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# taz.de -- Konsum-Fetisch: Warten auf den Schuh
> Turnschuhfans campen tagelang auf dem Neuen Pferdemarkt in Hamburg, um
> einen von US-Rapstar Kanye West entworfenen Sneaker zu ergattern.
Bild: Nach 72 Stunden: Der "Nike Air Yeezy II" ist gekauft.
HAMBURG taz | Etwas zögerlich betritt Max den Mietladen am Grünen Jäger,
bleibt kurz fast ehrfürchtig stehen und geht dann zielstrebig auf die
Schuhkartons zu. Vorsichtig schlüpft er in den grauen Sneaker mit leicht
neongrüner Sohle, die laut Hersteller im Dunkeln leuchten soll. „Er sitzt
etwas eng, sieht toll aber aus. Das Warten hat sich gelohnt“, sagt Max,
während er aus seinem Portemonnaie 260 Euro fischt.
Wie weggeblasen sind die Strapazen der letzten 72 Stunden. Solange hat er
mit mehr als 50 jungen Männern und vier Frauen für einen Schuh mit dem
umständlichen Namen „Nike Air Yeezy II“ bei Wind und Wetter auf der Straße
ausgeharrt. Nur 200 Paare des von US-Rapstar Kanye West entworfenen
Sneakers wurden in Deutschland verkauft, 50 davon in Hamburg.
Max ist dafür mit vier Freunden aus Kassel angereist. „Bei dem Vorgänger
haben wir auch schon vor dem Laden übernachtet“, sagt Begleiter Axel.
Entsprechend professionell ist die Ausrüstung: Klappliegen, Campingstühle,
Schlafsäcke, MP3-Player mit Lautsprechern und eine Kabeltrommel mit
Mehrfachsteckdose.
Das Outdoor-Abenteuer der Schuhverrückten macht eine Liste nötig. Auf ihr
sind alle Interessenten für die Schuhe vermerkt, in der Reihenfolge ihres
Eintreffens. Voll war die Liste schon fünf Minuten nach dem Aushängen am
Mittwoch kurz vor Mitternacht. Regelmäßig wird die Anwesenheit
kontrolliert.
„Es gibt genug Freunde, die an unserem Verstand zweifeln. Die meisten
würden wohl für kaum etwas freiwillig mehrere Nächte auf der Straße
verbringen“, sagt Max. Er und seine Freunde haben sich Urlaub genommen und
einer hat gar die Mannschaftsfahrt sausen lassen. „Den Mitspielern hab ich
erzählt, ich würde Verwandte in Hamburg besuchen.“
Auch die Reaktionen der Anwohner auf die Gäste auf ihrem Bürgersteig
schwanken zwischen Ablehnung und Staunen. „Die Jungs sind allesamt
umgängliche Zeitgenossen. Ich ziehen meinen Hut vor ihrer Leidenschaft“,
sagt Veysel Taser, der Besitzer des Tabakladens von nebenan. „Ich mag
Turnschuhe, aber auf der Straße schlafen, würde ich für nichts auf der
Welt.“ Manch Anwohner hat den Wartenden sogar eine Dusche angeboten.
Anderen scheint die Gruppe aber ein Dorn im Auge gewesen zu sein. „Ein
Passant hat die Polizei gerufen und die Räumung des Bürgersteigs verlangt.
Außerdem kamen hin und wieder Leute, die uns beschimpft haben“, sagt Max.
Doch an solche Dinge denkt jetzt gerade niemand mehr. Erschöpft, aber
beseelt werden die Schuhkartons aus dem Laden getragen. Anziehen werden die
Fans die Schuhe nur bei besonderen Anlässen und gutem Wetter, manche
schaffen es sogar in die Vitrinen der Sammler oder doch direkt auf Ebay.
Dort liegen die Preise drei Tage nach der Premiere bei rund 1.750 Euro.
12 Jun 2012
## AUTOREN
Birk Grüling
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