# taz.de -- Petitionen an den Bundestag: Noch eine Vorschrift, bitte! | |
> Jedes Jahr wenden sich rund 15.000 Bürgerinnen und Bürger mit ihren | |
> Petitionen an den Bundestag. Was treibt sie an? | |
Bild: Es einfach mal rauslassen: Ärger ist eine häufige Motivation für Petit… | |
## 1. Der Dauerpetent | |
Es gibt ja Idioten, sagt Günter Dillikrath, die würden mit Eiern werfen. | |
„Aber ich sag: Man kann mit Politikern auch einen Dialog führen.“ Eine | |
Demokratie lebe ja davon, dass man mitdiskutiere. Dillikrath ist 56 und | |
Frührentner. Täglich verfolgt er über das Internet die Nachrichten und | |
macht sich seine Gedanken, was im Land verbessert werden kann. Seine | |
Vorschläge hinterlässt er dann über die Kommentarfunktion der Webseiten. | |
Manchmal schreibt er auch Petitionen. „So zirka 30“ allein im letzten Jahr. | |
Dillikrath hat sich zum Beispiel überlegt, dass viele junge Leute gar nicht | |
geeignet seien, Auto zu fahren, weil sie von Alkohol oder anderen Drogen | |
abhängig seien. Deshalb fordert er in einer Petition: Bevor jemand den | |
Führerschein bekommt, müsse er neben dem Sehtest auch einen Alkohol- und | |
Drogentest machen. Fielen die positiv aus, gibt es keinen Führerschein. | |
Dillikrath lebt in der Nähe der holländischen Grenze: Da gebe es viele | |
junge Leute, die sich in den Coffeeshops volldröhnten und dann Unfälle | |
verursachten. Er selbst kommt vom Land und wurde noch ganz anders erzogen: | |
„Früher vorm Saufen hat die Mutter mir ganz einfach Autoschlüssel und | |
Führerschein abgenommen.“ | |
Dillikrath reichte sein Anliegen als öffentliche Petition auf der Webseite | |
des Bundestages ein, 274 Menschen unterschrieben seine Forderung dort mit. | |
Er ist zufrieden, schon die Existenz der Petition sei ein „Schockhinweis | |
für junge Leute: Lasst die Finger von dem Krempel!“ | |
Dillikrath schreibt nicht nur Petitionen an das Parlament, sondern auch | |
Briefe an einzelne Politiker. An Angela Merkel, wenn er denkt, Guido | |
Westerwelle sei nicht der richtige Außenminister. Oder an Wolfgang Bosbach, | |
weil er findet, dass die Bundeswehr zur Terrorabwehr innerhalb Deutschlands | |
eingesetzt werden sollte. | |
Wenn ihm etwas ganz wichtig ist, versucht er es telefonisch. Bei Angela | |
Merkel zum Beispiel, wozu er „einige Durchwahlen probieren musste“. | |
Bernhard Kotsch, der stellvertretende Büroleiter, habe gefragt, wer ihm | |
denn die Nummer gegeben habe: „Der hat mich richtig zur Sau gemacht.“ | |
Dennoch schickt er Merkel jährlich eine Weihnachtskarte, genau wie anderen | |
Politikern – „damit die auch mal was Nettes kriegen“. | |
Der Petitionsausschuss hat seine Idee mit dem Drogentest allerdings | |
abgelehnt: Es gebe zu wenige Unfälle, die durch Drogenmissbrauch verursacht | |
würden, als dass man alle Fahrer unter einen Generalverdacht stellen könne. | |
Außerdem seien „nicht anlassbezogene Drogentests“ zu teuer. | |
## 2. Der Stromsparer | |
Beruflich beschäftigt sich Alexander Götz mit den großen Themen, mit | |
deutscher Außenpolitik, dem Nahen Osten. Der 40-Jährige ist Büroleiter des | |
SPD-Bundestagsabgeordneten Günter Gloser. Daheim beschäftigen den | |
Familienvater auch kleine Dinge: Vor zwei Jahren war es der WLAN-Router für | |
die drahtlose Internetverbindung. | |
„Ich hab mich wahnsinnig geärgert über Vodafone, die mir einen WLAN-Router | |
geschickt haben, den man nicht ausschalten kann. Wenn man den trotzdem | |
aussteckert und wieder einsteckert, dann übernehmen die keine | |
Gewährleistung dafür, dass der wieder hochfährt.“ Die Konsequenz: | |
Stromverschwendung. | |
Eines Nachts lag Götz wach und überlegte sich: Das ist eine Frage der | |
Regulierung. Wer als Dienstleister elektrische Geräte ausliefert, müsse | |
dafür sorgen, dass die einen Ein-aus-Schalter haben. Es gehe ja nicht nur | |
um WLAN-Router. Und „der Konsument hat alleine nicht den richtigen Hebel in | |
der Hand“, sagt Götz, man wähle seinen Telefonanbieter schließlich nicht | |
nach dem WLAN-Router aus. | |
Am nächsten Tag gab er auf der Webseite des Bundestages seine Petition ein. | |
