# taz.de -- Fernsehen in Berlin: Im gläsernen Studio | |
> Neben dem RBB gibt es in Berlin drei lokale Fernsehsender: den Offenen | |
> Kanal Alex, den Spreekanal und TV Berlin - das mit einem neuen Projekt | |
> künftig mehr Zuschauer gewinnen will. | |
Bild: Schickt die bunten Bilder durch die Stadt: Der Berliner Fernsehturm. | |
Die Werbepause ist gerade vorbei, als sich Peter Brinkmann in Rage redet. | |
Brinkmann war Chefkorrespondent der Bild in Kuba, ist nun Moderator bei TV | |
Berlin und in der Talkrunde „Andruck – Die TV Berlin Presserunde“ gerade | |
selbst zu Gast beim Sender. Das gläserne Studio von TV Berlin steht im | |
Erdgeschoss des Axel-Springer-Hochhauses. Gemeinsam mit zwei | |
Springer-Journalisten, die einen kurzen Weg in die Sendung hatten, sitzt | |
Brinkmann auf roten Studiosesseln vor einer Berlin-Kulisse. | |
Man spricht über die Kriminalstatistik der Stadt, die Diskussion beißt sich | |
fest an einer Zahl: 26 Prozent mehr Einbrüche als im Jahr zuvor. „Früher | |
waren die rumänischen Kinderbanden am Gendarmenmarkt unterwegs, jetzt sind | |
es vornehme Damenbanden“, empört sich Brinkmann. Er wisse das genau, | |
schließlich wohne er da. Und bei seinen Nachbarn seien die falschen feinen | |
Damen auch schon eingebrochen. | |
Moderatorin Agnes Fischer greift ein und lenkt das Gespräch mit | |
professionellem Fernsehlächeln wieder in sicheres Fahrwasser. „Am Ende des | |
Tages bin ich manchmal selbst erstaunt, dass wir wieder 30 Sendeminuten gut | |
gefüllt haben“, sagt Fischer, als die Kameras aus sind. TV Berlin ist | |
klein, 26 feste MitarbeiterInnen sind hier beschäftigt. Für „Andruck“ ist | |
Fischer, die ihr Handwerk beim NDR gelernt hat, die einzige Redakteurin. | |
Neben dem öffentlich-rechtlichen RBB gibt es in Berlin drei Fernsehsender, | |
die ein lokales Programm für die Hauptstadt produzieren: TV Berlin und der | |
Spreekanal, die sich mehr schlecht als recht durch Werbung finanzieren, und | |
den Offenen Kanal. | |
Der Spreekanal besteht aus einem Konglomerat von Kleinstanbietern wie | |
Spandau-TV und einzelner, mitunter etwas abseitig anmutender Produktionen. | |
Da gibt es etwa „Malen mit Bob Ross“, in dessen Sendung aus den | |
1980er-Jahren die Zuschauer lernen sollen, wie man in dreißig Minuten ein | |
Ölgemälde pinselt; oder „Joy Music Video“, in dem sich Bibelgeschichten m… | |
einer christlichen Hitparade für Kinder abwechseln. | |
Auf dem Sonderkanal zehn des Berliner Kabelnetzes sendet der Spreekanal | |
seit 1985, technisch erreicht der Sender 1,35 Millionen Haushalte. Hinter | |
ihm steht die Medienanstalt Berlin-Brandenburg. Eine Redaktion gibt es hier | |
genauso wenig wie ein klar ersichtliches Konzept: Für Bob Ross und die | |
anderen Sendeplätze von „Meisma Massage TV“ über ein „Straight & Gay | |
Lifestyle-Magazin“ bis hin zu einem „Berlin-Journal“ muss jeweils gesonde… | |
eine Lizenz von der Medienanstalt beantragt und eine Gebühr an die | |
Kreuzberger Firma UV Interactive Services GmbH entrichtet werden – einmal | |
wöchentlich 15 Minuten Senden kosten zum Beispiel 85 Euro. | |
Der dritte Sender finanziert sich über die Rundfunkgebühren: Die | |
Medienanstalt Berlin-Brandenburg hat den Sonderkanal acht für Alex | |
reserviert, den Offenen Kanal Berlin. Dort darf prinzipiell jedeR Fernsehen | |
machen, wenn er denn nur eine Idee hat, eine Kamera halten und mit einem | |
Schnittprogramm umgehen kann – oder es im Werkstudio von Alex lernen will. | |
## Das Bürgermedium | |
Till Reinhold ist stellvertretender Leiter des bereits 1985 gegründeten | |
Offenen Kanals Alex. „In Berlin gibt es so viele Szenen, die in den großen | |
Medien nie stattfinden“, sagt Reinhold. Demgegenüber entstehe beim | |
Bürgermedium Offener Kanal Alex, dessen Livestream von durchschnittlich | |
4.000 ZuschauerInnen täglich geklickt wird, ein kreativer Freiraum. | |
Andererseits ist da die Schwierigkeit, diesen so zu gestalten, dass er auch | |
tatsächlich eine Alternative zu YouTube darstellt – wo schließlich auch | |
jedeR irgendwie mitmischen kann. „Wir legen bei Alex Wert auf qualifizierte | |
Beiträge, die handwerklich gut gemacht sind“, sagt Reinhold. Wer | |
