ganztagsschule ist, kommt nicht immer das gleiche Ergebnis
heraus“, sagte Rauschenbach ratlos.
Schuld an der stockenden Entwicklung ist laut der beiden Forscher die
inhaltliche Leere und die mangelnde Finanzierung. Seit der
Föderalismusreform darf der Bund den Ausbau der Ganztagsschulen nämlich
nicht mehr bezahlen. „Deutschland stranguliert sich selbst mit einer
solchen Finanzierung“, kommentierte Rauschenbach knapp. Klaus Klemm
forderte, „dass der Bund wieder Verantwortung übernehmen darf“. Bis 2020
koste es 7 Milliarden Euro, wenn man 80 Prozent der Schulen für den Ganztag
umbauen wolle.
Bezahlt hat die beiden Studien die Bertelsmann-Stiftung. Ihr Vorsitzender
Jörg Dräger sprach von einem „konzeptionellen Vakuum, da es verschiedenste
Typen von Ganztagsschulen gibt“.
Wie will Dräger die Krise lösen? Er schlug vor, den Ländern durch eine
Finanzreform einfach mehr Geld zu geben – und zwar dauerhaft. Das hieße,
die Länder dafür zu belohnen, dass sie die Ganztagsschulen praktisch
bastardisiert haben.
5 Jun 2012
## AUTOREN
Christian Füller
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