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# taz.de -- Bahnlärm: Begüterte gegen Güterzüge
> Der Widerstand gegen den Ausbau der Bahnstrecke Oldenburg-Wilhelmshaven
> hat einen problematischen Protagonisten: den Grünen-Ratsherrn Armin
> Frühauf.
Bild: Schöne Aussichten: Wenn hier die Güterzüge drüberdonnern, könnten di…
OLDENBURG taz | Ein Spitzenjurist mit Privatinteressen, eine
"Rufmordkampagne", Gerüchte und eine innergrüne Solidaritätsbekundung - es
geht um das derzeit wohl größte Thema in der Stadt Oldenburg, den geplanten
Ausbau der Bahnstrecke nach Wilhelmshaven.
Die Trasse verläuft mitten durch die Stadt, quert die Wohnviertel, in denen
grün angehauchtes Bürgertum wohnt. Weil in Wilhelmshaven der
Tiefwasserhafen Jade-Weser-Port gebaut wird, baut die Bahn die Strecke nach
Wilhelmshaven aus. Anwohner fürchten Gefahrguttransporte und Lärm durch
viele Hundert Zugdurchfahrten, auch nachts. Sie fordern deshalb eine
Umgehungstrasse um die Stadt herum.
Wären die Oldenburger heißblütiger, hätten sie sich längst zu einem Ableger
der Stuttgart-21-Widerständler formiert. Die Stadt und fünf weitere Kläger
gehen gerichtlich gegen den Ausbau der Strecke vor, die Sache liegt beim
Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Die Kläger werden vertreten vom
Münsteraner Verwaltungsrechtler Bernhard Stüer. In Aussicht steht ein
Vergleich: Die Klage wird fallen gelassen, dafür gibt es Lärmschutz an den
Häusern entlang der Strecke. Unberührt davon bleibt die politische
Maximalforderung nach der Umgehungstrasse.
Der, der schon länger im Mittelpunkt der Sache steht, heißt Armin Frühauf,
65, ist bis Ende des Monats noch Vizepräsident des Landgerichts Oldenburg
und seit November grüner Ratsherr. Dass es den Grünen gelungen war, Frühauf
für sich zu gewinnen, sah nach einem Coup aus: Karrierejurist, lange
SPD-Mitglied, war Referatsleiter im Bundesjustizministerium, Gastprofessor
in Buenos Aires, rhetorisch begabt, intelligent, hat Kontakte bis weit oben
oder scheut sich nicht, qua Bedeutung auch bis weit nach oben zu gehen.
Frühauf ist der vehementeste Kämpfer für Lärmschutz und Umgehungstrasse,
ein Polterer, der gelegentlich übers Ziel hinaus schießt, als
Ein-Themen-Ratsherr gilt und auch Parteifreunden mitunter auf die Nerven
geht. Eigentümer eines Hauses nahe der Bahnstrecke ist er auch, weshalb man
den Eindruck haben kann, da vermischten sich private Interessen mit
politischem Mandat.
Dass er auch noch permanent mit Verweis auf seinen juristischen
Sachverstand als Richter im Klageverfahren interveniert, macht die Sache
nicht durchschaubarer. Frühauf schickt Mails an Stüer und Oldenburgs
Oberbürgermeister Schwandner und drängt darauf, dass beide - Rechtsanwalt
und Kläger - das Tempo aus den Verhandlungen über den Vergleich nehmen.
Stüer beschied er kühn, er habe "derzeit keinerlei Auftrag", für die
privaten Kläger "mit dem Gericht, dem Prozessgegner, den Beigeladenen oder
sonstigen Beteiligten zu verhandeln". Auch beim Bundesverwaltungsgericht
rief er an mit dem Hinweis, dass er "mehrere Kläger vertrete", worauf der
zuständige Richter entgegnete, "dass die Prozessvertretung bei Prof. Stüer
liege". Als wäre Frühauf als Anwalt dort aufgetreten.
Stüer nun wiederum berichtet aus einer nicht näher spezifizierten
Gerüchteküche, in der es heiße, Frühauf wolle das Verfahren entschleunigen,
um nach seinem Ausscheiden aus dem Richteramt als Anwalt Mandate von
Bahngegnern zu übernehmen.
Der weist das empört zurück, spricht von einer "Rufmordkampagne" und drängt
darauf, zur Sache zurückzukehren - während ein Vertreter des
Eisenbahnbundesamtes sein "Befremden" über Frühaufs Einmischerei kundtut.
Rechtsanwalt Stüer fürchtet wegen Frühaufs Interventionen um den Vergleich:
"Das ist die größte Gefahr", sagt er.
Die Oldenburger Grünen reagierten am Freitag mit einer
Solidaritätserklärung für Armin Frühauf: Der gestalte "mit Sachverstand und
scharfer Analyse" grüne Politik in Oldenburg mit. Seine juristische
Expertise bringe er "beim zukunftsweisenden Thema Bahn hoch engagiert und
in einem Rahmen ein, der die Möglichkeiten eines Ehrenamtes bisweilen
übersteigt".
Der so Gelobte ist längst schon wieder unterwegs, um die Stadt vor dem
Bahnlärm zu bewahren - diesmal in der Bundeshauptstadt.
10 Jun 2012
## AUTOREN
Felix Zimmermann
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