anspruchsvoll produziert, bekomme bei Alex auch den besseren Sendeplatz. | |
Was mitunter aus so einem medialen Freiraum erwachsen kann, zeigt das | |
jugendliche Talkformat „TV Noir“, das im Heimathafen Neukölln in | |
Schwarzweiß produziert wird: Mittlerweile läuft die 2008 bei Alex | |
gestartete Produktion auf ZDF Kultur, für den Grimme Online Award war sie | |
bereits nominiert. | |
TV Berlin hingegen arbeitet in seinem gläsernen Studio mit fester Redaktion | |
und ist der einzige der kleinen Sender, der ein weitgehend eigenes Programm | |
auf die Beine stellt. Gut zwölf eigene Produktionen habe man derzeit, vor | |
allem Talkformate, sagt Geschäftsführer Mathias Adler. Daneben gibt es eine | |
Handvoll Magazine, die aber vor allem Firmen-PR sind: Ein großer | |
Versicherungsdienstleister sendet ein Gesundheitsmagazin, eine | |
Immobilienfirma einen Immobilienratgeber. Der von Russland finanzierte | |
Sender Russia Today sendet morgens eine Stunde lang auf Englisch, wie der | |
Kreml die Welt sieht. Von 10 bis 16 Uhr wird das Programm mit Teleshopping | |
aufgefüllt. | |
Teleshopping, Firmen-PR, Kreml-TV: Für Adler ist das die nötige „private | |
Alternative zum öffentlich-rechtlichen Programm, die eine Stadt wie Berlin | |
braucht“. Was die regionale Berichterstattung anbelangt, sehe man sich da | |
auch durchaus „konkurrenzfähig zum Beispiel zur RBB-Abendschau“, sagt Adler | |
selbstbewusst: Hauptprodukt von TV Berlin seien Lokalnachrichten, sagt | |
Adler. Die gibt es morgens zunächst im journalartigen „Frühcafé“, ab 17 … | |
stündlich und um 20 Uhr noch mal zusammengefasst für den ganzen Tag. | |
Die Grundidee hinter TV Berlin ist denkbar simpel: „Die Leute interessiert, | |
was sie unmittelbar betrifft“, meint Adler. Zum Beispiel? Der schlechte | |
Zustand der Berliner Straßen, sagt Adler, oder der 1. Mai. Bei Agnes | |
Fischer blickten die Gäste mit Sorge auf die Kriminalstatistik – mehr | |
unaufgeklärte Verbrechen, mehr Einbrüche. In einer Ausgabe des Frühcafés | |
suchen Tiere ein neues Zuhause. | |
## Boulevardjournalismus | |
Dass das Studio ausgerechnet im Epizentrum des deutschen | |
Boulevardjournalismus untergebracht ist – im gläsernen Pavillon in der | |
Axel-Springer-Passage entstehen etwa drei bis vier Produktionen jeden Tag | |
–, ist kein Zufall: Obwohl man redaktionell „gänzlich unabhängig“ arbei… | |
wie Mathias Adler beteuert, ist die Axel Springer AG zu 27 Prozent | |
Anteilseigner an TV Berlin. 51 Prozent gehören einer Holding, die an | |
weiteren lokalen Fernsehsendern beteiligt ist. Den Rest teilen sich zwei | |
Firmen untereinander auf. | |
Filme oder Serien gibt es bei TV Berlin nicht: zu teuer. „Der Markt an | |
Werbekunden ist wegen unserer regionalen Ausrichtung sehr begrenzt“, sagt | |
Mathias Adler. Das Gleiche gelte für die Zuschauerzahlen: Im Sendegebiet | |
von TV Berlin schauen 1 bis 2 Prozent aller Haushalte mit Fernsehgerät zu. | |
Man wisse, dass eher wenige junge Leute einschalten. Kein Wunder: | |
Firmenmagazine, Lokalnachrichten oder Programmstopfer à la „Live-Cams von | |
der Ostsee“ dürften nicht gerade das sein, was eine jugendliche Zielgruppe | |
an den Fernseher lockt. | |
Auf Dauer könne man sich so nicht refinanzieren, sagt Adler. Mehr | |
bundesweite Werbekunden und Zuschauer erhofft man sich nun durch „Volks | |
TV“: So jedenfalls will der Ex-Bertelsmann-Chef Helmut Thoma seinen | |
geplanten Fernsehsender taufen. Dieser soll künftig deutschlandweit mehrere | |
Regionalsender, wie NRW TV, Hamburg 1 und eben TV Berlin, mit einem | |
Mantelprogramm zur Primetime versorgen. Der ursprünglich auf April | |
terminierte Sendestart wurde allerdings auf einen unbestimmten Zeitpunkt | |
verschoben – es hapert sowohl am Konzept als auch an der Finanzierung. | |
Prominente Unterstützung immerhin hat Adler bereits. Er regelt die | |
Lautstärke der Promo-Präsentation auf seinem Laptop hoch: „Ihre Nachrichten | |
sind echt klasse“, sagt Michael Müller (SPD), Senator für Stadtentwicklung | |
und Umwelt, da in die Kamera: „Nee, wirklich. Sie werden immer besser.“ | |
21 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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