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# taz.de -- Algeriens Unabhängigkeitskrieg: Die Asche meines Vaters
> Seinen Vater kennt unser Autor als algerischen Migranten, der Hamburg zu
> lieben gelernt hat. Erst nach seinem Tod nähert er sich dem Mann, der ein
> Freiheitskämpfer war.
Bild: In dieser Bucht von Algier sollte die Familie von Rezki Ahmia seine Asche…
„Seid ihr noch zu retten?!?“, brüllt mein Onkel aus Algier in den
Telefonhörer. Eine Stunde zuvor war mein Vater Rezki im Alter von 66 Jahren
gestorben. Die Fassung verliert sein Bruder Rabah am Telefon, als meine
Mutter ihm vom letzten Wunsch meines Vaters erzählt: Nach seinem Tod sollen
wir seine Asche in der Bucht seiner Geburtsstadt Algier verstreuen.
„Verbrennung?!? Das bedeutet Fegefeuer. Das ist unislamisch!“, empört sich
Rabah. Wir, seine deutsche Familie, ahnen zu diesem Zeitpunkt nicht, zu
welch abenteuerlichen Reise uns die Widerstände gegen den letzten Wunsch
meines Vaters zwingen werden.
Jahre später führt mich sein letzter Wille auf eine weitere
Entdeckungsfahrt in eine Vergangenheit, über die mein Vater selbst stets
geschwiegen hat: Die Vergangenheit eines der grausamsten
Unabhängigkeitskriege der Kolonialgeschichte, in dem bis zu 1,5 Millionen
Menschen starben. Vor fünfzig Jahren, am 5. Juli 1962, endete der
Algerienkrieg mit der Unabhängigkeit des nordafrikanischen Landes.
## Fast wäre er zu Tode gefoltert worden
Bis zum Tod meines Vaters war der Befreiungskrieg gegen die Franzosen für
mich nicht mehr als eine Episode aus dem Geschichtsbuch. Algerien kenne ich
von Familienbesuchen, die wir alle paar Jahre unternehmen. Die Menschen und
ihre Mentalität sind mir vertraut, das Land und seine Geschichte jedoch im
Grunde fremd geblieben.
Ich wusste zwar, dass mein Vater gegen die Franzosen kämpfte - was er dabei
als junger Mann erlebte, darüber sprachen wir aber nicht. Dabei war es ein
offenes Familiengeheimnis, dass er in französischer Gefangenschaft fast zu
Tode gefoltert wurde.
In der 130-jährigen Besatzungszeit hatte sich Frankreich das
nordafrikanische Land mit seinen vielen Bodenschätzen und fruchtbaren
Äckern so selbstverständlich einverleibt, als wäre es ein Ausläufer
Südfrankreichs. Nach dem Zweiten Weltkrieg lebten etwa eine Million
Europäer in Algerien – umgeben von etwa neun Millionen maghrebinischen
Bewohnern, die sie wie Untertanen behandelten.
Die Unabhängigkeit brachte den meisten Algeriern nicht das erhoffte bessere
Leben. Schon mit dem Abzug der Franzosen rissen sich Teile der algerischen
Militärs und die mit ihnen verbandelten Politiker Macht und
Verfügungsgewalt über die Reichtümer des Landes an sich.
## Er wollte kein Untertan sein
Seit dieser Unabhängigkeit haben die Mächtigen immer wieder mit
verschiedenen Identitäten experimentiert: Erst wurde Algerien zur
„sozialistischen Volksrepublik“. 20 Jahre später wurde eine konsequente
Arabisierung betrieben. Sogar das Sprechen von Französisch stand unter
Strafe, die Sprache der Kabylischen Berber wurde unterdrückt. Von 1992 an
herrschte dort zehn Jahre lang Terror. Islamisten kämpften mit der
algerische Armee. Etwa 200.000 Menschen starben.
Mein Vater Rezki war ein Kind der Altstadt Kasbah. Geboren und aufgewachsen
in den verwinkelten Gassen, die sich durch die Hügel von Algier ziehen. Er
ist gerade 18, als die Algerische Befreiungsfront Front de Libération
Nationale am 1. November 1954 ihren bewaffneten Kampf beginnt. Kurz vor dem
Abitur taucht Rezki im Untergrund der FLN ab: Er wollte kein Untertan sein.
Er wollte Frankreich bekämpfen, um sein Land zu befreien. Das alles erfahre
ich erst lange nach seinem Tod – von seinen Weggefährten.
Jahrelang trage ich mich mit Gedanken, mehr über die Geschichte des Mannes
zu erfahren, den ich als liebevollen Vater kannte, der aber sein Leben als
Freiheitskämpfer verborgen hielt.
Schließlich fliege ich nach Algier, um mit seinen engsten Freunden zu
sprechen. Was ich von ihnen erfahre, verblüfft mich zutiefst: Mein Vater
sollte als Militärchef der Hauptstadt Algier den Widerstand neu aufbauen.
Doch wäre Jean Paul Sartre nicht gewesen, hätten er die Mission nicht
überlebt und ich wäre gar nicht geboren worden...
Was unser Autor über das verborgene Leben seines Vaters, über seine eigene
Identität und Sartres Rolle bei der Rettung seines Vaters aus französischer
Folterhaft erfährt, lesen Sie in der Ganzen Geschichte „Die Asche meines
Vaters“ in [1][der sonntaz vom 30. Juni / 1. Juli 2012]. Am Kiosk,
[2][eKiosk] oder gleich im [3][Wochenendabo]. Und für Fans und Freunde:
[4][facebook.com/sonntaz]
30 Jun 2012
## LINKS
[1] http://bit.ly/gcsTy1
[2] http://bit.ly/ILRE6W
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## AUTOREN
Tarik Ahmia
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