Den Link auf seine Petition hat er dann online weiterverbreitet, über | |
Facebook und Twitter. „Viel Wind habe ich nicht gemacht“, sagt er. | |
Warum hat er nicht versucht, das Thema im Bundestag über den persönlichen | |
Kontakt zu dem zuständigen Abgeordneten voranzubringen? Er wollte nicht | |
seine berufliche Position ausnutzen, sagt er: „Die Frage hat mich als | |
Konsument und als Bürger betroffen.“ Zudem bekomme die Sache mehr Gewicht, | |
wenn andere auf der Bundestags-Webseite mit unterschreiben. 940 Menschen | |
haben das gemacht. Das findet Götz ganz ordentlich bei einem Thema, das die | |
Welt „nun wirklich nicht bewegt“, sondern eine „Kleinigkeit für einen | |
typischen Deutschen“ sei. | |
Der Bundestag reichte die Petition an das Europaparlament weiter, da die EU | |
den Stromverbrauch von Elektrogeräten reglementiert. Ob das EU-Parlament | |
den Vorschlag aufgreifen wird, ist noch ungewiss. | |
## 3. Der Richtigparker | |
Wenn Gerd Wilkens zu seinen Kunden fährt, stößt er in jeder Stadt immer | |
wieder auf das gleiche Problem – irgendwo muss er sein Auto parken. Der | |
54-Jährige handelt mit Solaranlagen und ist in ganz Deutschland unterwegs. | |
„Kostenfreie Parkplätze gibt es ja kaum noch, entweder sind sie | |
Kurzzeitparkplätze oder gebührenpflichtig.“ Zwei bis drei Mal pro Woche | |
kommt er deshalb in die Bredouille mit der Parkscheibe. Wie dieses eine | |
Mal, das ihn dazu brachte, eine Petition zu schreiben. | |
Willkens stellte sein Auto abends auf einem Parkplatz ab, auf dem man | |
zwischen 8 und 18 Uhr nur zwei Stunden lang parken darf, nachts aber | |
unbegrenzt. Am nächsten Vormittag, noch vor 10 Uhr, fand er den Zettel | |
wegen Falschparkens an der Frontscheibe: „Die Ordnungshüter sagten, jetzt | |
gäbs ein Bußgeld."“Gerd Wilkens war sauer: „Das geht nicht!“ Er fordert | |
daher in seiner Petition, dass zu Beginn der Kurzparkzeit – hier also ab 8 | |
Uhr – für die Dauer des Kurzparkens – hier also zwei Stunden – keine | |
Bußgelder verhängt werden dürfen. | |
Der Bundestag antwortete, es gebe eine andere Lösung. Wilkens könne die | |
Parkscheibe am Abend auf 8 Uhr des nächsten Tages vorstellen – und dann bis | |
10 Uhr frei parken. | |
Wilkens dachte, das Vorstellen der Parkuhr sei verboten, weil ihm das | |
Politessen so gesagt hatten. Der Petitionsausschuss schreibt, es sei | |
„bekannt“, dass es bei Ordnungswidrigkeiten, deren „Ahndung in das Ermess… | |
der jeweiligen Verfolgungsbehörde gestellt ist, in Einzelfällen zu | |
schwierig nachvollziehbaren Verfügungen kommen kann.“ Wilkens: „Die wissen | |
genau, dass bei den Gerichten bergeweise solche Fälle rumliegen.“ | |
Gerd Wilkens sagt, er habe ja kein Problem damit, Bußgelder zu bezahlen, | |
wenn er tatsächlich einen Fehler gemacht hätte. Die Willkür der | |
Ordnungshüter aber findet er unmöglich: „Sie müssen sich immer rumstreiten | |
mit den Kerlen.“ Das Problem sei ja alltäglich: „In Deutschland fahren ein | |
paar Millionen Autos auf der Straße rum und stehen auf Plätzen, viele mit | |
Parkschein, und diese Streitigkeiten laufen Tag für Tag weiter.“ | |
Von den paar Millionen Autofahrern haben allerdings nur 110 seine Petition | |
auf der Webseite des Bundestages mit unterschrieben. Wilkens erklärt sich | |
das mit Resignation: „Die meisten bezahlen das Bußgeld und dann ist die | |
Sache für sie abgehakt, weil sie nicht unbedingt den Antrieb haben, sich | |
mit den Behörden anzulegen.“ | |
Die Petition hat sich für Gerd Wilkens allein deshalb gelohnt, weil er für | |
die zukünftigen Streitigkeiten die Stellungnahme des Ausschusses | |
hervorholen kann: „Dann werfe ich das der Ordnungsbehörde vor die Füße und | |
sage: Schauen Sie da mal rein und dann reden wir weiter.“ Er findet, dass | |
viel mehr Petitionen eingereicht werden sollten, auch über Kleinigkeiten. | |
Und irgendwann landet ein kleines Thema auch bundesweit auf der politischen | |
Agenda, glaubt er: „Es kommt der Tag, da kommt es dann richtig auf die hohe | |
Platte.“ | |
6 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Julia Burkhart | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |