# taz.de -- Segeltour in der Adria: Wo die Fische keine Angst haben | |
> Traumhaft wie im Paradies sind die einsamen Buchten an der kroatischen | |
> Mittelmeerküste. Viele von ihnen sind weder per Auto noch per Flugzeug | |
> erreicht. | |
Bild: Einsam und traumhaft schön: nur von der Wasserseite aus zu erreichen. | |
Die Autobahn nach Rijeka säumen Hochhäuser aus sozialistischen Zeiten. Kein | |
schöner Anblick - aber uns interessiert an der kroatischen Küstenstadt | |
heute sowieso nur der Hafen. | |
Dort liegt die Kreuzfahrtflotte des Reiseveranstalters Riva Tours. Mit | |
einem der 25 Motorsegler werden wir in See stechen. Und erst nach einer | |
Woche zurückkehren. | |
Unser Schiff, die „Kazimir“, ist ein weißer, 39 Meter langer, 7 Meter | |
breiter, 2-stöckiger Zweimaster aus den 40er Jahren. Namensgeber ist der | |
Besitzer, der 67-jährige Kazimir Sango. | |
Zur Begrüßung im mittschiffs gelegenen Salon stellt „Käptn Kaze“ in gut | |
verständlichem Jugodeutsch die Mannschaft – Sohn Kazo (42), Tochter Renata | |
(44) und Schiffskoch Marijan (31) – und die Regeln auf dem Schiff vor. | |
„Frühstück von 8 bis 9, Mittag 12, Abend 18.“ Pünktlichkeit ist angesagt, | |
denn in der Bordküche ist – wie überall an Bord – wenig Platz. „Mario n… | |
kann koche, wenn Kombise voll Schmutzgeschirr.“ | |
Renata übersetzt für zwei Niederländer ins Englische. Die anderen 34 Gäste | |
in den 17 Kabinen sind Österreicher, Deutsche und in Deutschland lebende | |
Kroaten und Bosnier. | |
Nach einem letzten Blick in die E-Mails oder ins Facebook über das | |
kostenlose WLAN im Hafen verlässt die „Kazimir“ Rijeka. Wir beziehen unsere | |
Kabinen: 6 Quadratmeter, Doppelstockbett, Wandschrank, Dusche-WC-Kombi. | |
Auch eine Klimaanlage, aber die braucht man auf dem Wasser eigentlich | |
nicht. | |
Nach einer Stunde stoppt Käptn Kaze die Maschine. „Warten, bis Anker | |
fest!“, ruft er den Kindern zu, die ungeduldig in Badekleidung an der | |
Reling stehen. | |
Eine Metallleiter wird ins Wasser gelassen. Dann darf ins von Sonnenlicht | |
durchflutete, tiefblaue, warme Wasser der Adria eingetaucht werden, was die | |
6- bis 17-Jährigen in den kommenden drei Stunden auch immer wieder unter | |
Gebrüll tun werden. | |
Die älteren Gäste der „Kazimir“ verlegen sich dagegen bald aufs | |
Schnorcheln. In den unzugänglichen Buchten der kroatischen Inseln – „Hier | |
kommt man weder mit dem Auto noch per Flugzeug hin“, betont Renata – trifft | |
man auf Fischschwärme, die nur widerwillig Platz machen. | |
## Ungetrübter Blick | |
Angst vor Menschen haben diese Tiere offensichtlich nicht. Man kann sie gut | |
sehen, noch zwei, drei Meter unter dem Meeresspiegel ist es so hell wie an | |
der Oberfläche. | |
Nach einer Stunde auf dem Sonnendeck erreichen wir den Hafen von Cres. Die | |
gleichnamige Insel ist mit 66 Kilometer Länge eine der größten der Adria. | |
Die Fischer unter den knapp 3.000 Einwohnern des gleichnamigen Hauptorts | |
leben wirklich vom Fischfang, versichert uns Marijan, während Renata das | |
erste Abendessen an Bord serviert: frisch gebratene Goldbrasse mit | |
Kartoffeln und Krautsalat. | |
## Kinder an Bord | |
Entlang des Hafens von Cres stehen Spielautomaten und eine Hüpfburg, die | |
