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# taz.de -- Streit um Umzugspläne: Der Auszug der Alten Meister
> Die Gemäldegalerie soll umgebaut werden, die dort beheimateten Alten
> Meister in Richtung Museumsinsel umziehen. Das gefällt nicht jedem.
Bild: Sie soll erstmal geschlossen werden: Gemäldegalerie am Potsdamer Platz.
Seit kurzem erzählt ein Bilderroman im Internet vom „Anschlag auf die
Gemäldegalerie“. Mit Hilfe der Gemälde von Hieronymus Bosch, Pieter
Bruegel, Lucas Cranach und vieler anderer Stars der Sammlung des Berliner
Museums wird eine finstere Vision beschrieben: Die Gemäldegalerie solle
geschlossen werden. Dies sorgt für „gelähmte Erschütterung“ und
„verzweifelte Klagen“. Zwar heißt es hier von Seiten des heiligen
Hieronymus oder des Evangelisten Johannes noch hoffnungsfroh, dass sich die
Schuldigen „vielleicht eines Tages“ büßend in die Wüste verziehen – es…
denn, das schreckliche Szenario würde Wirklichkeit. In einem anderen Blog
eines anonymen Autors wird daran jedoch schon gar nicht mehr gezweifelt:
Die Gemäldegalerie wird als „tot“ betrauert.
## Rund um den Globus
Was ist der Grund für solche Klagen? Auslöser des mittlerweile gewaltig
anschwellenden Protests unter Kunsthistorikern rund um den Globus war eine
zunächst freundliche klingende Meldung vom 12. Juni: Der Bundestag
beschließt eine Erhöhung des Bauhaushalts der Stiftung Preußischer
Kulturbesitz um 10 Millionen Euro. Mit dem Geld soll das zur Stiftung
gehörende Haus der Gemäldegalerie zu einem Museum des 20. Jahrhunderts
umgebaut werden. Die Sammlung der Alten Meister müsse also demnächst
ausziehen, hieß es – nur die Highlights würden im Bodemuseum zusammen mit
Skulpturen öffentlich präsentiert.
Ein Plan, gegen den eine wachsende Zahl von Freunden der alten Kunst Sturm
läuft. Der Verband Deutscher Kunsthistoriker protestierte bereits in einem
an Kulturstaatsminister Bernd Neumann gerichteten offenen Brief „aufs
Schärfste“. Inzwischen gibt es sogar eine schnell wachsende Online-Petition
eines Harvard-Professors gegen diese Pläne.
Vorwürfe, wonach mit der Sammlung der Gemäldegalerie verantwortungslos
umgegangen werde, „weisen wir entschieden zurück“, sagte am gestrigen
Donnerstag jedoch der Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin,
Michael Eissenhauer. Vielmehr solle den Sammlungen der „ihnen gebührende
Raum“ gesichert werden. Ziel sei es, die Gemäldepräsentation zu erweitern
und mit den Skulpturen im Bode-Museum zu vereinen. Da das Bode-Museum für
die Präsentation dieser beiden Sammlungen nicht genügend Platz biete, sei
ein Erweiterungsbau geplant.
Der Hintergrund für den erzwungenen Exodus der Gemäldegalerie: Die
Preußenstiftung will hier die Surrealistensammlung des Ehepaars Pietzsch
zusammen mit den eigenen Beständen zur Kunst des 20. Jahrhundert
unterbringen. Pietzschs hatten als Bedingung für ihre Schenkung die
komplette Präsentation der rund 150 Werke verlangt, was in der benachbarten
Nationalgalerie aus Platzmangel unmöglich ist.
Tatsächlich aber ist die erst 1998 eröffnete Gemäldegalerie der Architekten
Hilmer & Sattler für die dort präsentierte abendländische Malerei vom
Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert maßgeschneidert. Erklärtes Vorbild für
das Haus ist Leo von Klenzes Pinakothek in München, vollendet 1836. Im
Grunde handelt es sich bei der Gemäldegalerie um ein in Beton gegossenes
Kunstverständnis des 19. Jahrhunderts. In fast 60 Räumen wird die
Kunstgeschichte nach Epochen, Ländern und Schulen sortiert.
Flexibilität in der Raumgestaltung, Interdisziplinarität etwa durch
Mischung mit Skulpturen oder Transparenz, um Dinge in Beziehung zu setzen?
Unmöglich und nicht vorgesehen. Dazu kommt ein bauliches Umfeld, das
bestenfalls unauffällig (Kunstbibliothek), monströs (Kunstgewerbemuseum)
oder ästhetisch wie praktisch katastrophal ist (zentrale Eingangshalle samt
Aufgangsrampe).
Schlimmer wiegen in den Augen der Verantwortlichen der Stiftung Preußischer
Kulturbesitz aber wohl die schlechten Besucherzahlen der Gemäldegalerie. Es
dürfte der Hauptgrund für die Tendenz nach Mitte sein, die als Masterplan
Museumsinsel längst vorliegt und eine Konzentration der vormodernen Kunst
auf der Museumsinsel vorsieht.
Mit seinen 10 Millionen hat Kulturstaatsminister Bernd Neumann nun den Zug
ins Rollen gebracht. Wann dieser ankommt, das heißt, wann die geplante
„Museumsrochade“ vollendet sein wird, steht allerdings in den Sternen. Denn
für einen avisierten Umzug der Gemäldegalerie in einen Neubau in den
„Museumshöfen“ gegenüber dem Bodemuseum gibt es bislang keinen konkreten
Termin. „Deutlich nach 2018“ heißt es beim Bund, dem Hauptgeldgeber der
Preußenstiftung.
Die Dauer des Provisoriums der Gemäldegalerie im Bodemuseum ist also völlig
ungewiss. Derzeit gibt es weder eine Finanzierung noch eine
Architekturplanung für ein neues Galeriegebäude. Und ob es bei dem
derzeitigen Masterplan für die Museen der Stiftung bleibt, ist auch nicht
ausgemacht. Ein Blick auf das Kulturforum zeigt, wie sehr sich der
Zeitgeist wenden kann. Schon dieses wurde zum Schrottplatz unvollendeter
Konzepte: architektonisch ein Fiasko, städtebaulich ein Torso,
museumstechnisch überholt und ideologisch von gestern. Der Gründungsgedanke
stammt noch aus der modernistisch gestimmten Nachkriegszeit.
Ob und wie lange die Zuflucht der Gemäldegalerie in die preußische Aura der
Museumsinsel trägt, kann keiner sagen. Die Loslösung der Gemäldegalerie aus
dem räumlichen Verbund mit Bibliotheken, Kunstgewerbe und grafischen
Künsten am Kulturforum jedenfalls – also weg von Forschung und
interdisziplinärer Konkordanz – scheint symptomatisch für den gegenwärtigen
Trend zum Museum als Eventmaschine und Touristenfalle zu sein.
6 Jul 2012
## AUTOREN
Ronald Berg
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