# taz.de -- Gentrifizierung: Buch zu für Wohlers | |
> Weil die Miete eines Buchhändlers um 200 Prozent erhöht wurde, | |
> protestieren rund 400 Menschen in St. Georg. | |
Bild: Große Unterstützung: Buchhändler Jürgen Wohlers bedankt sich bei den … | |
Anspannung und Sorgen sind in Jürgen Wohlers’ Buchhandlung an der Langen | |
Reihe (St. Georg) am Mittwochmorgen zu spüren. Wohlers – Lesebrille, | |
brennende Zigarette, Bleistift in der Reverstasche des Jacketts – | |
berichtet, der Mietvertrag sei ausgelaufen, er habe um Verlängerung | |
gebeten. | |
Als Antwort sei die Miete von 1.400 auf 4.140 Euro angehoben und eine | |
Kündigung zum Jahresende nachgeschoben worden. „Das ist einfach unmöglich�… | |
sagt der Buchhändler – abgesehen von einer Sanierungspause ist er seit 1954 | |
in diesem Geschäft, der Laden wurde von seinem Großvater 1933 am Steindamm | |
gegründet. Gespräche mit dem Vermieter kämen nicht zustande, auch sein | |
Anwalt Helmut Voigtland hat bislang trotz eines Vorschlags nichts erreicht. | |
Der Jurist sagt der taz aber, ähnlich wie das benachbarte Kräuterhaus, sei | |
versäumt worden, eine Option auf Vertragsverlängerung wahrzunehmen. Die | |
Nachbarn hätten ein neues Quartier. | |
Viel Platz, der eine üppige Mietsteigerung – die letzte liegt laut Wohlers | |
fünf Jahre zurück – vielleicht rechtfertigen könnte, ist nicht, der | |
Buchladen ist nicht groß. Wohlers macht sein eigenes Programm, betreibt ein | |
Antiquariat, das sich auf Hamburg, Norddeutschland, Geschichte und Kunst | |
spezialisiert. Die Räume gehören einem Immobilien-Unternehmen am | |
Hansa-Platz; das eine Stellungnahme ablehnt. | |
Am Abend sammelt sich eine Menschentraube vor dem Laden, die schnell größer | |
wird. Der Einwohnerverein St. Georg hat zur Demonstration aufgerufen. Trotz | |
des schlechten Wetters sind rund 400 Menschen gekommen – Jürgen Wohlers | |
reagiert sichtbar bewegt. Einwohnervereins-Chef Michael Joho moderiert die | |
Kundgebung. „Wir verstehen uns als politische Gewerkschaft“, sagt | |
Ver.di-Chef Wolfgang Rose. Die ganze Stadt müsse sich gegen solche | |
überzogenen Mieterhöhungen wehren. Der Stadtteilchor Drachengold singt eine | |
abgewandelte Version des „Heidrösleins“. Heike Sudmann (Die Linke) spricht | |
von einem „Fehler im System“, Schriftstellerin Peggy Parnass sagt, sie sei | |
zwar Pazifistin, Wohlers’ Vermieter müsse man aber prügeln. Weihbischof | |
Hans-Jochen Jaschke sagt, ohne Wohlers könne er nicht leben: „St. Georg | |
muss Farbe und Geist behalten.“ Schauspieler Rolf Becker lässt ein Grußwort | |
verlesen: Dem Hausbesitzer die Scheiben einzuwerfen, wäre viel zu einfach. | |
Er ruft auf, soviel Öffentlichkeit wie möglich herzustellen. | |
Dann zieht die Gruppe auf den Hansaplatz, wo der Hauseigentümer sein Büro | |
betreibt. Er bekommt ausrangierte Bücher mit frechen Sprüchen vor die Tür | |
gelegt, die Menge buht und der Stadtteilchor singt – der Eigentümer bleibt | |
aber unsichtbar. | |
7 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Frank Berno Timm | |
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