die Kinder von der „Kazimir“ ausgiebig nutzen. Offensichtlich beruhigt das. | |
Später sitzen sie auf der Bank am Heck des Schiffs und spielen Karten. | |
Altersunterschiede: Die jüngste ist 6, der Älteste 17 – kaum zu glauben. | |
„Hier spielt zusammen, was sonst nie zusammen spielt“, kommentiert eine | |
Mutter. | |
Der kommende Tag führt uns um die neben Cres gelegene Insel Losinj, in | |
deren Hauptort, Mali Losinj (Klein Losinj), wir den Abend verbringen. | |
Während sich die Kinder wunderbarerweise erneut um sich selbst kümmern, | |
bilden einige Erwachsene Partyteams. | |
Ihre späte, lustige Rückkehr an Bord stört die, die sich für früheres | |
Schlafengehen entschieden haben, offensichtlich nicht: Niemand beklagt | |
sich. | |
## Durch die Kornaten | |
Tag drei führt uns durch die Kornaten. Kinder wie Erwachsene stehen an der | |
Reling und starren gebannt auf die 150 teils von Bäumen oder Gestrüpp | |
bedeckten, teils kahlen Inseln und Inselchen. | |
Dazwischen scheinen Steine im Wasser zu liegen, auf denen gerade mal ein | |
Mensch stehen kann. Über 220 Quadratkilometer lang zieht sich diese bizarre | |
Welt hin. „Wie ist das entstanden?“, will ein Junge wissen. Niemand weiß | |
eine Antwort. | |
Auf Dugi Otok, der „Langen Insel“, besuchen wir den „Silbersee“. Der si… | |
zwar aus wie ein Stück Amerika mitten in der Adria und heißt auch so, wie | |
der im gleichnamigen Karl-May-Roman. Aber das Buch wurde am Kaluderovac | |
Jezero im kroatischen Landesinnern verfilmt, auf dessen Wellen man nicht | |
liegen kann wie auf dem Salzwasser des Silbersees von Dugi Otok. | |
## Kien störendes Licht | |
Der Nachthimmel über den Kornaten ist unbeschreiblich. Kein Licht stört die | |
Sicht auf die Sterne. „Ich habe 7 Sternschnuppen in 5 Minuten gezählt“, | |
behauptet eine Mitseglerin. | |
Ein Mann liegt mit dem Bauch nach oben auf dem Sonnendeck und atmet, als | |
habe er das seit Jahren nicht mehr gemacht. Irgendwann hört man dann nur | |
noch das Meer. Der Anblick der Milchstraße hat uns still gemacht. | |
Rab und Pag, unsere beiden nächsten Ziele, sind der Kontrapunkt zur Stille | |
der Kornaten: Die Touristenmassen, die sich in der Hochsaison durch die | |
beiden Bilderbuchorte schieben, vermasseln deren Schönheit völlig. | |
## Nachtleben auf dem Schiff | |
Selbst die Freizeithistoriker auf der „Kazimir“ sind froh, dass wir eine | |
eigene Insel haben. Das Nachtleben wird aufs Schiff verlegt. Dort bleibt es | |
auch, als wir zwei Tage später wieder im Hafen von Rijeka sind. | |
Nur noch eine Nacht auf dem Boot – da zieht es niemanden in die Kneipe. | |
Nicht mal die laute Musik von dem Discoboot auf der anderen Seite des | |
Hafenbeckens kann uns von der „Kazimir“ weglocken. | |
Ein Bier, ein Wein, die ein oder andere Loza in den Liegestühlen auf dem | |
Deck. Auch die Crew bleibt lange auf, obwohl die „Kazimir“ am nächsten | |
Morgen von 9 bis 11 Uhr für neue Gäste bereit gemacht werden muss. | |
Sie wollen noch ein bisschen Zeit verbringen mit den Gästen, denen sie in | |
nur sieben Tagen sehr nahegekommen sind. | |
23 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Rüdiger Rossig | |
## TAGS | |
Reiseland Kroatien | |
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